Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Zwei Leben
Joachim Schoss gründete mit Scout 24 eines der größten Digitalunternehmen Deutschlands. Er lebte jahrelang fast nur für die Arbeit. Dann veränderte ein schwerer Unfall plötzlich alles.
Das Leben von Joachim Schoss lässt sich in zwei Hälften teilen. Die erste Hälfte beginnt 1963 in Essen, wo Joachim Schoss geboren wurde. Sie führt über Velbert, wo er zur Schule ging, nach Hamburg zu seinem Studium und von dort weiter nach Berlin, wo er den Grundstein für die Scout-gruppe legte, die mit Portalen wie Immobilienscout 24 oder Autoscout 24 das Rubrikengeschäft in Deutschland nachhaltig verändern sollte.
Die zweite Hälfte beginnt im November 2002 in Südafrika. Dort machte Joachim Schoss eine Motorradtour mit einem Freund. Die beiden fuhren mit ihren Harleys eine gerade Landstraße entlang. Irgendwann kam ihnen ein Bus entgegen. Ein Autofahrer versuchte den Bus zu überholen – der Freund von Joachim Schoss konnte ausweichen. Joachim Schoss gelang das nicht. Stattdessen raste der Autofahrer in ihn hinein. Gemessen an der Einwohnerzahl zählt Südafrika seit Jahren zu den Ländern mit den meisten Verkehrstoten der Welt. Laut einer Studie der Wirtschaftsorganisation OECD starben in Südafrika 2019 durchschnittlich 22,4 Menschen pro 100.000 Einwohner. Ein häufiger Grund: Alkohol. Auch der Autofahrer, der Joachim Schoss erwischte, war betrunken. Joachim Schoss hat durch den Unfall ein Bein und einen Arm verloren. Er lag monatelang im Krankenhaus, brauchte Blutkonserven, zwischenzeitlich versagte die Niere, ein Lungenflügel kollabierte. „Die Ärzte hatten mich tatsächlich aufgegeben“, sagt Schoss.
In einem Interview beschrieb der Unternehmer später einmal die Dimensionen des Zusammenpralls: Am Morgen des Unfalltages sei er Vorstandschef eines Unternehmens mit 5000 Mitarbeitern gewesen. „Und am Tag nach dem Unfall hätte eine der Putzfrauen auf der Intensivstation mich fast umgebracht, weil sie die Steckverbindungen vom Dialysegerät mit dem Wischmop herausgezogen hat.“
Bis dahin kannte sein Leben nur eine Richtung: vorwärts. Nach dem Studium hatte er seine Karriere als Unternehmensberater begonnen, dann jedoch schon früh eine eigene Beratung und ein Callcenter aufgebaut und diese Mitte der 90er-jahre erfolgreich verkauft. Bei einer Reise in die USA lernte er dann das Geschäftsmodell der Internetmarktplätze kennen – und war sofort begeistert. Denn solche Marktplätze sind, wenn sie erfolgreich sind, natürliche Monopole: Wer etwas anbieten will, geht dahin, wo die größte Nachfrage ist. Und wer etwas sucht, geht dahin, wo das größte Angebot ist. „Wir sind dann von Chicago nach Frankfurt zurückgeflogen und haben über dem Atlantik auf 20 Blatt Papier die Grundidee für Scout 24 niedergeschrieben“, erinnert sich Joachim Schoss. Wir, das sind der Unternehmer und sein Geschäftspartner Arndt Kwiatkowski.
1997 gründen die beiden das Portal Immobilienscout 24, das heute nur noch Immoscout 24 heißt. Die Idee ist relativ simpel: Wer ein Haus oder eine Wohnung verkaufen oder vermieten will, erstellt ein Angebot bei Immoscout 24. Wer eine Wohnung mieten oder ein Haus kaufen will, kann dann dort danach suchen und mit dem Anbieter Kontakt aufnehmen. Ein Marktplatz – und im Erfolgsfall: ein natürliches Monopol.
Doch der Start ist schwer, denn die Makler stehen keineswegs Schlange, um ihre Angebote in dem Portal zu platzieren. Das Internet war damals in Deutschland noch nicht weit verbreitet, Zeitungen versprachen immer noch eine deutlich größere Reichweite. Damit Kunden auch ohne Internet Immobilienscout 24 nutzen können, setzte das Team auf eine Lösung, mit der Schoss viel Erfahrung hatte: Callcenter. Interessenten können bei Immobilienscout 24 anrufen und sich Angebote heraussuchen lassen. Diese wurden dann ausgedruckt und per Post geschickt.
Das funktionierte. Im Laufe der Jahre entstanden neben Immobilienscout24 noch andere Portale unter dem Dach der Scout-gruppe – für Autos, Jobs oder auch Partnerschaften. Das Team arbeitete mit rasantem Tempo, um Konkurrenten auf Distanz zu halten. Auch Joachim Schoss lebte in den Anfangsjahren der Scout-gruppe nur für die Arbeit. Es sei selbstverständlich gewesen, dass sogar nachts das Telefon klin
„Die Ärzte hatten mich tatsächlich aufgegeben“Joachim Schoss Unternehmer