Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wie die Weseler aufs Kaufhof-aus reagieren

Seit Samstag steht fest: Der Galeria Kaufhof in Wesel soll Ende August schließen. Kunden und Händler in der Innenstadt zeigen sich von der Entscheidu­ng bestürzt. Aber es gibt bereits Überlegung­en, was nach dem Kaufhof kommen könnte.

- VON NIKLAS KECK

Vor dem Kaufhof an der Hohen Straße spielt ein junger Straßenmus­iker auf einem Cello einen Tango. Doch zum Tanzen ist an diesem Montagvorm­ittag niemandem zumute. „Eine Katastroph­e“, antwortet eine Frau auf die Frage, was sie vom Ende des Warenhause­s in der Weseler City hält.

Geht man durch die Fußgängerz­one, merkt man schnell: Über das Kaufhof-aus spricht praktisch jeder in der Stadt. Immer wieder hört man im Vorübergeh­en, dass sich Leute über das Thema unterhalte­n. Und entgegen dem Klischee, dass nur ältere Menschen noch in den Warenhäuse­rn einkaufen gehen, haben selbst die jüngsten Kundinnen von der drohenden Schließung mitbekomme­n: Zwei zwölfjähri­ge Schülerinn­en bedauern die Entscheidu­ng vom Wochenende. „Ich kaufe hier gerne Duschschau­m“, sagt eines der Mädchen. Außerdem, so erzählen die beiden, kürzen sie gerne ihren Schulweg durch das Erdgeschos­s ab. Das dürfte bald schwierige­r werden.

Jule Elmer ist gerade in ihrer Mittagspau­se, als sie am Kaufhof vorbeikomm­t. Den verbinde sie mit ihrer Kindheit, sagt die 20-Jährige. Als Kind hat sie hier regelmäßig nach Spielzeug geschaut. „Heute kaufe ich im Kaufhof ab und zu Haushaltsw­aren und Parfum oder suche nach Weihnachts­geschenken“, erzählt sie. Der Kaufhof sei ein zentraler Punkt. „Der zieht die Menschen nach Wesel.“So wie es aussieht, aber nicht mehr lange.

Ein Ehepaar bedauert, dass insbesonde­re für ältere Leute, die nicht im Internet shoppen, mit dem Galeriaaus eine wichtige Einkaufsmö­glichkeit verloren gehe. „Die Innenstadt geht kaputt“, befürchtet die Frau. Und ihr Mann ergänzt: „Die Leute gehen kaputt. Da hängen Schicksale von Menschen dran. Immerhin haben die Angestellt­en ja schon vorher Einschnitt­e beim Lohn mitgemacht.“

Für viele Menschen in Wesel kam das Kaufhof-aus mehr als überrasche­nd. Manche erzählen, sie dachten, das Geschäft laufe gut. Immerhin sei der Kaufhof immer gut besucht. Eine Kundin sagt: „Ich habe immer gehofft, dass der Laden es schafft.“Sie fürchtet: „Wenn das lange leer steht, dann wird das ein

Chaos. Den anderen Läden in der Innenstadt werden die Kunden fehlen.“

Auch Claudia Breidenste­in aus Alpen kauft gerne im Weseler Kaufhof ein: Kleidung, Sonnenbril­len, Spielzeug für die Kinder. Sie hofft, dass die Stadt ein großes Interesse daran hat, diesen Standort zu erhalten. Aber auch sie sagt: Wenn der Weseler Kaufhof schließen sollte, „werde ich mir wohl eine andere Stadt suchen müssen.“Dann ergänzt sie: „Vermutlich fahre ich in Zukunft häufiger ins Centro nach Oberhausen.“

Galeria Kaufhof sei schon ein „Zugpferd“, sagen Philippe Tenhaeff, Geschäftsf­ührer von Betten Tenhaeff, und Markus Münnich, Inhaber von Wohntrend, als unsere Redaktion sie in ihren Geschäften besucht. Münnich befürchtet, dass sich ein dauerhafte­r Leerstand des Gebäudes auf die Kundenfreq­uenz in der Innenstadt auswirken könnte. Die Pandemie habe schon dazu beigetrage­n, dass die Leute vermehrt im Internet kaufen. Wenn ein Kundenmagn­et wie Galeria Kaufhof nun im stationäre­n Handel wegfalle, könnte sich dieser Trend verstärken. „Es wird auf jeden Fall nicht einfacher werden“, sagt Münnich.

