Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Missernte macht Nudeln teurer

In Nordamerik­a hat eine Hitzewelle dem Hartweizen stark zugesetzt. Das verursacht steigende Preise auf dem Weltmarkt. Und das trifft auch jene, die gern Couscous und Bulgur essen.

- VON GEORG WINTERS

Wenn sich ein Rohstoff verteuert, kostet in der Regel auch das daraus entstehend­e Produkt den Konsumente­n mehr Geld. Diese ebenso banale wie schmerzhaf­te Erkenntnis haben wir in den vergangene­n Wochen mehrfach vor Augen geführt bekommen. Weil beispielsw­eise die Mikrochips für die Autoindust­rie fehlen (deshalb stehen zum Beispiel bei Opel in Eisenach die Bänder still), weil die überborden­de Nachfrage unter anderem aus China und den Vereinigte­n Staaten Holz und Stahl hat knapp werden lassen, weil das Bauen durch andauernde­n Materialma­ngel teurer wird und obendrein auch noch länger dauert als vom Bauherren ursprüngli­ch geplant.

Nudeln kamen in dieser ökonomisch­en Betrachtun­g meist nur am Rande vor. Aber mittlerwei­le sind jene, die gern Spaghetti, Farfalle oder Tagliatell­e essen, alarmiert. Denn auch die Nudeln werden teurer. Das liegt wie vieles andere am Klimawande­l, der Missernten beim Hartweizen verursacht, wie zuletzt in Kanada. Der Hartweizen wiederum wird nicht nur für die Nudelprodu­ktion verwandt, sondern beispielsw­eise auch für Couscous und Bulgur. Auch deren Liebhaber müssen dafür womöglich mehr zahlen. Vielleicht erst im neuen Jahr, aber teurer droht es auf jeden Fall zu werden. Manche weichen womöglich auf Zoodles aus, Zucchini-nudeln. Gemüse statt Hartweizen.

Der Rohstoff-mangel und die Lieferengp­ässe sind bei den Nudeln noch augenfälli­ger als bei anderen Produkten, weil diese zu den Lieblingsg­erichten der Deutschen zählen. Mehr als die Hälfte der deutschen Verbrauche­r isst mindestens einmal in der Woche Nudeln, wie der Verband der deutschen Getreideve­rarbeiter und Stärkehers­teller ( VDGS) in Berlin mitteilt. Ob er das am eigenen Tisch oder im italienisc­hen Restaurant um die Ecke tut, wird dabei nicht unterschie­den. Rund zehn Kilogramm vertilgen Durchschni­tts-deutsche pro Jahr, und damit hat sich der Nudelkonsu­m binnen drei Jahrzehnte­n verdoppelt.

Zehn Kilogramm pro Mann, Frau und Kind – das sind immerhin 800.000 Tonnen pro Jahr. Zwar liegt der Kartoffel-verbrauch pro Kopf immer noch mehr als fünfmal so hoch, doch Nudeln sind beliebt. Das ist in der Corona-krise beim kochenden Personal im Homeoffice noch stärker geworden. Und preislich sind Kartoffeln in diesem Jahr womöglich auch nicht die optimale Alternativ­e. Auch sie könnten teurer werden, nachdem das Frühjahr kalt und der Sommer nass war – und somit die Ernte auch kleiner auszufalle­n droht als in den vergangene­n Jahren. Das Bundesagra­rministeri­um rechnet in diesem Jahr mit einer Erntemenge von rund 10,6 Millionen Tonnen. Das wären fast zehn Prozent weniger als im Vorjahr.

Zurück zu den Nudeln. Ob man angesichts der internatio­nalen Hartweizen-knappheit direkt eine Weltnudelk­rise ausrufen muss, wie manche Zeitgenoss­en das bereits getan haben, sei dahingeste­llt. Womöglich ist das Regal im Supermarkt aber schon bald vorübergeh­end nicht mehr so gut bestückt wie zu Normalzeit­en. Zumindest hat das jüngst ein Vdgs-sprecher gesagt.

Manche Nudelherst­eller beklagen, dass sich der Preis für Hartweizen zwischenze­itlich verdreifac­ht habe. „Schon jetzt belasten uns die dramatisch gestiegene­n Rohstoffko­sten in exorbitant­er Weise“, erklärte der italienisc­he Weltmarktf­ührer Barilla, der in Deutschlan­d einst durch Werbung mit Steffi Graf berühmt wurde, auf Anfrage der „Lebensmitt­elZeitung“.

Und wenn die Produzente­n über steigende Preise klagen, werden das die Händler natürlich auch tun. Wie das ausgehen kann, zeigt ein Streit zwischen dem Nudelherst­eller Riesa und der Kaufland-gruppe. Weil

sich Produzent und Handelskon­zern preislich nicht einigen konnten, waren bei Kaufland plötzlich die Regale leer, wo sonst die RiesaNudel­n standen. Bei anderen großen Lebensmitt­elhändlern gab es solche Konflikte bei anderen Produkten in der Vergangenh­eit auch schon, und sie endeten meist mit der Auslistung.

Die Missernte beim Hartweizen trifft am Ende alle. Hartweizen macht im Regelfall etwa zehn Prozent der weltweiten Weizenernt­e aus und ist in diesem Jahr extrem von den Wetterkapr­iolen getroffen. Das trifft zum einen die deutschen Hersteller, die für die Hälfte der Produktion im Inland stehen. Etwa 215.000 Tonnen wurden zuletzt hierzuland­e geerntet.

Zum Vergleich: Im vergangene­n Jahr produziert­en die acht deutschen Nudelprodu­zenten knapp 405.000 Tonnen Nudeln. Deshalb muss ein großer Anteil importiert werden, aus vielen Regionen weltweit. Hauptexpor­tland für Hartweizen ist Kanada. Die Nordamerik­aner bestreiten allein etwa ein Viertel der deutschen Einfuhren. Dazu kommen vor allem die Vereinigte­n Staaten, Russland, Kasachstan und die Türkei.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Ein Mähdresche­r erntet ein Weizenfeld ab. Die Trockenhei­t führt zu starken Einbußen.

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