Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Missernte macht Nudeln teurer
In Nordamerika hat eine Hitzewelle dem Hartweizen stark zugesetzt. Das verursacht steigende Preise auf dem Weltmarkt. Und das trifft auch jene, die gern Couscous und Bulgur essen.
Wenn sich ein Rohstoff verteuert, kostet in der Regel auch das daraus entstehende Produkt den Konsumenten mehr Geld. Diese ebenso banale wie schmerzhafte Erkenntnis haben wir in den vergangenen Wochen mehrfach vor Augen geführt bekommen. Weil beispielsweise die Mikrochips für die Autoindustrie fehlen (deshalb stehen zum Beispiel bei Opel in Eisenach die Bänder still), weil die überbordende Nachfrage unter anderem aus China und den Vereinigten Staaten Holz und Stahl hat knapp werden lassen, weil das Bauen durch andauernden Materialmangel teurer wird und obendrein auch noch länger dauert als vom Bauherren ursprünglich geplant.
Nudeln kamen in dieser ökonomischen Betrachtung meist nur am Rande vor. Aber mittlerweile sind jene, die gern Spaghetti, Farfalle oder Tagliatelle essen, alarmiert. Denn auch die Nudeln werden teurer. Das liegt wie vieles andere am Klimawandel, der Missernten beim Hartweizen verursacht, wie zuletzt in Kanada. Der Hartweizen wiederum wird nicht nur für die Nudelproduktion verwandt, sondern beispielsweise auch für Couscous und Bulgur. Auch deren Liebhaber müssen dafür womöglich mehr zahlen. Vielleicht erst im neuen Jahr, aber teurer droht es auf jeden Fall zu werden. Manche weichen womöglich auf Zoodles aus, Zucchini-nudeln. Gemüse statt Hartweizen.
Der Rohstoff-mangel und die Lieferengpässe sind bei den Nudeln noch augenfälliger als bei anderen Produkten, weil diese zu den Lieblingsgerichten der Deutschen zählen. Mehr als die Hälfte der deutschen Verbraucher isst mindestens einmal in der Woche Nudeln, wie der Verband der deutschen Getreideverarbeiter und Stärkehersteller ( VDGS) in Berlin mitteilt. Ob er das am eigenen Tisch oder im italienischen Restaurant um die Ecke tut, wird dabei nicht unterschieden. Rund zehn Kilogramm vertilgen Durchschnitts-deutsche pro Jahr, und damit hat sich der Nudelkonsum binnen drei Jahrzehnten verdoppelt.
Zehn Kilogramm pro Mann, Frau und Kind – das sind immerhin 800.000 Tonnen pro Jahr. Zwar liegt der Kartoffel-verbrauch pro Kopf immer noch mehr als fünfmal so hoch, doch Nudeln sind beliebt. Das ist in der Corona-krise beim kochenden Personal im Homeoffice noch stärker geworden. Und preislich sind Kartoffeln in diesem Jahr womöglich auch nicht die optimale Alternative. Auch sie könnten teurer werden, nachdem das Frühjahr kalt und der Sommer nass war – und somit die Ernte auch kleiner auszufallen droht als in den vergangenen Jahren. Das Bundesagrarministerium rechnet in diesem Jahr mit einer Erntemenge von rund 10,6 Millionen Tonnen. Das wären fast zehn Prozent weniger als im Vorjahr.
Zurück zu den Nudeln. Ob man angesichts der internationalen Hartweizen-knappheit direkt eine Weltnudelkrise ausrufen muss, wie manche Zeitgenossen das bereits getan haben, sei dahingestellt. Womöglich ist das Regal im Supermarkt aber schon bald vorübergehend nicht mehr so gut bestückt wie zu Normalzeiten. Zumindest hat das jüngst ein Vdgs-sprecher gesagt.
Manche Nudelhersteller beklagen, dass sich der Preis für Hartweizen zwischenzeitlich verdreifacht habe. „Schon jetzt belasten uns die dramatisch gestiegenen Rohstoffkosten in exorbitanter Weise“, erklärte der italienische Weltmarktführer Barilla, der in Deutschland einst durch Werbung mit Steffi Graf berühmt wurde, auf Anfrage der „LebensmittelZeitung“.
Und wenn die Produzenten über steigende Preise klagen, werden das die Händler natürlich auch tun. Wie das ausgehen kann, zeigt ein Streit zwischen dem Nudelhersteller Riesa und der Kaufland-gruppe. Weil
sich Produzent und Handelskonzern preislich nicht einigen konnten, waren bei Kaufland plötzlich die Regale leer, wo sonst die RiesaNudeln standen. Bei anderen großen Lebensmittelhändlern gab es solche Konflikte bei anderen Produkten in der Vergangenheit auch schon, und sie endeten meist mit der Auslistung.
Die Missernte beim Hartweizen trifft am Ende alle. Hartweizen macht im Regelfall etwa zehn Prozent der weltweiten Weizenernte aus und ist in diesem Jahr extrem von den Wetterkapriolen getroffen. Das trifft zum einen die deutschen Hersteller, die für die Hälfte der Produktion im Inland stehen. Etwa 215.000 Tonnen wurden zuletzt hierzulande geerntet.
Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr produzierten die acht deutschen Nudelproduzenten knapp 405.000 Tonnen Nudeln. Deshalb muss ein großer Anteil importiert werden, aus vielen Regionen weltweit. Hauptexportland für Hartweizen ist Kanada. Die Nordamerikaner bestreiten allein etwa ein Viertel der deutschen Einfuhren. Dazu kommen vor allem die Vereinigten Staaten, Russland, Kasachstan und die Türkei.