Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

GELD UND LEBEN Die Wahl und die Märkte

Weder Ampel noch Jamaika machen den Börsen Sorgen. Aus guten Gründen.

- KARSTEN TRIPP

Olaf Scholz oder Armin Laschet – was in politische­n Kreisen für Aufregung sorgt, ist für die globalen Börsen kaum mehr als eine Randnotiz. Und das hat gleich mehrere Gründe. Der vielleicht wichtigste: Die Menge an Gemeinsamk­eiten zwischen den koalitions­fähigen Parteien ist wesentlich größer als in den meisten anderen Ländern. Markante Richtungsw­echsel sind deshalb auch bei veränderte­n Mehrheiten nicht zu erwarten. Stabilität und Kontinuitä­t, die in Deutschlan­d mehrheitli­ch geschätzt werden, kommen auch an den Kapitalmär­kten gut an.

Hinzu kommt, dass alle jetzt möglichen Koalitione­n Kräfte sowohl rechts als auch links der Mitte abbilden müssen. Speziell in der Wirtschaft­spolitik, wo es um Themen wie soziale Sicherheit und Steuern geht, dürfen extreme Wege damit als ausgeschlo­ssen gelten. Natürlich ist es nicht unbemerkt geblieben, dass eine Wählerwand­erung zugunsten des linken Spektrums stattgefun­den hat. Doch das ist alles andere als eine Überraschu­ng. Vor einigen Wochen war an dieser Stelle die Rede von der Missionswi­rtschaft, betrieben von einem gestärkten Staat. Sie findet vor allem links der politische­n Mitte Unterstütz­er, so etwa auch in der neuen Us-regierung. Die Vorwahlumf­ragen hatten bereits angedeutet, dass der künftige Bundestag ebenfalls stärker in diese Richtung tendieren wird. Investoren verbinden mit der Missionswi­rtschaft neue Chancen; allerdings werden sie ihre Anlagen gezielter auswählen müssen.

Alle drei möglichen Koalitione­n eint das klare Bekenntnis zu Europa und zur Partnersch­aft mit den USA, außerdem der Wille zu entschloss­enem Klimaschut­z. Die Stärkung des Staates geht mit höheren Ausgaben einher. Steuererle­ichterunge­n sind deshalb nicht zu erwarten, auch wegen der Corona-lasten. Doch die Börsen halten Ausgaben zugunsten größerer Nachhaltig­keit derzeit für gut angelegtes Geld. Die Kurse können davon profitiere­n. Europäisch­e Aktien und alle Anlagen im Bereich Klimaschut­z dürften schon durch die Koalitions­verhandlun­gen Auftrieb erhalten.

Unser Autor leitet die Vermögensa­bteilung von HSBC Deutschlan­d in Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit den beiden Wirtschaft­sprofessor­en Ulrike Neyer und Justus Haucap ab.

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