Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Er ist wieder da

Erneut kommt es zum Aufeinande­rtreffen von Ermittler Borowski und Frauenmörd­er Korthals.

- VON BARBARA GROFE

Eigentlich ist er ein guter Mensch. Eigentlich will er nur Normalität, will geliebt werden, eine Frau, vielleicht einen Hund, teilhaben am ganz normalen Leben. So wenigstens sieht sich Kai Korthals (Lars Eidinger). Die meisten anderen sehen in ihm den Killer, den Entführer, den kranken Sadisten, der weggesperr­t gehört, vor dem man die Menschen schützen muss. Was ist gut, was ist schlecht, gibt es Gutes im bösen Menschen, ist das Böse im Wortsinne entschuldb­ar, weil es erklärbar ist? „Borowski und der gute Mensch“, der neue „Tatort“aus Kiel, widmet sich diesen Fragen. Es ist nach „Borowski und der stille Gast“und „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“das dritte Aufeinande­rtreffen des Kieler Ermittlers (Axel Milberg) und Kai Korthals (Lars Eidinger).

Für Klaus Borowski wird ein Alptraum wahr, als Korthals nach einem Aufstand samt Brand in einer forensisch­en Klinik in Kiel entkommen kann. Korthals ist Borowskis Nemesis. Er ist ein schuldunfä­higer Frauenmörd­er, bedrohte einst seine Assistenti­n Sarah Brandt (Sibel Kekilli), viel schlimmer aber noch: Korthals entführte und quälte Borowskis Verlobte Frieda Jung. Und zerstörte damit diese Liebe: Jung überlebte, konnte aber nicht mehr mit Borowskis Beruf leben, verließ den Kommissar, der keinen natürliche­n Hang zum Glücklichs­ein hat, dem das aber mit Jung leichter fiel.

Korthals entkommt aus der Klinik, A indem er tut, was er am besten kann: sich scheinbar unsichtbar machen. Er wird zum Feuerwehrm­ann, zur Frau mit Blumenklei­d und langen Haaren, er wird eins mit seiner Umgebung. In Korthals Zelle finden Borowski und seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) unzählige Briefe von Verehrerin­nen: Offenbar haben sich zahlreiche Frauen von dem Mörder angezogen gefühlt und ihm Versprechu­ngen gemacht. Jede einzelne dieser Frauen ist jetzt in Gefahr. Bei jeder einzelnen von ihnen könnte er, der Flüchtige, jetzt unterkomme­n.

Der erste „Tatort“dieser Reihe, ausgestrah­lt 2012, kam einer kleinen Revolution gleich, weil der Mörder Korthals an seinem Ende entkommen konnte – eigentlich ein No-go in der Krimireihe. Die „Bild“-zeitung zitierte Gunther Witte, Erfinder der Fernsehrei­he Tatort: „Ein Mörder darf nicht entkommen.“Weil die Zuschauerr­esonanz auf den ersten Teil aber derart groß war, setzte der NDR die filmische Beziehung zwischen Borowski und Korthals drei Jahre später mit „Die Rückkehr des stillen Gastes“fort – und legt jetzt Teil drei nach.

Milbergs Borowski wirkt zunächst, als ließe das Thema Korthals ihn fast ein bisschen kalt, er lächelt, ist ungewöhnli­ch zurückgeno­mmen und fast lakonisch – erst später gelangt die Zuschaueri­n zur Überzeugun­g, dass das schlicht Notwehr ist, dass er sich dem Grauen seiner Vergangenh­eit, das plötzlich zum Grauen seiner Gegenwart wird, nicht unmittelba­r stellen kann. Eidingers Korthals wiederum wechselt furios zwischen Verletzlic­hkeit, Menschlich­keit, Zerbrechli­chkeit und verzweifel­ter, nicht nachlassen­der Brutalität. Beide Facetten nimmt man ihm eins zu eins ab, fühlt mit, wenn er elend ist, wenn er sich einer Frau nahe fühlt, wenn er damit hadert, dass die Menschen ihn für böse halten; genauso kriegt man es mit der Angst zu tun, wenn man die Wut in Korthals Augen aufsteigen sieht. Beide zusammen, Milberg und Eidinger, füllen diese kranke Beziehung mit so viel Spannung, dass es eine irrsinnige Freude ist, ihnen zuzuschaue­n. Einschalte­n. Unbedingt.

„Tatort: Borowski und der gute Mensch“, Das Erste, 3. Oktober, 20.15

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FOTO: THORSTEN JANDER/NDR/ARD Kai Korthals (Lars Eidinger, r.) ist in Klaus Borowskis (Axel Milberg, l.) Wohnung eingedrung­en und bedroht ihn mit seiner eigenen Waffe.

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