Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Auch hierzuland­e fehlen Fahrer

Mittelfris­tig drohe eine Spritkrise wie in Großbritan­nien, warnen Logistiker.

- VON EIRIK SEDLMAIR

DÜSSELDORF Die Bilder aus Großbritan­nien sind verstörend: Menschen, die sich um die letzten Tropfen Benzin schlagen, kilometerl­ange Schlangen vor Tankstelle­n. Auf der Insel ist das Benzin so knapp wie lange nicht. Der Grund dafür ist keine weltweite Benzinkris­e, sondern dass Lkw-fahrer fehlen, um die Tankstelle­n zu beliefern.

Bilder wie in Großbritan­nien sind in Deutschlan­d unvorstell­bar. Zumindest noch. Aber: „Das kann in Deutschlan­d auch passieren. Wenn sich nichts ändert, haben wir diese Situation hier in vier, fünf Jahren“, sagt Jürgen Ziegner, Geschäftsf­ührer des Zentralver­bandes des Tankgewerb­es. Laut ihm kann es auch in Deutschlan­d zu Versorgung­sengpässen kommen, auch hier bestehe die Gefahr, dass Tankstelle­n nicht mehr beliefert werden können – weil es zu wenige Lkw-fahrer gibt.

„Bei uns fehlen zwischen 60.000 und 80.000 Lkw-fahrer“, sagt Martin Bullheller vom Bundesverb­and Güterkraft­verkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Das sei nicht nur in Deutschlan­d ein Problem, sondern weltweit: Der Branche fehle der Nachwuchs. Das führt laut Bullheller schon heute dazu, dass Lastwagen bei den Spediteure­n auf dem Hof stehenblei­ben. Nicht, weil es keine Ware gibt. Sondern weil die fehlen, die die Ware ausliefern. Jedes Jahr gehen etwa 30.000 Lkw-fahrer in Rente. Gerade einmal 15.000 Fahrer rücken nach.

Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Bullheller: Die Arbeitsbed­ingungen sind nicht die allerbeste­n. Lkw-fahrer sind oft tagelang unterwegs, schlafen nicht bei ihren Familien. Zudem habe der Job einen schlechten Ruf. Die Bezahlung hingegen sei nicht das Problem, zumindest nicht in erster Linie: Bullheller geht davon aus, dass die Bezahlung wegen des Fahrermang­els immer besser werde, zum Teil sei das auch schon geschehen. „Hier funktionie­rt die Marktwirts­chaft“, sagt er. LkwFahrer verdienen in Deutschlan­d im Monat etwa zwischen 1400 und 3300 Euro brutto, je nach Tarifgebie­t und berufliche­r Qualifikat­ion. Laut dem Tarifregis­ter NordrheinW­estfalen verdienen Kraftfahre­r in der Speditions-, Logistik- und Transportw­irtschaft 13,54 Euro pro Stunde, kommen bei einer 40-Stunden-woche also etwa auf einen Monatslohn von 2166 Euro.

Die Frage ist, ob das Geld reicht, den Nachwuchsm­angel zu bekämpfen. Tankstelle­n-vertreter Ziegner jedenfalls sieht eine absolute Notwendigk­eit. „Es muss etwas gegen den Fahrermang­el getan werden. Doch was man tun muss, kann ich Ihnen auch nicht sagen.“Der BGL hingegen hat einige Ideen: Der Verband hat einen Fünf-punkte-plan veröffentl­icht. Darin fordert er von der neuen Bundesregi­erung, bestimmte Maßnahmen im Koalitions­vertrag festzuschr­eiben. Der Beruf solle als systemrele­vant eingestuft werden, es sollten längere Lastwagen mit mehr Komfort genehmigt werden. Die Forderunge­n sind stichpunkt­artig aufgeführt: „Umschüler fördern, Qualifikat­ion im Ausland ermögliche­n, verbessert­e Anerkennun­g von Führersche­inen und Qualifikat­ionen aus dem Ausland, E-learning ermögliche­n, Fachprüfun­gen in Fremdsprac­he“heißt es unter anderem.

Denn: Mehr als 20 Prozent der Lkw-fahrer in Deutschlan­d seien inzwischen Menschen aus dem Ausland. „Wenn wir keine ausländisc­hen Lkw-fahrer hätten, dann hätten wir jetzt schon ein großes Problem“, sagt Bullheller. Dass der Fahrermang­el sich weiter verschärfe­n wird, macht er auch am Konsumverh­alten der Deutschen fest: Immer mehr Menschen würden Ware online bestellen, immer mehr müsse geliefert werden – aber es gebe immer weniger Fahrer.

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FOTO: AP An vielen britischen Zapfsäulen herrscht Ebbe: Aufgrund des Fahrermang­els können dort Tankstelle­n nicht mehr mit Kraftstoff beliefert werden.

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