Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wie die Weseler aufs Kaufhof-aus reagieren
Seit Samstag steht fest: Der Galeria Kaufhof in Wesel soll Ende August schließen. Kunden und Händler in der Innenstadt zeigen sich von der Entscheidung bestürzt. Aber es gibt bereits Überlegungen, was nach dem Kaufhof kommen könnte.
Vor dem Kaufhof an der Hohen Straße spielt ein junger Straßenmusiker auf einem Cello einen Tango. Doch zum Tanzen ist an diesem Montagvormittag niemandem zumute. „Eine Katastrophe“, antwortet eine Frau auf die Frage, was sie vom Ende des Warenhauses in der Weseler City hält.
Geht man durch die Fußgängerzone, merkt man schnell: Über das Kaufhof-aus spricht praktisch jeder in der Stadt. Immer wieder hört man im Vorübergehen, dass sich Leute über das Thema unterhalten. Und entgegen dem Klischee, dass nur ältere Menschen noch in den Warenhäusern einkaufen gehen, haben selbst die jüngsten Kundinnen von der drohenden Schließung mitbekommen: Zwei zwölfjährige Schülerinnen bedauern die Entscheidung vom Wochenende. „Ich kaufe hier gerne Duschschaum“, sagt eines der Mädchen. Außerdem, so erzählen die beiden, kürzen sie gerne ihren Schulweg durch das Erdgeschoss ab. Das dürfte bald schwieriger werden.
Jule Elmer ist gerade in ihrer Mittagspause, als sie am Kaufhof vorbeikommt. Den verbinde sie mit ihrer Kindheit, sagt die 20-Jährige. Als Kind hat sie hier regelmäßig nach Spielzeug geschaut. „Heute kaufe ich im Kaufhof ab und zu Haushaltswaren und Parfum oder suche nach Weihnachtsgeschenken“, erzählt sie. Der Kaufhof sei ein zentraler Punkt. „Der zieht die Menschen nach Wesel.“So wie es aussieht, aber nicht mehr lange.
Ein Ehepaar bedauert, dass insbesondere für ältere Leute, die nicht im Internet shoppen, mit dem Galeriaaus eine wichtige Einkaufsmöglichkeit verloren gehe. „Die Innenstadt geht kaputt“, befürchtet die Frau. Und ihr Mann ergänzt: „Die Leute gehen kaputt. Da hängen Schicksale von Menschen dran. Immerhin haben die Angestellten ja schon vorher Einschnitte beim Lohn mitgemacht.“
Für viele Menschen in Wesel kam das Kaufhof-aus mehr als überraschend. Manche erzählen, sie dachten, das Geschäft laufe gut. Immerhin sei der Kaufhof immer gut besucht. Eine Kundin sagt: „Ich habe immer gehofft, dass der Laden es schafft.“Sie fürchtet: „Wenn das lange leer steht, dann wird das ein
Chaos. Den anderen Läden in der Innenstadt werden die Kunden fehlen.“
Auch Claudia Breidenstein aus Alpen kauft gerne im Weseler Kaufhof ein: Kleidung, Sonnenbrillen, Spielzeug für die Kinder. Sie hofft, dass die Stadt ein großes Interesse daran hat, diesen Standort zu erhalten. Aber auch sie sagt: Wenn der Weseler Kaufhof schließen sollte, „werde ich mir wohl eine andere Stadt suchen müssen.“Dann ergänzt sie: „Vermutlich fahre ich in Zukunft häufiger ins Centro nach Oberhausen.“
Galeria Kaufhof sei schon ein „Zugpferd“, sagen Philippe Tenhaeff, Geschäftsführer von Betten Tenhaeff, und Markus Münnich, Inhaber von Wohntrend, als unsere Redaktion sie in ihren Geschäften besucht. Münnich befürchtet, dass sich ein dauerhafter Leerstand des Gebäudes auf die Kundenfrequenz in der Innenstadt auswirken könnte. Die Pandemie habe schon dazu beigetragen, dass die Leute vermehrt im Internet kaufen. Wenn ein Kundenmagnet wie Galeria Kaufhof nun im stationären Handel wegfalle, könnte sich dieser Trend verstärken. „Es wird auf jeden Fall nicht einfacher werden“, sagt Münnich.
