Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Für 350.000 Euro nach Deutschland
Eine Schleuserbande soll für hohe Summen Aufenthaltsgenehmigungen organisiert haben. Bislang gibt es zehn Festnahmen.
Es ist früher Mittwochmorgen und noch dunkel, als die Bundespolizisten eine Villa in Solingen stürmen. Das Haus wird gründlich durchsucht, umfangreiches Material wird sichergestellt. Ob sie die Person, die sie dort erwartet haben, auch angetroffen haben, ist noch nicht bekannt.
„Wir haben in den durchsuchten Wohnungen in NRW häufig nicht die Personen angetroffen, die wir dort vermutet haben“, sagte der leitende Düsseldorfer Staatsanwalt Hendrik Timmer. „Das liegt wohl daran, dass es sich bei diesen Wohnungen um Scheinwohnungen handelt“, so Timmer weiter. Die Solinger Villa ist jedoch keine dieser Scheinwohnungen.
Gleichzeitig sind am Mittwoch 1024 Fahnder – 987 Bundespolizisten, 27 Staatsanwälte und zehn Steuerfahnder – bundesweit gegen die Organisierte Kriminalität vorgegangen. Auch Banknotenspürhunde wurden eingesetzt. Konkret richteten sich die Durchsuchungen gegen 38 mutmaßliche Mitglieder einer Schleuserbande sowie 147 weitere Personen, die geschleust haben sollen.
Der Schwerpunkt der Aktion lag in NRW, wo in Aachen, Bergheim, Bergisch-gladbach, Düren, Düsseldorf, Frechen, Heimbach, Kerpen, Köln, Kreuzau, Pulheim, Ratingen, Roetgen, Siegburg und Solingen vollstreckt wurde. Zudem erfolgten Durchsuchungen in Berlin, Frankfurt am Main, Freiburg, Hamburg, Hoppstädten-weiersbach, Hüttlingen, Landau in der Pfalz, Mainz, München, Oberursel, Quickborn, Überlingen und Wilhelmsdorf.
Laut federführender Staatsanwaltschaft Düsseldorf – Abteilung
Zeos, eine Spezialeinheit, die Verfahren der Organisierten Kriminalität bekämpft – handelt es sich bei den beiden Hauptbeschuldigten um zwei Rechtsanwälte (42 und 46 Jahre alt) aus dem Kölner Raum. Ihnen drohen bei einer Verurteilung langjährige Haftstrafen. Die beiden sollen über ihre Rechtsanwaltskanzleien wohlhabende ausländische Staatsangehörige überwiegend aus China und dem arabischen Raum angeworben haben. Aber auch aus dem Oman, Südafrika und Indien kamen die „Klienten“.
Mit der Aussicht auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis sollen die Geschleusten Beträge zwischen 30.000 und 350.000 Euro an die Kanzleien gezahlt haben. „Im Internet
gibt es dazu entsprechende Seiten, auf denen die Anwerbung ablief“, sagte Zeos-dezernent Hendrik Timmer. „Da gab es Listen mit konkreten Preisen“, so der ermittelnde Staatsanwalt.
Die Schleusung lief ungefähr so ab: Der Drittstaatsangehörige kam durch die Internetseite in Kontakt mit den besagten Kanzleien und gab ihnen eine Generalvollmacht. Geworben wurde unter anderem mit „freier Bildung“und einem „Weltklasse Gesundheitssystem“. Daraufhin wurde unter anderem eine Scheinwohnung in NRW angemietet und ein Konto eröffnet. Auch Scheinfirmen wurden gegründet. Die Kanzlei kümmerte sich weiter um die hiesigen Behördengänge.
Dann erfolgte die Bezahlung.
Auf die Spur sind die deutschen Ermittler diesem Schleusungsapparat bereits im Jahr 2020 durch einen Hinweis aus China gekommen. „Dort war aufgefallen, dass viele Visa mit zweifelhaften Angaben beantragt wurden – und das immer aus der gleichen Region“, so Timmer. Davor habe das System mindestens schon seit 2016 funktioniert, hieß es.
„Die Beschuldigten stehen auch im Verdacht, mit den Geldern unter anderem vermeintliche Lohnzahlungen fingiert zu haben“, so die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Darüber hinaus sollen nicht unerhebliche Beträge der Bereicherung der Beschuldigten gedient haben. Erlangt wurden die Aufenthaltserlaubnisse
bei den Ausländerämtern der Städte Kerpen und Solingen sowie des Rhein-erft-kreises und des Kreises Düren.
Zu den zehn festgenommen Beschuldigten gehört laut Staatsanwaltschaft auch ein Mitarbeiter des Kreises Düren, der bei den Schleusungen maßgeblich beteiligt gewesen sein und dafür Bestechungsgelder erhalten haben soll.
Bei den Durchsuchungen wurden auch sogenannte vermögensabschöpfende Maßnahmen durchgeführt. Demnach wurden 269 Bankkonten gepfändet, 31 Immobilien gesichert, mehr als 450.000 Euro Bargeld und zwei hochwertige Autos beschlagnahmt.
„Das ist ein guter und wichtiger
Ermittlungserfolg gegen eine Bande, die sich mit Aufenthaltstiteln die Taschen vollmachen will“, sagte Nrwinnenminister Herbert Reul (CDU) unserer Redaktion. „Beim Kampf gegen Schleuserkriminalität gehen Polizei und Staatsanwaltschaft aber hart vor. Denn auch an den Grenzen gelten Recht und Gesetz“, so Reul weiter.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, die „harte Gangart“gegen international agierende Schleuser künftig fortzusetzen. „Wir brauchen im Kampf gegen Schleuserbanden genau diesen hohen Ermittlungsdruck und dieses konsequente Durchgreifen“, so Faeser.
Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) forderte eine Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit. Der Gdp-bundesvorsitzende Jochen Kopelke sagte unserer Redaktion, es gebe nicht nur eine Armutsmigration nach Europa, sondern auch eine Luxusmigration. „Es gibt Eu-staaten, in denen ich eine Staatsbürgerschaft kaufen und mich dadurch frei im Schengenraum bewegen kann. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.“