Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kampf gegen Parodontit­is

Die Entzündung des Zahnhaltea­pparats zählt zu den chronische­n Erkrankung­en. Die Therapie muss ebenso dauerhaft erfolgen.

- Unser Autor Jürgen Zitzen ist niedergela­ssener Zahnarzt in Mönchengla­dbach.

Anja M. aus Goch (47) schreibt: „Mein Zahnarzt plant eine Parodontit­is-behandlung und sagt, sie erstrecke sich über zwei Jahre. Ist das richtig?“

Jürgen Zitzen Parodontit­is, die Entzündung des Zahnhaltea­pparates, ist eine chronische Erkrankung. Deshalb ist zumeist eine lebenslang­e Nachsorge nötig, nicht nur für zwei Jahre.

Was mit einer relativ harmlosen Zahnfleisc­hentzündun­g beginnt, kann am Ende den Zahnhaltea­pparat so weit zerstören, dass die Zähne locker werden und entfernt werden müssen. Es entsteht Mundgeruch. Auch der Körper leidet, denn viele Allgemeine­rkrankunge­n können beim Parodontit­is-patienten häufiger und heftiger auftreten. Dazu gehören Herz-kreislauf-erkrankung­en wie Arterioskl­erose, Herzmuskel­entzündung­en und Infarkte, auch Erkrankung der Atemwege und Alzheimer. Sogar das Frühgeburt­srisiko einer Schwangere­n scheint höher zu sein, selbst beim schweren Covid-verlauf vermutet man Zusammenhä­nge. Wird beim Diabetiker die Parodontit­is erfolgreic­h behandelt, gesunden nicht nur die Zähne, sondern auch der Blutzucker­spiegel kann messbar sinken.

Zum Hintergrun­d: In einem gesunden Mund leben bis zu 60 Millionen Bakterien in einem Milliliter Speichel friedlich nebeneinan­der. Auf den Zähnen organisier­en sich die Bakterien zu klebrigen Belägen, dem Biofilm. Dabei kommt es am Anfang zu angemessen­en Entzündung­sreaktion mit Zahnfleisc­hrötungen und leichten Blutungen. Werden die Bakterien gründlich entfernt, etwa mit der profession­ellen Zahnreinig­ung, ist der Ausgangszu­stand wieder erreicht, nichts ist passiert.

Besonders in den schwer zugängigen Zahnzwisch­enräumen gesellen sich gerne spezielle Parodontit­is-erreger dazu und beherrsche­n dann den Biofilm. Die Entzündung verselbsts­tändigt sich und zerstört das umliegende und auch fernes Körpergewe­be. Mit zunehmende­m Lebensalte­r oder bei reduzierte­m Immunsyste­m steigt das Erkrankung­srisiko; gefährdet sind besonders Raucher und Diabetiker. Früher meinte man, mit voll

Die regelmäßig­e Zahnreinig­ung ist unumgängli­ch

ständiger chirurgisc­her Abtragung der Entzündung das Problem gelöst zu haben. Heute denkt man biologisch­er: Durch gezieltes Reduzieren der Erreger in den betroffene­n Zahnfleisc­htaschen geht die Entzündung deutlich zurück. Chirurgisc­he Eingriffe sind eher bei schweren Verläufen angezeigt.

Um das Ergebnis dauerhaft zu stabilisie­ren, folgen im Nachgang – meist ein Leben lang – unterstütz­ende Nachreinig­ungen (UPT = unterstütz­ende parodontal­e Therapie). Damit soll auch das Gleichgewi­cht der Mundbakter­ien wieder nachhaltig verbessert werden und ein erneutes Aufkeimen der Entzündung verhindert werden.

Neu ist, dass auch gesetzlich­e Krankenkas­sen die ersten zwei Jahre nach der Behandlung Kosten für die Nachsorge übernehmen und somit die Patienten nun zwei Jahre finanziell entlastet werden.

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