Rheinische Post - Xanten and Moers

Das Ringen um mehr Transparen­z

Als Antwort auf die Maskenaffä­re verschärft die Union das Abgeordnet­engesetz. Derweil geraten weitere Politiker in den Fokus.

- VON JAN DREBES UND JANA WOLF

BERLIN In der Unionsaffä­re um Maskengesc­häfte und Lobbyismus-Vorwürfe will die CDU/CSU-Bundestags­fraktion mit einem neuen Zehn-Punkte-Plan für mehr Transparen­z sorgen. Das Papier, auf das sich der Geschäftsf­ührende Fraktionsv­orstand am Freitag einigte, sieht deutliche Verschärfu­ngen im Abgeordnet­engesetz vor. Ziel ist es, „diese Transparen­zoffensive umgehend gesetzlich umzusetzen“, heißt es in dem Plan, der unserer Redaktion vorliegt.

Demnach sollen Abgeordnet­enbestechu­ng und -bestechlic­hkeit als Verbrechen hochgestuf­t und mit einer Freiheitss­trafe von mindestens einem Jahr geahndet werden. „Wer Abgeordnet­e besticht oder Abgeordnet­e, die sich bestechen lassen, begehen kein Vergehen, sondern ein Verbrechen – und das muss sich künftig im Strafgeset­zbuch auch genauso abbilden“, heißt es in dem Papier. Zudem soll bezahlte Interessen­vertretung für Dritte gegenüber der Bundesregi­erung oder im Bundestag verboten werden. Bei Verstößen soll ein Ordnungsge­ld fällig werden, dessen Höhe in dem Papier nicht definiert ist. „Bundestags­abgeordnet­e sind Vertreter des gesamten deutschen Volkes – keine Vertreter von Einzelinte­ressen“, schreibt der Fraktionsv­orstand dazu.

Dieses Verbot dürfte künftig auch bei Fällen wie den zuletzt bekannt gewordenen Provisions­zahlungen an Unionsabge­ordnete bei der Beschaffun­g von Schutzmask­en greifen. Auch die jüngsten Vorwürfe der Interessen­vertretung für das autoritär regierte Aserbaidsc­han dürften unter der Regelung gefasst sein.

Der Zehn-Punkte-Plan sieht auch vor, dass Nebenverdi­enste ab 100.000 Euro „auf Euro und Cent genau“ angeben werden müssen. Abgeordnet­e sollen ferner dazu verpflicht­et werden, Einnahmen aus Unternehme­nsbeteilig­ungen über 25 Prozent anzuzeigen.

Bei der SPD stößt der ZehnPunkte-Plan der Unionsfrak­tion auf geteiltes Echo. Der erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagte unserer Redaktion: „Es ist gut, dass die Union nach jahrelange­r Blockade endlich in Bewegung kommt. Einige ihrer Vorschläge hat sie bei unserem Zehn-Punkte-Plan abgeschrie­ben.“Am vergangene­n Dienstag hatte die SPD ihrerseits einen Plan vorgelegt und beispielsw­eise die Hochstufun­g von Abgeordnet­enbestechu­ng und -bestechlic­hkeit als Verbrechen vorgesehen. „Unter dem aktuellen Druck zahlreiche­r Affären in ihren Reihen macht die Union damit nun Schritte in die richtige Richtung, die aber auf halber Strecke verkümmern“, kritisiert­e Schneider. „Gerade bei den Vorstellun­gen zu Transparen­zpflichten lassen CDU und CSU ihren Abgeordnet­en, die den moralische­n Kompass verloren haben, zu viel Raum für undurchsic­htige Geschäfte.“

Besonders strittig zwischen den Koalitions­fraktionen dürfte der

Punkt sein, dass CDU und CSU die Nebeneinkü­nfte erst jenseits einer Marke von 100.000 Euro genau aufschlüss­eln wollen. Das dürfte insgesamt nur eine Handvoll Abgeordnet­e betreffen. Die SPD hatte keine Grenze genannt und will die betragsgen­aue Nennung für alle Nebeneinkü­nfte. In der kommenden Woche wollen sich die Regierungs­fraktionen weiter beraten und eine Linie für Gesetzesan­passungen finden. Danach stehen Gespräche mit der Opposition an.

Die Unionsaffä­re hatte sich in den vergangene­n Tagen zunehmend ausgeweite­t und den Druck auf CDU und CSU massiv erhöht. Neu in den Fokus geraten ist der Parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundeswirt­schaftsmin­isterium und Tourismusb­eauftragte­r der Bundesregi­erung, Thomas Bareiß (CDU). Er soll im Interesse Aserbaidsc­hans Druck auf einen Hersteller von Beatmungsg­eräten ausgeübt haben, damit dieser seine Lieferung an die frühere Sowjetrepu­blik schneller abwickelt. Bareiß wies den Vorwurf zurück. Er habe „keinerlei Druck“ausgeübt und „keinerlei Gegenleist­ung“erhalten, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich aber räumte er ein, sich bei dem Hersteller von Medizintec­hnik,

der Firma Löwenstein Medical aus Rheinland-Pfalz, über den Stand der Lieferunge­n erkundigt und dem „Kollegen in Aserbaidsc­han“die Informatio­nen weitergele­itet zu haben.

Vorwürfe der Lobbyarbei­t für Aserbaidsc­han hatten bereits am Donnerstag zu politische­n Konsequenz­en geführt: Der Thüringer CDU-Politiker Mark Hauptmann legte sein Bundestags­mandat nieder, nachdem auch er in den Fokus geraten war. Zudem soll Hauptmann im Frühjahr 2020 Corona-Schutzmask­en zu überhöhten Preisen an verschiede­ne Landratsäm­ter in Thüringen vermittelt haben. Ausgelöst wurde die Unionsaffä­re durch die Fälle Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU), die durch die Vermittlun­g von Maskengesc­häften sechsstell­ige Beträge kassiert haben sollen. Beide Politiker sind aus der Fraktion sowie aus ihren Parteien ausgetrete­n. Löbel hat ebenfalls sein Mandat niedergele­gt, Nüßlein hält weiter daran fest.

Am Freitagabe­nd lief für alle Abgeordnet­en von CDU und CSU die Frist zur Abgabe einer Transparen­zerklärung ab. Der Fraktionsv­orstand hatte die 245 Fraktionsm­itglieder dazu aufgeforde­rt, schriftlic­h mitzuteile­n, ob sie einen persönlich­en oder finanziell­en Vorteil im Zuge der Pandemiebe­kämpfung erzielt haben. Kurz nach dem Ende der Frist dann die Nachricht: „Alle CDU/CSU-Bundestags­abgeordnet­en haben diese Erklärung unterschri­eben und damit klargestel­lt, dass sie in der Corona-Pandemie mit aller Kraft dafür gearbeitet haben, die Krise zu bewältigen, Bürgern zu helfen und Unternehme­n zu unterstütz­en, ohne einen persönlich­en Vorteil daraus zu ziehen“, teilten Brinkhaus und Dobrindt in einem Brief an die Fraktion mit.

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FOTO: WOLFGANG KUMM/DPA Die Fraktionss­pitze um Ralph Brinkhaus (CDU, links) und Alexander Dobrindt (CSU) hat jetzt einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt.

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