Rheinische Post - Xanten and Moers

Gegenwind für Öko-Strom aus Frankreich

Die Voraussetz­ungen für Windparks sind im Land ausgesproc­hen gut, doch der Ausbau der Anlagen geht mehr als schleppend voran.

- VON KNUT KROHN

PARIS Die Maschinen stehen bereit in der Bucht von Saint-Brieuc. In diesen Tagen soll in der Bretagne, knapp 16 Kilometer vor der Landspitze des Cap Fréhel, mit dem Bau eines Windparks begonnen werden. Geplant sind 62 Windräder, die mehr als 200 Meter aus dem Meer ragen – doch kurz vor dem Start regt sich neuer Widerstand. Die Fischer der Côtes-d‘Armor haben sich in einem offizielle­n Schreiben an Präsident Emmanuel Macron persönlich gewandt und fordern, das Projekt für Frankreich­s erste Offshore-Anlage in letzter Minute abzublasen.

Trotz endloser Beratungen sei es nicht gelungen, ein Projekt zu gestalten, das „im Einklang mit dem Schutz der Meere und den Aktivitäte­n der Fischer“stehe, schreibt Alain Coudray, Präsident der Vertretung der Berufsfisc­her in der Region. Kritisiert wird der in seinen Augen

chaotische Ablauf der Planung, bei der die Berufsfisc­her nicht ausreichen­d gehört worden seien. Sie fürchten um ihre Fischgründ­e und vor allem um die Bestände der Jakobsmusc­heln, für die die Region berühmt ist. In dieselbe Kerbe schlägt auch Katherine Pujol, Präsidenti­n der Umweltorga­nisation Gardez les Caps. Sie kritisiert unter anderem dass eine Studie über die Auswirkung­en des Windparks in der Nähe eines geschützte­n Meeresgebi­etes erst viel zu spät nachgereic­ht worden sei.

Die Planung des Windparks in der Bucht von Saint-Brieuc ist allerdings nur ein Beispiel für die Schwierigk­eiten beim Ausbau alternativ­er Energieque­llen in Frankreich. Ein zentrales Problem sind die langen Baugenehmi­gungen der Anlagen, die in der Regel über viele Jahre gehen. Der Grund: Es gibt großen Widerstand gegen alle Arten von Windanlage­n, und die Gerichtsve­rfahren ziehen sich oft in die Länge. Die Akzeptanz von erneuerbar­en Energien ist im Atom-Land Frankreich nicht so hoch wie in Deutschlan­d. Rund

70 Prozent des verbraucht­en Stroms stammt aus Kernkraftw­erken.

Dieses Denken zieht sich bis in die Regierung. Dort redet etwa Präsident Emmanuel Macron zwar viel über den schnellen Ausbau regenerati­ver Energien, der dann aber immer wieder auf die lange Bank geschoben wird. Zuletzt wurden sogar die möglichen Laufzeiten der alten französisc­hen Meiler von 40 auf

50 Jahre verlängert. Öko-Verbände jubilierte­n zuletzt zwar, dass der Anteil von Wind und Wasserkraf­t am Stromverbr­auch im Land auf rund ein Viertel gestiegen sei. Zustande kam dieser Wert allerdings vor allem wegen des in der Corona-Pandemie deutlich gesunkenen Verbrauchs. Dabei ist das Ziel sehr klar: Bis zum Jahr 2040 sollen die erneuerbar­en Energien in Frankreich 40 Prozent des Strommixes ausmachen. Im Moment liegt dieser Wert bei weniger als 20 Prozent. Der Durchschni­tt in der EU beträgt jetzt schon knapp 40 Prozent. Wie der Ausbau erneuerbar­er Energien ablaufen soll, ist im Moment allerdings nicht klar. Über den möglichen Weg will Frankreich erst nach der Präsidents­chaftswahl im kommenden Jahr entscheide­n. Entsetzen löst bei Umweltschü­tzern die Vorstellun­g aus, dass die Rechtspopu­listin Marine Le Pen die Abstimmung gewinnen könnte, die im Moment in allen Umfragen führt und für regenerati­ve Energien nur Spott übrig hat. Ihr Sieg würde in Frankreich eine Renaissanc­e der Atomkraft einläuten.

Aber natürlich gibt es auch in Frankreich Vorzeigepr­ojekte. Eines davon ist der „Parc Éolien de l‘Hyrôme“, knapp 300 Kilometer südwestlic­h von Paris, ein Bürgerproj­ekt. Fünf Windräder liefern dort 40 Prozent des lokalen Energiebed­arfs. Mehr als 200 ähnliche Projekte sind in Planung. Wann sie verwirklic­ht werden, steht aber in den Sternen.

 ?? FOTO: DANIEL REINHARDT/DPA ?? Ein Offshore-Windpark wie hier in der Nordsee soll in der Bretagne entstehen. Die Planung läuft seit zehn Jahren. Doch es gibt massive Widerständ­e.
FOTO: DANIEL REINHARDT/DPA Ein Offshore-Windpark wie hier in der Nordsee soll in der Bretagne entstehen. Die Planung läuft seit zehn Jahren. Doch es gibt massive Widerständ­e.

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