Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Auch hierzulande fehlen Fahrer
Mittelfristig drohe eine Spritkrise wie in Großbritannien, warnen Logistiker.
DÜSSELDORF Die Bilder aus Großbritannien sind verstörend: Menschen, die sich um die letzten Tropfen Benzin schlagen, kilometerlange Schlangen vor Tankstellen. Auf der Insel ist das Benzin so knapp wie lange nicht. Der Grund dafür ist keine weltweite Benzinkrise, sondern dass Lkw-fahrer fehlen, um die Tankstellen zu beliefern.
Bilder wie in Großbritannien sind in Deutschland unvorstellbar. Zumindest noch. Aber: „Das kann in Deutschland auch passieren. Wenn sich nichts ändert, haben wir diese Situation hier in vier, fünf Jahren“, sagt Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zentralverbandes des Tankgewerbes. Laut ihm kann es auch in Deutschland zu Versorgungsengpässen kommen, auch hier bestehe die Gefahr, dass Tankstellen nicht mehr beliefert werden können – weil es zu wenige Lkw-fahrer gibt.
„Bei uns fehlen zwischen 60.000 und 80.000 Lkw-fahrer“, sagt Martin Bullheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Das sei nicht nur in Deutschland ein Problem, sondern weltweit: Der Branche fehle der Nachwuchs. Das führt laut Bullheller schon heute dazu, dass Lastwagen bei den Spediteuren auf dem Hof stehenbleiben. Nicht, weil es keine Ware gibt. Sondern weil die fehlen, die die Ware ausliefern. Jedes Jahr gehen etwa 30.000 Lkw-fahrer in Rente. Gerade einmal 15.000 Fahrer rücken nach.
Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Bullheller: Die Arbeitsbedingungen sind nicht die allerbesten. Lkw-fahrer sind oft tagelang unterwegs, schlafen nicht bei ihren Familien. Zudem habe der Job einen schlechten Ruf. Die Bezahlung hingegen sei nicht das Problem, zumindest nicht in erster Linie: Bullheller geht davon aus, dass die Bezahlung wegen des Fahrermangels immer besser werde, zum Teil sei das auch schon geschehen. „Hier funktioniert die Marktwirtschaft“, sagt er. LkwFahrer verdienen in Deutschland im Monat etwa zwischen 1400 und 3300 Euro brutto, je nach Tarifgebiet und beruflicher Qualifikation. Laut dem Tarifregister NordrheinWestfalen verdienen Kraftfahrer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft 13,54 Euro pro Stunde, kommen bei einer 40-Stunden-woche also etwa auf einen Monatslohn von 2166 Euro.
Die Frage ist, ob das Geld reicht, den Nachwuchsmangel zu bekämpfen. Tankstellen-vertreter Ziegner jedenfalls sieht eine absolute Notwendigkeit. „Es muss etwas gegen den Fahrermangel getan werden. Doch was man tun muss, kann ich Ihnen auch nicht sagen.“Der BGL hingegen hat einige Ideen: Der Verband hat einen Fünf-punkte-plan veröffentlicht. Darin fordert er von der neuen Bundesregierung, bestimmte Maßnahmen im Koalitionsvertrag festzuschreiben. Der Beruf solle als systemrelevant eingestuft werden, es sollten längere Lastwagen mit mehr Komfort genehmigt werden. Die Forderungen sind stichpunktartig aufgeführt: „Umschüler fördern, Qualifikation im Ausland ermöglichen, verbesserte Anerkennung von Führerscheinen und Qualifikationen aus dem Ausland, E-learning ermöglichen, Fachprüfungen in Fremdsprache“heißt es unter anderem.
Denn: Mehr als 20 Prozent der Lkw-fahrer in Deutschland seien inzwischen Menschen aus dem Ausland. „Wenn wir keine ausländischen Lkw-fahrer hätten, dann hätten wir jetzt schon ein großes Problem“, sagt Bullheller. Dass der Fahrermangel sich weiter verschärfen wird, macht er auch am Konsumverhalten der Deutschen fest: Immer mehr Menschen würden Ware online bestellen, immer mehr müsse geliefert werden – aber es gebe immer weniger Fahrer.