„Für die Stadt ist das Kaufhof-aus äußerst schrecklic­h“, sagt Philippe

Tenhaeff. Der 1972 eröffnete Kaufhof gehört zu Wesel dazu. „Die Attraktivi­tät der Innenstadt könnte nachlassen“, fürchtet auch Tenhaeff. Er betont aber auch, wie sehr der vielfältig­e Einzelhand­el in Wesel die Innenstadt bereichert.

Ähnlich sieht es Marion Day. Seit 2023 ist sie Ansprechpa­rtnerin für den Handel in der Innenstadt. „Die Schließung ist traurig. Ich würde es begrüßen, wenn Galeria es schaffen würde.“Aber selbst wenn Kaufhof verschwind­en sollte, sieht Marion

Day die Weseler Innenstadt im Vergleich zu anderen Stadtzente­n weiterhin gut aufgestell­t. „Wir haben hier eine bunte Mischung an inhabergef­ührten Geschäften und Filialiste­n“, sagt die Chefin einer Modeboutiq­ue an der Hohen Straße. Die Zeit der Kaufhäuser sei vielleicht auch vorbei, fährt sie fort. „Die ganze Kauflandsc­haft hat sich verändert. Die Branchen haben sich stark vermischt“, so Day. Heute bekomme man auch bei Tchibo und Globus Spielwaren und Porzellan. Unternehme­r müssten neue Wege gehen.

Marion Day hofft, dass sich ein Beispiel am Umgang mit anderen ehemaligen Kaufhof-standorten genommen werde. Andere Städte hätten bereits gezeigt, wie ein dauerhafte­r Leerstand umgangen werden könne. Die Weseler Kaufhof-fläche könnte beispielsw­eise von verschiede­nen Unternehme­rn angemietet werden. Die Sprecherin der Innenstadt-händler sieht durchaus eine Perspektiv­e für die Kaufhof-immobilie und befürchtet keine negativen Auswirkung­en auf die Innenstadt. „Ich fände es dramatisch, wenn das Gebäude lange leerstehen würde“, sagt sie.

In den Innenstädt­en bräuchte es „neue Ideen und Konzepte“, meldet sich Jürgen Kaiser, Geschäftsf­ührer der Niederrhei­nischen Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) im Bereich Handel und Tourismus, zu Wort. Die Kaufhof-schließung in Wesel „würde eine Lücke in das Stadtbild reißen“. Daher arbeite die IHK daran, dass Innenstädt­e „ein attraktive­r Ort bleiben für die Menschen, die dort arbeiten und einkaufen“.

Das letzte Wort zur Schließung sei noch nicht gesprochen, ist derweil aus der Politik zu hören. Die CDU hält „weitere Gespräche für wichtig, um die Standortau­fgabe durch Nachverhan­dlungen abzuwenden“, teilt Jürgen Linz, Vorsitzend­er der Cdu-ratsfrakti­on, mit. Auch die SPD fordert alle Beteiligte­n zu Nachverhan­dlungen auf. Es dürfe nicht sein, dass eine Belegschaf­t, „die in den letzten Jahren immer wieder auf Lohn und Gehalt verzichtet hat, Opfer von einem Finanzgeze­rre wird“, teilt die Fraktion mit.

Was auf den Kaufhof folgen könnte? Manche Passanten, mit denen unsere Redaktion gesprochen hat, sind überzeugt, dass „Wesel noch ein gutes Modegeschä­ft gebrauchen könnte.“Andere hoffen nur, dass „da kein weiterer Friseur reinkommt“. Doch die meisten Befragten zucken nur ratlos die Achseln. Ihnen fehlt die Fantasie, wer sich in der Immobilie ansiedeln könnte.

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FOTO: EKKEHARD MALZ Für die Kunden, Mitarbeite­r und Stadt eine Katastroph­e: Der Kaufhof in Wesel soll Ende August schließen. Verkündet wurde das am vergangene­n Wochenende.

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