Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
450 Jahre Kirche von unten
1571 entwickelte die „Emder Synode“den Grundsatz, dass in der Kirche niemand Vorrang oder Herrschaft beanspruchen sollte. Was bedeutet das für die Gegenwart?
Vor 450 Jahren, vom 4. bis 13. Oktober 1571, fand im ostfriesischen Emden die „Emder Synode“statt. Eingeladen waren Gemeinden aus dem damaligen Gebiet der Niederlande. Sie lebten teilweise unterdrückt von der spanischen Herrschaft, teilweise waren sie ins Ausland geflohen, so auch an den Niederrhein. Die Synode vom Emden entwickelte vor 450 Jahren Grundsätze für eine Kirchenordnung, in der niemand „den Vorrang oder die Herrschaft beanspruchen“sollte.
Die Verhandlungen der Emder Synode orientierten sich an den Überlieferungen der Bibel. Es gibt nur einen Herrn der Kirche, Jesus Christus selber. Ein autoritäres Papst- und Bischofsamt widerspricht Leben und Wirken von Jesus und der Urgemeinde. Kirche gründet sich stets von unten nach oben, in demokratischen Prozessen und Abstimmungen.
Die Beschlüsse der Emder Synode von 1571 hatten weitreichende Wirkungen. Das gilt besonders für die niederländische Kirche, aber auch für reformierte Kirchen in Deutschland und weltweit. Das presbyterial-synodale Ordnungsprinzip der evangelischen Kirchen mit seinem antihierarchischen Charakter hätte ohne die Emder Synode von 1571 weniger Verbreitung gefunden. In Erinnerung und Würdigung der Emder Synode hat die Landessynode 2021 der Evangelischen Kirche im Rheinland in einem neuen Artikel 1a der Kirchenordnung die Grundsätze der presbyterial-synodalen Gemeinschaft festgehalten. Dazu gehört unter anderem, dass keine Kirchengemeinde und kein Kirchenkreis Vorrang oder Herrschaft über einen anderen beansprucht und dass Angelegenheiten so weit wie möglich von den Kirchengemeinden selbst entschieden werden, bevor sich übergeordnete Stellen damit befassen.
In vielen Kirchen wird diskutiert, wie man den Herausforderungen der Gegenwart begegnen kann und was dem Relevanzverlust von Kirche und Glaube entgegengesetzt werden kann. In der katholischen Kirche wird intensiv und kontrovers über den „Synodalen Weg“gestritten, in dem es auch um Macht und Gewaltenteilung in der Kirche und um eine gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag geht. Die Grundidee der Emder Synode vor 450 Jahren, dass Kirche dann Kirche Jesu Christi ist, wenn sie sich von unten her gründet und legitimiert und ohne jeden Herrschaftsanspruch ist, bleibt daher Auftrag für alle Christen in dieser Zeit.