Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wie Kriminelle Geld ins Ausland schleusen
Bei einer Großrazzia am vergangenen Mittwoch haben Ermittler aufgedeckt, wie das sogenannte Hawala-system Hunderte Millionen Euro aus Europa nach Syrien und in die Türkei lenkt.
DÜSSELDORF Wenn es im HawalaNetzwerk auf deutschem Boden Probleme gab, kümmerte sich oft der „Friedensrichter“. Der 39-jährige Syrer wohnte in Wuppertal und machte aus seiner terroristischen Vergangenheit offenbar ein Geschäft. Die Ermittler sind sicher: Früher führte er als Teil der islamistischen Al-nusra-front eine Kampftruppe in Syrien. Diese fungierte in NRW als Schlägertruppe für das Geldwäsche-netzwerk: Wenn Geld fehlte, trieben sie es ein. Am Mittwoch nahm die Polizei den 39-Jährigen fest.
Die Festnahme war Teil der Großrazzia am Mittwochmorgen, bei der 1400 Polizisten 85 Objekte in 25 Städten durchsuchten. NRW war der Schwerpunkt, auch in Niedersachsen und Bremen schlugen die Sicherheitsbehörden zu. Bei den Durchsuchungen stellten sie neben Bargeld in Millionenhöhe zwei Lamborghinis, einen Porsche, eine Harley Davidson sicher – und eine Stereoanlage im Wert von 100.000 Euro.
Im Kern des Netzwerks stand das Hawala-system. Das funktioniert wie eine Art Bankennetzwerk, das vor allem von der kriminellen Welt genutzt wird. Kunden in den Niederlanden und Deutschland überweisen dabei Geld nach Syrien oder in die Türkei. Dafür nutzen sie sogenannte Zahlungsbüros. „Das können Kioske sein, Kleidungsgeschäfte, Goldgeschäfte oder auch Personen, die das von zu Hause aus betreiben“, sagt der Düsseldorfer Staatsanwalt Hendrik Timmer. Der Kunde bringt sein Bargeld ins Büro. Dessen Betreiber kontaktiert wiederum ein Zahlungsbüro in Syrien oder in der Türkei. Innerhalb von wenigen Minuten kann das Geld dort „abgehoben“werden – abzüglich einer Provision für die Betreiber des kriminellen Netzwerks.
Das System, das angeblich „auf Vertrauensbasis“funktioniert, kommt nicht ohne Gewalt aus. Manche Beteiligte kommen wegen der großen Bargeldmenge, die ihnen in die Hände fällt, in die Versuchung, etwas davon einzustecken. Dann heuert das Hawala-netzwerk Schlägertrupps an. Dazu gehört nach Erkenntnissen der Ermittler die Truppe des syrischen „Friedensrichters“aus Wuppertal. Auch Rockerbanden werden bezahlt, um fehlendes Geld wieder einzutreiben.
Im Hawala-geflecht spielen laut Staatsanwaltschaft auch namhafte deutsche Firmen eine Rolle – etwa Auto- und Chemiekonzerne. Mit einem komplexen Mechanismus waren diese indirekt daran beteiligt, die Geldflüsse aus beiden Seiten auszugleichen, damit genug Bargeld vorhanden ist. Noch ist unklar, ob den deutschen Firmen rechtliche Konsequenzen drohen. Herausgefunden werden müsse zunächst, ob das mit oder ohne Wissen der Unternehmen geschehen sei.
Das System, das angeblich „auf Vertrauensbasis“funktioniert, kommt nicht ohne Gewalt aus