Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Lasst auch die 16-Jährigen wählen!
Es würde unsere Demokratie bereichern, wenn das Wahlalter sinkt.
Ich habe mit einem 17-Jährigen über die Bundestagswahl diskutiert. Er ist stinksauer, weil er nicht wählen durfte. Er meint, man solle das Wahlalter auf 16 Jahre herabsetzen – und ich fand seine Argumente überzeugend. Entscheidend ist, dass dann die Belange von mehr Menschen im politischen Entscheidungsprozess Gehör finden – ein Mehr an Demokratie! Bei der Bundestagswahl waren 38 Prozent aller Wahlberechtigten 60 Jahre und älter, nur 14 Prozent waren jünger als 30 Jahre. Aber: Beide Altersgruppen machen jeweils 30 Prozent der Gesamtbevölkerung aus! Eine Herabsetzung des Wahlalters würde das Gewicht der Jüngeren ein wenig stärken. Das ist auch wichtig, da bestimmte politische Entscheidungen weit in die Zukunft reichen.
Ein Argument gegen die Herabsetzung ist, dass den 16- und 17-Jährigen Reife, Interesse und Wissen fehlten, um verantwortungsvoll zu wählen. Aber: Diese Unzulänglichkeiten findet man auch in anderen Altersgruppen. Man könnte argumentieren, dass der Anteil bei den 16- und 17-Jährigen altersbedingt höher sei. Aber: Eine Studie ergab, dass sie sich diesbezüglich nicht von 18- bis 24-Jährigen unterscheiden. Ein weiteres Argument ist, dass man ab 18 Jahren erst voll geschäftsfähig sei. Aber: Vorher ist man immerhin beschränkt geschäftsfähig, eingeschränkt strafmündig und darf über seine Religionszugehörigkeit entscheiden. Schließlich wird angeführt, dass sich diese Altersgruppe hauptsächlich über soziale Medien informiere, und hier sei die Gefahr, falschen Informationen aufzusitzen, hoch. Aber: Diese Gefahr besteht nicht nur bei 16- und 17-Jährigen; diese Art der Informationssammlung wird sich bei ihnen auch später kaum ändern; die Gefahr kann durch Erziehung zur Medienkompetenz reduziert werden; und die Informationsvermittlung über soziale Medien kann auch eine Chance sein.
Also: Warum verwehrt man den 16und 17-Jährigen ein wichtiges Partizipationsrecht? Eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre kann eine Bereicherung für die Demokratie sein.
Unsere Autorin ist Professorin für monetäre Makroökonomik an der Universität Düsseldorf. Sie wechselt sich hier mit dem Wettbewerbsökonomen Justus Haucap und dem Vermögensexperten Karsten Tripp ab.