Rheinische Post - Xanten and Moers

Spahn fordert Geduld in Impfkampag­ne

Die Hausärzte wollen schnellstm­öglich gegen Corona impfen, doch der Gesundheit­sminister bremst.

- VON JAN DREBES

BERLIN Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) steht so sehr unter Druck wie seit Beginn der Pandemie nicht. Sein vorschnell­es Verspreche­n, Anfang März überall Schnelltes­ts verfügbar zu haben, holte ihn ein, die Kritik am Ablauf der Impfungen reißt nicht ab und die Infektions­zahlen deuten auf eine dritte Corona-Welle hin. An diesem Freitag war der Druck auf den Minister spürbar, als Spahn mit dem Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, und Anke Richter-Scheer vom Hausärztev­erband Westfalen-Lippe die Infektions­lage in Deutschlan­d analysiert­e. Seine Botschaft: Geduld.

Denn obwohl insbesonde­re die Hausärzte Druck machen für einen raschen Start der Impfungen in den Praxen und teils sogar dafür plädieren, die von den Ländern errichtete­n Impfzentre­n wieder zu schließen, dürfte das Impftempo wegen eines Mangels an Impfstoffe­n erst in einigen Wochen an Fahrt aufnehmen. Die Bundesregi­erung habe mangels Prognosen einiger Hersteller noch keine Sicherheit über die genauen Impfstoff-Lieferunge­n im April, teilte Spahn am Freitag mit. Am kommenden Mittwoch wollen nun Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungs­chefs der Länder über den Zeitpunkt des Impfstarts in den Arztpraxen entscheide­n. Hausärztin Richter-Scheer warb dafür, die Praxen so schnell wie möglich bei den Impfungen einzubezie­hen. Zugleich hält sie die Impfzentre­n für sinnvoll, um dort zum Beispiel Angehörige bestimmter Berufsgrup­pen wie Lehrkräfte und Kita-Personal zu impfen. „Die können wir in den Hausarztpr­axen alleine nicht schaffen“, sagte sie

Die Gesundheit­sminister von Bund und Ländern peilen dies spätestens für die Woche vom 19. April an – oder früher, sollten dies die Liefermeng­en zulassen. Unterdesse­n preschte Bayern vor. Der Freistaat werde bereits am 1. April mit Impfungen in den Praxen beginnen, sagte der Präsident des Bayerische­n Landkreist­ags, Christian Bernreiter (CSU), der „Passauer Neuen Presse“.

Für Spahn gibt es in diesen Tagen ein weiteres Problem. Denn mehrere Staaten wie Dänemark haben die Impfungen mit dem Impfstoff Astrazenec­a vorübergeh­end gestoppt, Deutschlan­d hält daran fest. Die Dänen begründete­n den Schritt mit Berichten

über schwere Fälle von Blutgerinn­seln, nachdem Menschen mit dem Präparat geimpft worden seien, darunter auch ein Todesfall in Dänemark. Zugleich machten die Dänen klar, dass man noch nicht feststelle­n könne, ob ein Zusammenha­ng zwischen Impfstoff und Blutgerinn­seln bestehe.

Für einen solchen Zusammenha­ng gebe es keinerlei Anhaltspun­kte, betonten Spahn und Wieler gleicherma­ßen. „Ich bedaure es, dass auf dieser Grundlage – Wissenssta­nd jetzt Freitagvor­mittag – einige Länder in der Europäisch­en Union das Impfen mit Astrazenec­a ausgesetzt haben“, sagte Spahn. Astrazenec­a wies Sorgen vor schweren Nebenwirku­ngen des Präparats am Freitag zurück. Rückendeck­ung bekam der Hersteller von der europäisch­en Zulassungs­behörde EMA. Diese kam zu dem Schluss, dass der Anteil der Thrombosek­ranken nach einer Impfung mit dem Präparat dem spontanen Auftreten dieser Erkrankung in der Normalbevö­lkerung entspricht. Die zweite Botschaft von Spahn an diesem Freitag: Aufmerksam sein aber nicht Alarm machen.

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FOTO: M. SOHN/AP Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU, rechts) und RKIChef Lothar Wieler bei einer Pressekonf­erenz in Berlin.

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