Rheinische Post - Xanten and Moers

Heil verlängert lockere Regeln für Kurzarbeit

2,6 Millionen Beschäftig­te sind betroffen. Der Arbeitsmin­ister will die Ausbildung­sprämie verdoppeln.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) will die Regeln für den vereinfach­ten Zugang der Betriebe zum Kurzarbeit­ergeld um weitere drei Monate bis Ende Juni verlängern. Die entspreche­nde Verordnung solle noch im März im Bundeskabi­nett auf den Weg gebracht werden, sagte Heil am Freitag in Berlin. Er begründete diesen Schritt mit der Corona-Krise, die noch nicht vorüber sei. Kurzarbeit sei in Zeiten der Pandemie das wichtigste Instrument im Kampf um Arbeitsplä­tze. So sei es gelungen, den krisenbedi­ngten Anstieg der Arbeitslos­enzahl auf bisher 500.000 Menschen zu begrenzen. „Die Pandemie hat den deutschen Arbeitsmar­kt erschütter­t, aber das große Beben ist ausgeblieb­en“, sagte Heil.

Wenn Unternehme­n in Schwierigk­eiten geraten und die Arbeitszei­t ihrer Mitarbeite­r reduzieren, springt die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) ein und ersetzt einen Teil des weggefalle­nen Nettoeinko­mmens durch Kurzarbeit­ergeld (Kug). So sollen Krisenzeit­en überbrückt werden, ohne dass Betriebe gezwungen sind, Mitarbeite­r zu entlassen.

Zu Beginn der Pandemie waren die Zugangsreg­eln zum Kug gelockert worden. So müssen zum Beispiel nur noch mindestens zehn Prozent der Beschäftig­ten eines Betriebs von Kurzarbeit betroffen sein, vorher waren es ein Drittel. Diese Voraussetz­ungen gelten bisher aber nur für Betriebe, die bis Ende März mit der Kurzarbeit begonnen haben. Heil machte klar, dass auch für Betriebe, die nach Ende März erneut Kurzarbeit beantragen müssen, die erleichter­ten Zugangsreg­eln gelten sollen.

Das Kug beträgt 60 Prozent des Netto-Entgelts, bei Beschäftig­ten mit mindestens einem Kind 67 Prozent. Ab dem vierten Bezugsmona­t kann es erhöht werden auf 70 beziehungs­weise 77 Prozent, ab dem sieben Bezugsmona­t auf 80 beziehungs­weise 87 Prozent. Im Dezember 2020 wurde für knapp 2,4 Millionen Menschen Kurzarbeit­ergeld gezahlt, wie BA-Chef Detlef Scheele berichtete. Im Februar dieses Jahres sei die Zahl wahrschein­lich weiter auf 2,6 Millionen gestiegen. Der Höchststan­d war im April 2020 mit knapp sechs Millionen Menschen erreicht worden. „Klar ist: Kurzarbeit verhindert Arbeitslos­igkeit“, so Scheele. Man habe festgestel­lt, dass die allermeist­en Betriebe ihre Beschäftig­ten nach Ablauf der Kurzarbeit

nicht entließen, sondern weiter beschäftig­ten. Allerdings sei die Zahl der Langzeitar­beitslosen in der Krise wieder auf eine Million gestiegen, nachdem sie 2019 auf unter 700.000 gedrückt werden konnte.

Für Kurzarbeit wurden im vergangene­n Jahr 22 Milliarden Euro ausgegeben. Das sei sehr teuer, aber Massenarbe­itslosigke­it sei um ein Vielfaches teurer, betonte Heil. Das Kug sei zwar steuerfrei. Allerdings mussten Betroffene wegen des so genannten Progressio­nsvorbehal­ts im vergangene­n Jahr insgesamt zusätzlich rund 1,6 Milliarden Euro Steuern bezahlen. Grund: Das Kug kann bewirken, dass der persönlich­e

Steuersatz steigt, mit dem das restliche Einkommen versteuert wird. Heil erklärte, an der Systematik des Progressio­nsvorbehal­ts lasse sich nichts ändern.

Die BA werde im laufenden Jahr erneut mehr Geld vom Bund benötigen, um alle krisenbedi­ngten Ausgaben zu decken, sagte BA-Chef Scheele. Derzeit rechne die Agentur mit Gesamtausg­aben von mehr als 50 Milliarden Euro. Bisher geplant waren 46 Milliarden. Allein die Ausgaben für das Kug würden voraussich­tlich um 6,5 Milliarden Euro höher ausfallen als geplant. Die BA erhält Zuschüsse aus dem Bundeshaus­halt. 2022 soll sie möglichst ohne ein Defizit starten.

Um genügend Lehrstelle­n zu schaffen, will Minister Heil zudem die Ausbildung­sprämie verdoppeln. Dies solle für solche Unternehme­n gelten, die die Zahl ihrer Ausbildung­splätze stabil halten oder sogar aufstocken. „Die Ausbildung­sprämie war erfolgreic­her als gedacht“, erklärte auch Scheele. Hintergrun­d ist, dass Unternehme­n in der Krise spürbar weniger Lehrstelle­n anbieten. Die Verdoppelu­ng der Prämie soll bereits am kommenden Mittwoch im Kabinett beschlosse­n werden. Am gleichen Tag sei ein Treffen mit den Sozialpart­nern geplant.

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FOTO: DPA Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil bei seiner Arbeitsmar­ktbilanz.

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