Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Schelme in allen Ecken
„Till Eulenspiegel“war der Höhepunkt des Konzerts der Wiener Symphoniker in der Tonhalle.
„Ein Stück Holz, das oben kreischt und unten brummt“: So beschrieb Antonin Dvorák das Violoncello. Gleichwohl komponierte er eines der schönsten Solokonzerte für das Instrument. Der Franzose Gautier Capuçon spielte es jetzt im Heinersdorff-konzert in der Tonhalle mit den Wiener Symphonikern. Ihr zukünftiger Chefdirigent hatte die Leitung: Der Tscheche Petr Popelka folgt ab Herbst Andrés Orozco-estrada auf dieser Position. Der war vorzeitig zurückgetreten, nachdem das Orchester beschlossen hatte, seinen Vertrag nicht zu verlängern.
Dass nun der Richtige am Pult steht, scheinen die Wiener Symphoniker an diesem Abend unbedingt beweisen zu wollen. Sie wirken wie wachgerüttelt, antworten mit Glanz und Feuer auf das energiegeladene
Dirigat Popelkas. Der wirft sich mit nachgerade sportlichem Einsatz in die Musik, zeigt zugleich aber bis in die Feinheiten genau an, was er will. Das ist echtes Herzblut statt Schaum für die Galerie.
Dvoráks Cellokonzert kommt diese hohe Intensität zugute, zumal Gautier Capuçon alles unternimmt, um sie auf die Spitze zu treiben. Das Goffriller-cello aus dem Jahr 1701 mit dem schönen Beinamen „L’ambassadeur“wird unter seinen Händen zum Botschafter von Eleganz und Kraft. Wenn Capuçon das Gewicht seiner Bogenhand in die Saite hängt, antwortet das Instrument mit erdiger, zuweilen fast knurriger Tiefe. In der Höhe klingt das Forte sengend, das Pianissimo silberfein, bestürzend fragil.
Capuçon schöpft aus dem Vollen, breitet den Reichtum der Partitur verschwenderisch aus: wuchtige Akkordbrechungen, tänzerische
Virtuosität und eine Sturzflut von Doppelgriffen inklusive. Über dies alles spannt er Dvoráks herrliche Kantilenen, flammend, weit schwingend, von Sehnsucht durchbohrt.
In zwei Tondichtungen von Richard Strauss bekräftigen die Wiener
Symphoniker ihre exzellente Verfassung. „Don Juan“stürmt los wie mit fliegenden Fahnen, der Klang ist dabei jederzeit bestechend klar und durchhörbar. Es ist ein rasanter Ritt mit kühnen Aufschwüngen, immer hart an der Absturzkante entlang. Dass dieser Rausch kalkuliert ist, zeigt Popelka mit subtilen Farbmischungen. Wechselnde Schatten gleiten über die Schäferstündchen, die Strauss mit aller Glockenspielsüße ausmalt.
Die Späße von „Till Eulenspiegel“rutschen nie ins Ordinäre. Bei Popelka stiftet das Kerlchen ein Durcheinander, das virtuos bleibt, quecksilbrig gelenkig. Fast bildhaft lugt der Schelm aus allen Ecken, dreht nach manchem Streich eine lange Nase. Für den jubelnden Beifall bedanken sich die Gäste mit Zugaben von Johann und Josef Strauss: dem „Frühlingsstimmen-walzer“und der „Sport-polka“(op. 170).