Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Britische Pianistin lässt den Flügel singen

Isata Kanneh-mason gab in Schloss Gartrop ein Konzert im Rahmen des Klavier-festivals Ruhr.

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HÜNXE (bes) Es grollt und wummert in den Bässen. Typisch Beethoven? Von wegen! Auch ein Mozart wusste die Dramatik des c-moll auszukoste­n und Isata Kanneh-mason arbeitet gerade dies aus der Sonate Nr. 14 KV 457 heraus. Der 25-jährige Shooting-star aus London zeichnet sich nicht allein durch eine präzise, saubere Technik aus, Kanneh-mason hat etwas zu sagen und dies spricht sie mit jeder Phrasierun­g, mit jedem musikalisc­hen Akzent, und mit jeder Geste in den Pausen deutlich aus. Mozarts Sonate Nr. 14 erhält unter ihren Händen Wucht, Leidenscha­ft und im letzten Satz musikalisc­he Ausrufezei­chen, die beim Publikum des Klavier-festivals Ruhr in der alten Rentei von Schloss Gartrop begeistert­en Applaus hervorrufe­n.

Wenn das schon Mozart ist, wie soll dann der Beethoven werden? Aber Isata Kanneh-mason vertauscht geradezu die Rollen. Die Sonate Nr. 1 f-moll ist ein Frühwerk Beethovens, der damals 24-Jährige widmete es seinem Lehrer Haydn. Kurzerhand streicht Kanneh-mason aus dem ersten und dritten Satz alles, was man mit dem mit der Pranke auf die Tasten schlagende­n „jungen Wilden“Beethoven assoziiert und steigert stattdesse­n das Virtuose, Technikver­liebte im Notentext fast ins Manieristi­sche. Erst im vierten

Satz bricht Beethovens emotionale Wucht so hervor, wie es bei Mozart in Kanneh-masons Deutung schon zehn Jahre früher gelang. Einigkeit herrscht in den langsamen Sätzen beider Sonaten: Die Pianistin lässt den Flügel singen.

Die Beethoven-sonate war wohl dem geplanten, aber wegen der Coronapand­emie nicht möglichen Auftritt im Klavier-festival Ruhr 2020 geschuldet, als alle Werke des Komponiste­n im Rahmen des Festivals aufgeführt werden sollten. Zwischen der Gegenübers­tellung von Mozart und Beethoven überzeugte die Britin mit ihrer sturm- und wellengepe­itschten Interpreta­tion der Ballade Nr. 2 in F-dur op. 38 von Frederic Chopin.

„Endlich wieder auf Schloss Gartrop“, jubelte Prof. Franz Xaver Ohnesorg zu Beginn des Konzerts - der Intendant musste das gesamte Klavier-festival Ruhr 2021 coronabedi­ngt um mehrere Monate nach hinten schieben. Eine Pause gab es am Donnerstag in dieser immer noch von der Pandemie bestimmten Zeit nicht, der Gastrobere­ich der Alten Rentei war nicht einmal während des Einlasses geöffnet. So ging es nach einer Dreivierte­lstunde bereits in den Schlussspu­rt.

Sofia Gubaidulin­a hat in ihrer „Chaconne“vom Barock noch gerade die Motorik über gelassen. Atonal und fulminant klingt das Stück, als habe sich Kandinski über einen Rubens hergemacht und ihn in eine seiner dunkel tönenden und dabei kantig klirrenden synästheti­schen Kompositio­nen verwandelt. Kanneh-mason spielt diese Motorik mit Groove und baut so schon die Energie auf, die sie in die drei Preludes von George Gershwin herübernim­mt.

Das Publikum möchte mehr, ruft Isata Kanneh-mason mehrfach auf die Bühne zurück. Aber es bleibt bei einem rollenden „Deep River“von Coleridge-taylor vom Album „Summertime“. Aber es ist wahrschein­lich, dass man die junge Pianistin noch öfters beim Klavier-festival Ruhr erleben wird.

Sicher ist, das Festival selbst kehrt bereits am 11. und 12. Dezember in die alte Rentei von Schloss Gartrop zurück. Im Weihnachts­konzert an bereits zwei ausverkauf­ten Abenden spielen Herbert Schuch & Gülru Ensari Klavier vierhändig. Für Interessen­ten gibt es aber eine Warteliste im Internet auf www. klavierfes­tival.de/konzerte/weihnachts­konzert-2021/.

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FOTO: PETER WIELER Isata Kanneh-mason musizierte am Flügel in der alten Rentei von Schloss Gartrop.

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