„Für die Stadt ist das Kaufhof-aus äußerst schrecklich“, sagt Philippe
Tenhaeff. Der 1972 eröffnete Kaufhof gehört zu Wesel dazu. „Die Attraktivität der Innenstadt könnte nachlassen“, fürchtet auch Tenhaeff. Er betont aber auch, wie sehr der vielfältige Einzelhandel in Wesel die Innenstadt bereichert.
Ähnlich sieht es Marion Day. Seit 2023 ist sie Ansprechpartnerin für den Handel in der Innenstadt. „Die Schließung ist traurig. Ich würde es begrüßen, wenn Galeria es schaffen würde.“Aber selbst wenn Kaufhof verschwinden sollte, sieht Marion
Day die Weseler Innenstadt im Vergleich zu anderen Stadtzenten weiterhin gut aufgestellt. „Wir haben hier eine bunte Mischung an inhabergeführten Geschäften und Filialisten“, sagt die Chefin einer Modeboutique an der Hohen Straße. Die Zeit der Kaufhäuser sei vielleicht auch vorbei, fährt sie fort. „Die ganze Kauflandschaft hat sich verändert. Die Branchen haben sich stark vermischt“, so Day. Heute bekomme man auch bei Tchibo und Globus Spielwaren und Porzellan. Unternehmer müssten neue Wege gehen.
Marion Day hofft, dass sich ein Beispiel am Umgang mit anderen ehemaligen Kaufhof-standorten genommen werde. Andere Städte hätten bereits gezeigt, wie ein dauerhafter Leerstand umgangen werden könne. Die Weseler Kaufhof-fläche könnte beispielsweise von verschiedenen Unternehmern angemietet werden. Die Sprecherin der Innenstadt-händler sieht durchaus eine Perspektive für die Kaufhof-immobilie und befürchtet keine negativen Auswirkungen auf die Innenstadt. „Ich fände es dramatisch, wenn das Gebäude lange leerstehen würde“, sagt sie.
In den Innenstädten bräuchte es „neue Ideen und Konzepte“, meldet sich Jürgen Kaiser, Geschäftsführer der Niederrheinischen Industrieund Handelskammer (IHK) im Bereich Handel und Tourismus, zu Wort. Die Kaufhof-schließung in Wesel „würde eine Lücke in das Stadtbild reißen“. Daher arbeite die IHK daran, dass Innenstädte „ein attraktiver Ort bleiben für die Menschen, die dort arbeiten und einkaufen“.
Das letzte Wort zur Schließung sei noch nicht gesprochen, ist derweil aus der Politik zu hören. Die CDU hält „weitere Gespräche für wichtig, um die Standortaufgabe durch Nachverhandlungen abzuwenden“, teilt Jürgen Linz, Vorsitzender der Cdu-ratsfraktion, mit. Auch die SPD fordert alle Beteiligten zu Nachverhandlungen auf. Es dürfe nicht sein, dass eine Belegschaft, „die in den letzten Jahren immer wieder auf Lohn und Gehalt verzichtet hat, Opfer von einem Finanzgezerre wird“, teilt die Fraktion mit.
Was auf den Kaufhof folgen könnte? Manche Passanten, mit denen unsere Redaktion gesprochen hat, sind überzeugt, dass „Wesel noch ein gutes Modegeschäft gebrauchen könnte.“Andere hoffen nur, dass „da kein weiterer Friseur reinkommt“. Doch die meisten Befragten zucken nur ratlos die Achseln. Ihnen fehlt die Fantasie, wer sich in der Immobilie ansiedeln könnte.