Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Dem tödlichen Virus trotzen
Die Projektgruppe Demenz Dinslaken gibt es seit 2011 und berät seitdem erkrankte Menschen und deren Angehörige niederschwellig und kostenfrei. Doch die Corona-pandemie erschwerte die Arbeit zutiefst. Nun gibt es neue Formate.
DINSLAKEN (gig) Bei einer Demenz verschlechtern sich geistige Fähigkeiten. Die Demenz ist keine reine Gedächtnisstörung. Zu den betroffenen Fähigkeiten zählen noch Aufmerksamkeit, Sprache, Auffassungsgabe, Denkvermögen und Orientierungssinn, so die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. „Es gibt Menschen, denen man eine Demenz tatsächlich kaum anmerkt, die die Krankheit lange versteckt halten können, bei denen die Demenz allerdings auch tagesbedingt auftreten kann“, sagt Benedikt Terhorst vom Seniorenbüro der Stadt. „Manche Betroffene helfen sich mit Erinnerungszetteln, die sie in der ganzen Wohnung angebracht haben.“Außerdem gebe es verschiedene Arten der Demenz, die sich durch unterschiedliche Facetten wie beispielsweise Weglaufen, Alkoholmissbrauch, Verlust der Impulskontrolle, Antriebslosigkeit oder Wesensveränderung äußern können.
Seit dem Jahr 2011 geht die Projektgruppe Demenz Dinslaken der Aufgabe nach, Menschen mit Demenz und deren Angehörige niederschwellig und kostenfrei zu beraten. Sie wollen zusammen mit den Angehörigen Perspektiven für die Verbesserung und Stabilisierung der pflegerischen Situation Zuhause entwickeln. Das war während der Corona-pandemie nicht gerade leicht. Unter anderem aus diesem
Grunde suchte die Projektgruppe jetzt den Gang in die Öffentlichkeit, stellte sich beispielsweise an Markttagen den Fragen der Bürger.
Und die Gruppe erlebte manch lustige Situation, wenn denn ein Bürger sie um das Wahlprogramm der vermeintlichen Partei bat. Nein, das könnten sie nicht austeilen, wohl aber Ratgeber zur Demenz. Der war auch willkommen, die kleinen Geschenke ebenfalls und manch gutes Gespräch sei dadurch zustande gekommen, berichteten Katharina Kout (Diakonie), Benedikt Terhorst, Linnea van Meerbeck (Caritas), Kirsten Bovenkerk (Gerontopsychiatrische Beratungsstelle im St.-vinzenz-hospital) und Susanne Lukoschek-hülser (Awo).
„Mein Vater wird zunehmend dement, er aber will davon nichts wissen“, erzählt eine Standbesucherin. „Manchmal denkt man, mein Vater sei noch im gegenwärtigen Geschehen, dann aber will er plötzlich die Beerdigung seines vor langer Zeit verstorben Vaters organisieren“, berichtet sie weiter. 81 Jahre alt sei ihr Vater, wohnte samt Mutter in einem eigenen Haus mit Garten. Ihre Mutter sei schon sehr besorgt, vor allem, weil der Hausarzt sich weigere, einen Bescheid für den Medizinischen Dienst auszustellen. Das dürfe er gar nicht, so sein Statement.
Susanne Lukoschek-hülser widerspricht. Natürlich könne ein
Hausarzt einen im Volksmund genannten „Demenz-test“machen, der dauere nur ein paar Minuten. Daran könne der Arzt Veränderungen erkennen, vor allem wenn es sich um einen langjährigen Patienten handele. Natürlich sei ein MRT unumgänglich, aber auch hier könne ein Hausarzt auf seinen Patienten einwirken, ohne die Demenz zu erwähnen. Um einen Pflegegrad zu bestimmen, könne er aber sehr wohl eine Diagnose stellen und das MRT veranlassen.
Der Rat an betroffene Angehörige ist: Zumindest schon einmal einen Antrag auf Pflegeleistungen bei der Krankenkasse stellen, dann käme der Medizinische Dienst ins Haus. „Da müssen Sie alles auf den Tisch bringen und als Angehörige auch schon mal eingreifen.“Eine weitere Möglichkeit sei, sich Hilfe bei einer der Beratungsstellen zu holen, die ebenfalls ins Haus kommen. „Dann reden wir mit Ihrem Vater, sagen, was zu tun ist. Sie als Angehörige können dann alles auf uns schieben“, so Lukoschek-hülser weiter.
Gar nicht so einfach also. Es gebe wirklich viele Hürden für die Betroffenen und ihre Angehörigen zu nehmen, hier wolle die Projektgruppe den Menschen beratend zur Seite stehen, ihnen Wege aufzeichnen und Hilfestellung bieten. Das habe jeder Träger auch während der Pandemie gemacht, teilweise unter erschwerten Bedingungen. „Jede Beratungsstelle hat das anders gehandhabt“, so Kirsten Bovenkerk. Die Awo-betreuer durften keine Hausbesuche machen, die Stadt Dinslaken nur in besonderen Notfällen, die gerontopsychiatrische Abteilung des Vinzenz hingegen musste raus zu den Betroffen, das sei nicht ungefährlich gewesen.
„Bis zur Haustür durften wir alle, dann gab es die Beratung dort, oder wir sind mit den Betroffenen spazieren gegangen, um die Angehörigen zu entlasten“, hieß es bei der Projektgruppe. Auch hätten die Demenz-cafés von Caritas und Awo relativ schnell wieder geöffnet. Stundenlange Beratungen hätten am Telefon stattgefunden. „Wir haben immer versucht, die Betroffenen in ihrer schwierigen Situation nicht alleine zu lassen“, so Katharina Kout. Vor allem die Angehörigen hätten es sehr geschätzt, aufgefangen worden zu sein. „Das war für diese Menschen überaus wichtig“.
Dabei hätten sich während der Pandemie viele neue Möglichkeiten erschlossen, an die man vorher gedacht, aber sie nie umgesetzt habe, ergänzt Linnea van Meerbeck. So habe man Online-angebote ins Leben gerufen, auch einen Workshop zum Demenzbegleiter. „Wir mussten uns ja nach Alternativen umsehen und die wurden von den Angehörigen oft sehr gerne aufgegriffen.“