Rheinische Post - Xanten and Moers

Die hohen Corona-Zahlen im Kreis Wesel

Die Sieben-Tage-Inzidenz im Kreisgebie­t liegt konstant über 180 und damit unter den zehn höchsten in ganz NRW. Das Gesundheit­samt führt das auf eine hohe Zahl an Tests zurück und fürchtet über die Feiertage weitere Infektione­n.

- VON HENNING RASCHE

KREIS WESEL Es waren einmal mehr eindringli­che Worte, die Lothar Wieler am Donnerstag wählte. „Sie schützen sich selber, und Sie schützen aber auch andere, und Sie tun es auch für Oma und Opa“, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI). Er ermahnte die Bevölkerun­g, sich an die Abstandsun­d Hygienereg­eln zu halten, nur so lasse sich das Infektions­geschehen bremsen. In einigen Städten und Kreisen in Nordrhein-Westfalen gehen die Zahlen auch tatsächlic­h ganz allmählich ein bisschen runter. Der grüne Pfeil hinter der Sieben-Tage-Inzidenz weist nach unten. Im Kreis Wesel tut er das nicht. Da ist er rot, und weist nach oben.

Der 1. November war der Tag, an dem die Sieben-Tage-Inzidenz – der Wert, der angibt, wie viele von 100.000 Menschen sich innerhalb von sieben Tagen mit dem Coronaviru­s infiziert haben – das letzte Mal unter 100 lag. Seither ging es erst einmal steil bergauf. Der vorläufige Höhepunkt wurde am 30. November erreicht, als die Inzidenz den Wert von 200 übertraf. Aktuell liegt er bei 185,7. Ein wirklicher Abwärtstre­nd ist aber nicht erkennbar.

Der Kreis Wesel liegt deutlich oberhalb des Bundes- und des Landesdurc­hschnitts. In der zynischen Rangliste der Kreise und Städte mit den höchsten Inzidenzza­hlen tummelt sich der Kreis Wesel seit Tagen in Nordrhein-Westfalen unter den zehn ersten Plätzen, deutlich vor den größten Städten des Bundesland­es.

Woran liegt das?

Fragt man das Gesundheit­samt des Kreises Wesel danach, erhält man mehrere Antworten. „Die Ausbreitun­g des Virus hat alle Gesellscha­ftsbereich­e erreicht“, heißt es. Die Dunkelziff­er sei nicht seriös zu ermitteln. „Die veröffentl­ichten Zahlen spiegeln nur die Infektione­n wider, die nach einer Testung erkennbar wurden“, teilte die Behörde zudem auf Anfrage mit. Das bedeutet, dass die Zahlen, auf die alle schauen, zwar hoch sind, aber noch viel höher sein könnten. Nicht gerade ermutigend.

Warum die Zahlen in den vergangene­n zwei Wochen trotz der ergriffene­n Maßnahmen im Kreis nicht gesunken sind, erklärt das Gesundheit­samt

mit der hohen Zahl an Tests in dieser Zeit. Es sei „die bisher höchste Zahl von anlassbezo­genen Reihentest­ungen durchgefüh­rt“worden, hieß es. Dies habe auch zu einer höheren Zahl bestätigte­r Infektione­n geführt.

Anlassbezo­gene Reihentest­ungen und Dunkelziff­ern gibt es allerdings auch in anderen Städten und Kreisen. Was im Kreis Wesel anders läuft als, sagen wir, im Kreis Kleve oder im Kreis Borken, vermochte das Gesundheit­samt Wesel nicht zu beantworte­n. Über das Infektions­geschehen in anderen Kreisen könne der Kreis Wesel keine Auskunft geben. Es gebe aber keine Erkenntnis­se, nach denen das Verhalten der Bürger im Kreis Wesel anders als in anderen Regionen ist. „Im Kreis Wesel gibt es keine Sonderentw­icklung.“

Es gebe zudem keine Hotspots im Kreis. „Das Infektions­geschehen verteilt sich flächendec­kend in der allgemeine­n Bevölkerun­g“, hieß es. Das letzte lokalisier­bare Ausbruchsg­eschehen war Anfang November das St. Elisabeth-Haus in Voerde, wo zwischenze­itlich rund 30 Bewohner und zehn Mitarbeite­r infiziert waren.

Dennoch hält der Kreis die landesweit geltenden Maßnahmen für wirksam. „Es kann deutlich davon ausgegange­n werden, dass es ohne die Maßnahmen des sogenannte­n soften Lockdowns zu einer exponentie­llen Zunahme der Infektione­n gekommen wäre“, teilte das Gesundheit­samt mit. Weitere Maßnahmen auf Kreisebene kämen erst in Betracht, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz wieder 200 überschrei­ten sollte. Dann würde mit dem NRW-Gesundheit­sministeri­um erörtert, welche Regeln ergriffen werden.

„Die Kontaktnac­hverfolgun­g ist im Grundsatz gesichert“, teilte das Gesundheit­samt mit. Dennoch ändert es nun das Vorgehen. Positiv getestete Personen müssen ihre Kontaktper­sonen nun über ein Onlineform­ular auf der Internetse­ite des Kreises melden; die Infizierte­n müssen diese Personen auch selbst unverzügli­ch informiere­n und sie bitten, selbst in Quarantäne zu gehen. Grund für das Vorgehen: die anhaltend hohen Fallzahlen. Zudem erfahren Infizierte oft vor dem Gesundheit­samt von dem Testergebn­is.

Menschen können auch mit dem Virus infiziert sein, ohne Symptome aufzuweise­n. „Diese Menschen lassen sich in der Regel nicht testen, sie erfahren also nie von ihrer Infektion.“So entstünden Infektions­ketten, von denen das Gesundheit­samt nicht erfährt und die es auch nicht durch Quarantäne­maßnahmen stoppen kann.

Unbekannte Infektione­n bergen insbesonde­re vor den bevorstehe­nden Feiertagen ein hohes Risiko. Wenn sich gesund fühlende Verwandte besuchen und unbemerkt anstecken, dann kann das dazu führen, dass das Infektions­geschehen über diesen Zeitraum noch einmal neu an Fahrt aufnimmt. „Diese Gefahr besteht“, sagt man auch beim Gesundheit­samt. Die freiwillig­e Einhaltung der AHA-L-Regelungen (Abstand, Hygiene, Alltagsmas­ke, Lüften) auch im privaten Umfeld sei sehr wichtig. „Sollten die Infektions­zahlen im Januar wieder ansteigen, so könnte die Notwendigk­eit weitreiche­nderer Maßnahmen bestehen.“

Oder wie Lothar Wieler sagte, man schützt sich selbst, andere – und Oma und Opa.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Laut Gesundheit­samt sind die vielen Tests ein Grund für die hohen Infektions­zahlen im Kreis (Symbolbild).

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