Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Klimaschutz vor Ort ist gefährdet
Die schlechte Finanzausstattung der Kommunen hat gravierende Folgen. Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“, dem auch Dinslaken und Voerde angehören, warnt, nicht ausreichend in die Zukunft investieren zu können.
Bis spätestens 2045 wollten die Kommunen in Nordrhein-westfalen klimaneutral sein. Doch inzwischen ist das Erreichen dieses Ziels trotz der noch verbleibenden zwei Jahrzehnte Zeit in weite Ferne gerückt. Um Gebäude besser zu dämmen, Solaranlagen auf städtische Dächer zu installieren, Elektroautos für den kommunalen Fuhrpark zu kaufen, sind enorm hohe Investitionen erfordert. „Die Städte und Gemeinden sind dazu bereit, aber nicht in der Lage. Die kommunale Finanzkrise macht es unmöglich, die Zukunftsaufgaben richtig anzugehen“, stellt das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“fest, dem auch Dinslaken und Voerde angehören.
Deshalb schlagen Vertreterinnen und Vertreter dieses Bündnisses nun Alarm. „Ohne Hilfe von Bund und Land werden wir die Klimaziele nicht erreichen“, sagen Christoph Gerbersmann und Martin Murrack, Sprecher des Aktionsbündnisses, in dem sich die finanzschwachen Kommunen zusammengeschlossen haben. Angesichts der seit Jahren anhaltenden kommunalen Finanzmisere fühlen sich die Kommunen von Bund und Land im Regen stehen gelassen. „Die Kritik wird zur Kenntnis genommen, aber es ändert sich einfach nichts“, stellt Voerdes Bürgermeister Dirk Haarmann bedauernd fest. Dem Bund und dem Land Nordrhein-westfalen wirft er vor, ein Ping-pong-spiel zu betreiben und gegenseitig auf den anderen zu verweisen, doch das helfe den Kommunen nicht und löse auch deren Finanzprobleme nicht.
Die kommunale Finanzkrise wird von dem Aktionsbündnis auf mehrere Ursachen zurückgeführt. Zum einem auf die gestiegenen Ausgaben durch veränderte Zinssätze, höhere Löhne nach den jüngsten Tarifabschlüssen sowie stark gewachsene Bau- und Energiekosten. Hinzu komme, dass Bund und Land weiterhin Aufgaben an die Städte und Kreise delegierten, ohne für einen entsprechenden fairen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Das gelte für die Eingliederungs- und die wirtschaftliche Jugendhilfe ebenso wie für den künftigen Anspruch auf Ganztagsbetreuung oder die Unterbringung von Geflüchteten. Zudem drohten den Kommunen durch die Reform der Grundsteuer neue Einnahmeverluste.
Das Aktionsbündnis kritisiert, dass beim Klimaschutz die finanzschwachen Kommunen erneut abgehängt würden. Das erscheine umso bitterer, als der Klimawandel nicht an Stadtgrenzen Halt mache, sondern eine gesamtgesellschaftliche und damit globale Herausforderung sei.
Deshalb schlägt das Aktionsbündnis drei Lösungen für die kommunale Finanz- und Klimakrise vor. Die Vergabe von Fördermitteln soll reformiert werden. Beim Klimaschutz werde gerne auf Fördertöpfe verwiesen und kritisiert, dass Mittel daraus nicht abgerufen würden. Das ist aus Sicht des Aktionsbündnisses allerdings kein Anlass für Kritik, sondern sei Teil des Problems. Denn die Kommunen hätten nicht die personellen Kapazitäten, die sehr aufwendigen Förderanträge
zu stellen, ihnen fehlten oft die erforderlichen Eigenmittel und sie könnten die Personalkosten am Ende der Förderzeit nicht stemmen. Bürgermeister Dirk Haarmann nennt die Sportanlage Tannenbusch als Beispiel für den Aufwand, den Kommunen bewältigen müssen, um Fördergelder zu erlangen. Die Voerder Verwaltung müsse sich im Zuge der Verwendungsprüfung mit immer neuen Nachfragen zur Sportanlage
herumplagen und dafür Personal abstellen, das eigentlich schon für andere Projekte vorgesehen sei. „An Fördermittel zu kommen ist ein mühsames und oftmals frustrierendes Geschäft für die Beteiligten“, sagt Haarmann. Auch deshalb fordert das Aktionsbündnis, die Hälfte der heutigen Fördersumme als allgemeine Deckungsmittel und ohne bürokratischen Zusatzaufwand an die Kommunen zu geben.
Die gegenwärtige Situation ließe sich nach Überzeugung des Aktionsbündnisses durch ein Sondervermögen abmildern, mit dem über 10 bis 15 Jahre gezielt die Investitionstätigkeit der Städte und Gemeinden angehoben und verstetigt werden könne.
Die finanzschwachen Kommunen leiden aufgrund des Strukturwandels und der aus ihrer Sicht unfairen Verteilung der Finanzen zwischen den drei staatlichen Ebenen unter hohen Schulden (in Nordrhein-westfalen sind dies rund 21 Milliarden Euro Liquiditätskredite) und weit überdurchschnittlichen Sozialausgaben. „Bund und Land haben diese Lasten wesentlich zu verantworten. Sie müssen dieser Verantwortung durch eine Altschuldenregelung und eine höhere Beteiligung an den Sozialkosten beteiligen“, fordert das Bündnis. Für Voerde beziffert Bürgermeister Haarmann die Kredite auf 48 Millionen Euro, es seien schon mal fast 60 Millionen Euro gewesen. Bund und Land müssten hier endlich für Entlastung sorgen.
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