Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Festungsgeschichte reich illustriert
Die Stadt hat den Beigleitband zur laufenden Ausstellung „ Stadt und Festung Wesel in Mittelalter und Neuzeit“vorgestellt. Mit 133 teils so nie gezeigten Abbildungen ist er ein wahrer Augenschmaus.
WESEL Manchmal machen wenige Zentimeter einen großen Unterschied aus. Beim neuen Band 42 der Reihe „Studien und Quellen zur Geschichte der Stadt Wesel“ist das der Fall. Maßen die Vorgänger 13,6 mal 24,5 Zentimeter, so kommt der Begleitband zur laufenden Ausstellung „Stadt und Festung Wesel in Mittelalter und Neuzeit“nun im Format 21 mal 28 daher. Das tut dem Inhalt gut. Auf 160 Seiten präsentiert das Werk 133 teils so noch nie gezeigte Darstellungen – obendrein alle in Farbe. Die vielen Karten und Stadtansichten sind ein wahrer Augenschmaus und kommen wegen des größeren Formats beeindruckend zur Geltung. Bürgermeisterin Ulrike Westkamp und Kulturdezernent Rainer Benien stellten das Buch am Mittwoch mit Stadtarchivar Martin Roelen und seiner Kollegin Doris Rulofs-terfurth vor.
Zur Ausstellung im Lvr-niederrheinmuseum und der angrenzenden städtischen Brisürenkasematte der Zitadelle und auch zum Band ist an dieser Stelle schon mehrfach berichtet worden. Doch längst ist nicht alles gesagt. Was Wesels Stadtarchivare Martin Roelen und Heiko Suhr sowie ihre Mitautoren Josef Vogt und Bernd von Blomberg in ihren Beiträgen ausführen, sind an etlichen Stellen neue Erkenntnisse. Akribisch hat Roelen anhand von Rechnungen herausgefunden, dass Wesels Bürger anfangs selbst die immensen Kosten für ihren Schutz getragen haben. Suhr wiederum stellt im Aufsatz „Spielball der Mächte“fest, dass in drei Besatzungszeiten durch Spanier, Niederländer und Franzosen von 1614 bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, als Brandenburg/preußen das Ruder übernahm, kaum Ausbauten stattgefunden haben und die alten Festungsanlagen allenfalls instand gehalten wurden.
Die heute noch sichtbaren gewaltigen Gemäuer haben mit den ursprünglichen Gräben und Wällen nach altniederländischer Bauart wenig gemein. „Alles Handarbeit – unglaublich – was für ein Aufwand“, schildert Roelen die Baubeziehungsweise Erdarbeiten in der Zeit von 1583 bis 1614. 40 Meter breite Gräben waren von Hand auszuschachten und die Erde für drei Kilometer lange und zehn Meter hohe Wälle mit den Füßen festzutreten. Und immer wieder liefen den Weselern die Kosten davon, war doch zwischendurch auch Willibrord nach einem Brand durch Blitzeinschlag 1594 in den Turm zu reparieren. Hinzu kam Erpressung durch die sogenannte admirantische Brandschatzung: 1598 kostete das spanische, unter dem Oberbefehl von Francesco de Mendoza, Admirant von Aragon, stehende Heer Wesel 300.000 Rheinische Gulden und 1000 Malter Roggen.
Mit der Zitadelle als Kern der Festung befasst sich Josef Vogt, der als Ingenieur in städtischen Diensten zuletzt mit ihrer Restaurierung beauftragt war. Die Zielsetzung eins des Kulturzentrums ist heute mit der Musik- und Kunstschule, dem Stadtarchiv und dem Schill- und dem Niederrheinmuseum sichtbar gelungen. Bernd von Blomberg bringt uns nahe, welche Möglichkeiten sich der Stadt mit den Käufen des Festungsgeländes 1890 und der Zitadelle 1930 eröffneten: eine neue Infrastruktur, die das eingeengte Wesel geradezu entfesselte. Die Stadt gewann Raum für Straßen, eine Kanalisation und vieles mehr, das uns heute im Stadtbild selbstverständlich erscheint. Etwa die Schillstraße, die als Teil der B 58 mitten durch die Zitadelle führt. Zum Abschluss des Bandes fächert Heiko Suhr das sogenannte Eingehen der Festung auf. Er beschriebt die Prozesse bis zu dem Zeitpunkt, da die deutschen Festungen auf Druck des Auslandes nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg nicht mehr zu existieren hatten.
Die Festungsgeschichte Wesels endete so am 7. Mai 1925. Dennoch begegnet sie uns heute auf Schritt und Tritt. Dies wird im Band 42 des Stadtarchivs auf jeder Seite deutlich. Zu haben ist er für 20 Euro im Stadtarchiv und im Niederrheinmuseum, in der Stadtinformation am Großen Markt und in den Weseler Buchhandlungen.