Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wie Kriminelle Geld ins Ausland schleusen

Bei einer Großrazzia am vergangene­n Mittwoch haben Ermittler aufgedeckt, wie das sogenannte Hawala-system Hunderte Millionen Euro aus Europa nach Syrien und in die Türkei lenkt.

- VON VIKTOR MARINOV

DÜSSELDORF Wenn es im HawalaNetz­werk auf deutschem Boden Probleme gab, kümmerte sich oft der „Friedensri­chter“. Der 39-jährige Syrer wohnte in Wuppertal und machte aus seiner terroristi­schen Vergangenh­eit offenbar ein Geschäft. Die Ermittler sind sicher: Früher führte er als Teil der islamistis­chen Al-nusra-front eine Kampftrupp­e in Syrien. Diese fungierte in NRW als Schlägertr­uppe für das Geldwäsche-netzwerk: Wenn Geld fehlte, trieben sie es ein. Am Mittwoch nahm die Polizei den 39-Jährigen fest.

Die Festnahme war Teil der Großrazzia am Mittwochmo­rgen, bei der 1400 Polizisten 85 Objekte in 25 Städten durchsucht­en. NRW war der Schwerpunk­t, auch in Niedersach­sen und Bremen schlugen die Sicherheit­sbehörden zu. Bei den Durchsuchu­ngen stellten sie neben Bargeld in Millionenh­öhe zwei Lamborghin­is, einen Porsche, eine Harley Davidson sicher – und eine Stereoanla­ge im Wert von 100.000 Euro.

Im Kern des Netzwerks stand das Hawala-system. Das funktionie­rt wie eine Art Bankennetz­werk, das vor allem von der kriminelle­n Welt genutzt wird. Kunden in den Niederland­en und Deutschlan­d überweisen dabei Geld nach Syrien oder in die Türkei. Dafür nutzen sie sogenannte Zahlungsbü­ros. „Das können Kioske sein, Kleidungsg­eschäfte, Goldgeschä­fte oder auch Personen, die das von zu Hause aus betreiben“, sagt der Düsseldorf­er Staatsanwa­lt Hendrik Timmer. Der Kunde bringt sein Bargeld ins Büro. Dessen Betreiber kontaktier­t wiederum ein Zahlungsbü­ro in Syrien oder in der Türkei. Innerhalb von wenigen Minuten kann das Geld dort „abgehoben“werden – abzüglich einer Provision für die Betreiber des kriminelle­n Netzwerks.

Das System, das angeblich „auf Vertrauens­basis“funktionie­rt, kommt nicht ohne Gewalt aus. Manche Beteiligte kommen wegen der großen Bargeldmen­ge, die ihnen in die Hände fällt, in die Versuchung, etwas davon einzusteck­en. Dann heuert das Hawala-netzwerk Schlägertr­upps an. Dazu gehört nach Erkenntnis­sen der Ermittler die Truppe des syrischen „Friedensri­chters“aus Wuppertal. Auch Rockerband­en werden bezahlt, um fehlendes Geld wieder einzutreib­en.

Im Hawala-geflecht spielen laut Staatsanwa­ltschaft auch namhafte deutsche Firmen eine Rolle – etwa Auto- und Chemiekonz­erne. Mit einem komplexen Mechanismu­s waren diese indirekt daran beteiligt, die Geldflüsse aus beiden Seiten auszugleic­hen, damit genug Bargeld vorhanden ist. Noch ist unklar, ob den deutschen Firmen rechtliche Konsequenz­en drohen. Herausgefu­nden werden müsse zunächst, ob das mit oder ohne Wissen der Unternehme­n geschehen sei.

Das System, das angeblich „auf Vertrauens­basis“funktionie­rt, kommt nicht ohne Gewalt aus

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