Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Konzert im P-dorf: Tanzen mit Haltung
Hear me out und In Levitation überzeugten. Deshalb macht es einen Unterschied, Musik live zu erleben. An der Qualität der Bands lag es nicht, dass der Zuschauerzuspruch enttäuschend war.
(bes) Bühnennebel, hämmernde Bässe, (an-)klagender Gesang. Hear me out aus Bielefeld stellten am Freitagabend im Hiesfelder P-dorf eindrucksvoll unter Beweis, dass Post-punk und Dark Wave auch 45 Jahre nach „Bela Lugosi‘s Dead“von Bauhaus und „A Forest“von The Cure so „untot“, sprich quicklebendig, ist wie eh und je.
Authentisch klang es, womit die Band um Sängerin Lizzy mit Gitarre, Schlagzeug, Bass und synthetischen Klängen insbesondere bei den instrumentalen Intros der Songs zum Tanzen anregten, retro-vertraut und doch neu. Hear me out klingen wärmer als die eisbärkalten und minimalistischen frühesten 80er Jahre, überraschen immer wieder mal mit Brüchen, die lebhafte Beats und komplexe Songstrukturen hervorbringen. „Wir haben auch Indieeinflüsse“, erklärt Gitarrist Marco das Moderne, Zeitgemäße von Hear me out. „Aber es ist schön, dass das Genre gerade wiederkommt und in neue Sounds gebracht wird“.
Das Genre: Es ist das, was die Eltern hörten. The Cure, The Sisters of Mercy, der düstere Sound der 80er Jahre. Die Bandmitglieder von Hear me out sind damit aufgewachsen. Und aus sich die Band 2021 gründete und ihren Stil suchte, stellten alle fest, dass sie dieselben musikalischen Wurzeln haben. Damit war der musikalische Stil gefunden. Und ebenso wichtig sind die Texte, die Sängerin Lizzy schreibt. Und die setzen sich ganz mit dem Hier und Jetzt auseinander. Hear me out richten sich gegen Sexismus und Rassismus, positionieren sich klar für LTBGQ und Toleranz. Einer der Songs greift den Mord an Malte beim Christopher Street Day in Münster auf. Und eine Zwischenmoderation gegen Rassismus endet mit dem bedenkenswerten Satz: „Monokulturen funktionieren schon in der Natur nicht“.
Was aber führt eine Band aus Bielefeld überhaupt ins P-dorf? Auch dies war ein Anknüpfen an frühere Jahre. Laurenz (Gitarre und Synthesizer) ist in Dinslaken zur Schule gegangen und als es darum ging, dann auch einmal hier aufzutreten, brachte sein Vater das P-dorf ins Spiel - „er kannte es von früher, als hier noch mehr Bands spielten“, so Schlagzeuger Lars. Das heutige Team von P-dorf erklärte sich dann bereit, den Saal für ein Konzert zur Verfügung zu stellen, die Versuche, die Livekultur in Dinslaken zu beleben, zu unterstützen. Hear me out organisierten den Abend, saßen an der Kasse und brachten mit Producer Finn einen Techniker mit, der nicht nur für die Bielefelder für hervorragenden Sound sorgte.
Hear me out hatte im Vorfeld über Instagram Dinslakener Bands eingeladen.
„Monokulturen funktionieren schon in der Natur nicht“
Hear me out
Und das war eine Gelegenheit, die sich In Levitation nicht entgehen ließ. „So viele Möglichkeiten gibt es ja hier nicht“, erklärt Bassist Daniel. Und gibt es Möglichkeiten, ist es halt auch noch gesagt, dass diese auch angenommen werden. Die Besucherzahlen am Freitag waren enttäuschend. Und das lag wohl kaum an der musikalischen Qualität, sondern wohl eher an einem Verhalten, das Daniel selbst beobachtet: Musik wird aus der Konserve, sprich im Stream konsumiert, zu Konzerten geht man nur, wenn man die Bandmitglieder kennt. Und dabei verpassen viele Jugendliche etwas Wesentliches: „Es ist ja nicht nur die Atmosphäre, sondern auch das Gefühl, dass man die Musik, die Kickdrum, tatsächlich spürt. Dass man mal loslassen kann, tanzen, sich bewegen, abgehen kann.“
Das alles boten In Levitation. Und noch mehr. Die Band um Sänger Dustin (auch Gitarrist der Penny Pinchers) knüpft stilistisch an Post-hardcore und Alternativrock, fügt diese aber in die komplexen, anspruchsvollen Strukturen des Progressive-rock ein. So wird das
Zuhören zur Reise durch sich beständig ändernde Klangwelten.
Absolut erwähnenswert, wie Schlagzeuger David, Bassist Daniel und Gitarrist Doron die Songs bei den vielen Rhythmus- und Tempowechseln zusammenhalten, den ständigen Wechsel zwischen den geraden Takten und den Triolenparts standsicher meistern, damit sich Dustin ganz in die Musik fallen lassen kann.
Eigentlich sollte Wavehead den Abend eröffnen, aber Niko Brücker war zwar anwesend, aber unpässlich. Die Songs der Bielefelder kann man auf Spotify finden. In Levitation planen gerade eine Split-ep mit Knife Breath, doch sollte man auf jeden Fall auch die Liveauftritte auf dem Schirm haben. In Levitation treten am Freitag, 3. Mai, 20 Uhr im Indie, Am Buchenbaum 41, in Duisburg auf.