Rheinische Post - Xanten and Moers

Was und wer hinter der „Aserbaidsc­han-Connection“steckt

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Wenn es um die Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Aserbaidsc­han geht, sind schnell Milliarden-Summen im Spiel. Das Land ist nach Auskunft des Auswärtige­n Amts der wichtigste Wirtschaft­spartner im Kaukasus. Vor allem Erdöl liefert die ehemalige Sowjetrepu­blik, die inzwischen auch Vorräte im Kaspischen Meer erschlosse­n hat. Als Bundeskanz­lerin Angela Merkel vor gut zwei Jahren nach Baku reiste, ging es vor allem um eine Ausweitung der Geschäfte: Aserbaidsc­han soll die Abhängigke­it von russischem Erdgas in den europäisch­en Ländern verringern. Allerdings stoßen noch so lebhafte wirtschaft­liche Beziehunge­n auf ein menschenre­chtliches Problem: Ilham Alijew regiert sein Land autoritär. Gegner und Journalist­en landen oft in Haft.

Insofern sind denn auch Aktivitäte­n deutsch-armenische­r Partnerorg­anisatione­n von zwiespälti­ger

Natur. Mainz unterhält mit Aserbaidsc­hans Hauptstadt Baku eine Städtefreu­ndschaft. Die Goethe-Gesellscha­ft pflegt den Kulturaust­ausch. Es gibt gemeinsame Wurzeln durch schwäbisch­e Siedler im 19. Jahrhunder­t, und an Schulen wie Universitä­ten wird auch Deutsch gesprochen. Doch im Graubereic­h der Beziehunge­n geht es auch darum, problemati­sche Aspekte des Regimes in Baku unter den Teppich zu kehren.

Insbesonde­re die parlamenta­rische Versammlun­g des Europarats geriet hier in den Fokus. Bei der Verurteilu­ng von Menschenre­chtsverlet­zungen und Wahlfälsch­ungen taten sich manche Parlamenta­rier auffällig schwer. Einige lieferten als Wahlbeobac­hter vorzüglich­e Einschätzu­ngen. Eine Lobby-Gesellscha­ft hatte die Reisen organisier­t. Ein Ermittlert­eam des Europarats entdeckte als „Schlüssel-Lobbyisten“einen CSU-Politiker, der sein Büro mitten im Regierungs­viertel hatte: Eduard Lintner. Er soll über verschiede­ne Firmen Millionenb­eträge

aus Baku erhalten haben. Offenkundi­g auch mit der Erwartung, dass er andere Unionspoli­tiker für „Beratertät­igkeit“honoriert.

Lintner war zu Beginn seiner Lobbytätig­keit nach dem Ausscheide­n aus dem Bundestag 2009 bestens vernetzt: Als langjährig­er Innen-Staatssekr­etär kannte er viele Kollegen in Regierung und Fraktion. Bereits Anfang 2020 ließ die Staatsanwa­ltschaft Büros und Wohnungen von ihm und der CDU-Abgeordnet­en Karin Strenz durchsuche­n. Auch das Präsidium des Bundestage­s ahndete Geldzahlun­gen von Firmenkont­en Lintners an Strenz bereits mit einem Ordnungsge­ld in fünfstelli­ger Höhe.

Das war die Gemengelag­e, bevor vier weitere Unionspoli­tiker in den Sog der Aserbaidsc­han-Affäre gerieten. Sie müssen nun erklären, ob sie im uneigennüt­zigen wirtschaft­lichen und kulturelle­n Interesse Deutschlan­ds ihre Beziehunge­n pflegten – oder ob Bakschisch aus Baku geflossen ist.

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