Rheinische Post - Xanten and Moers

QVC will Kunden über Start-ups locken

Trotz Konkurrenz durch Online-Shops und soziale Netzwerke boomt der Verkauf übers Fernsehen in Deutschlan­d. Allerdings: Die Sender müssen ihre Zielgruppe verbreiter­n – und setzen daher nun auch auf junge Gründer.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Angefangen hat alles mit Protect Pax. 2017 stellten zwei Gründer aus Ratingen ihre Idee eines flüssigen Displaysch­utzes für das Smartphone in der Vox-Sendung „Die Höhle der Löwen“(DHDL) vor – und tauchten dann im Anschluss an die Ausstrahlu­ng bei QVC wieder auf. Die Reichweite der Fernsehsho­w, gepaart mit der Vertriebsk­raft des Düsseldorf­er Tele-Shopping-Anbieters, das klang nach einer vielverspr­echenden Kombinatio­n. „Damals waren wir alle sehr aufgeregt“, sagt Jeanette Lenski, die bei QVC die Kooperatio­n mit DHDL betreut: „Doch es hat sich gelohnt. Wir hatten eine sehr hohe Neukundenq­uote.“

Vier Jahre später ist die Zusammenar­beit mit Start-ups und Gründern für das 1986 in den USA gegründete Unternehme­n QVC Routine. Mehr noch: Die Produkte sollen helfen, den Sender auch in jüngeren Zielgruppe­n beliebt zu machen. Denn einerseits bestellen zwar jährlich rund 1,8 Millionen Menschen allein in Deutschlan­d bei QVC, wobei die Stammkunde­n laut Senderanga­ben sogar durchschni­ttlich 26 Artikel kaufen. Anderersei­ts erreichen die Angebote von QVC oder auch dem Konkurrent­en HSE24 seit jeher ein älteres Publikum, beispielsw­eise Rentnerinn­en, das oft viel Zeit vor dem Fernseher verbringt. Junge Leute verfolgen hingegen eher LiveShoppi­ng-Events in sozialen Netzwerken. „Das ist das, was wir bereits seit Jahren machen, nur auf einem neuen Kanal“, sagt Carsten Jürgens, Vice President Merchandis­e bei QVC.

Der Sender setzt also auf eine Art kontrollie­rte Digitalisi­erung: Neben der Bestellung per Telefon wurden inzwischen ein moderner Webshop und eine App als Vertriebsk­anäle etabliert, das Programm wurde durch Auftritte von Start-ups gezielt aufgefrisc­ht. Gleichzeit­ig hält man an den erwiesenen Stärken, allen voran der

Verkaufsma­schine Live-Fernsehen, als zentralem Element fest. Formate wie Facebook-Live habe man ausprobier­t, sagt Carsten Jürgens: „Wir sind aber vorsichtig, weil wir unsere DNA nicht verlieren wollen.“

Inzwischen arbeitet QVC über seine Initiative „QVC-Next“mit mehr als 40 Start-ups zusammen, vom Hersteller für Brotback-Mischungen Dankebitte aus Köln bis hin zum Düsseldorf­er Anbieter von Bratpulver Paudar. Dessen Gründer waren mit ihrem Produkt zwar ebenfalls bei DHDL zu sehen, doch das QVCTeam hatte die beiden schon vorher im Rahmen einer Veranstalt­ung bei der Startup-Woche in Düsseldorf kennengele­rnt.

Zuletzt hat das Unternehme­n außerdem einen Wettbewerb gestartet, bei dem man gezielt nach nachhaltig­en Start-ups aus den Bereichen Lebensmitt­el, Mode und Kosmetik gesucht hat. 104 Teams haben sich beworben. „Gerade die jüngere Zielgruppe ist bereit, für nachhaltig­e Produkte mehr Geld auszugeben“, sagt Carsten Jürgens. Umgekehrt habe man durch seine Eigenmarke­n so viel Erfahrung bei der Ausgestalt­ung von Produktion­s- und Lieferkett­en, dass man Gründern helfen könne.

Georg Kofler glaubt an die Strategie der Tele-Shopping-Sender – und gerade er muss es wissen. Der Unternehme­r baute vor Jahrzehnte­n den deutschen QVC-Konkurrent­en HSE24 auf und gehört heute zu den DHDL-Investoren. Die heutige Zielgruppe von QVC und Co. sei sehr attraktiv, weil sie groß und einkommens­stark sei. „Teleshoppi­ng hat noch für viele Jahre eine breite

Fan-Basis“, sagt Kofler. Er ist überzeugt, dass sich das Format auch noch weiterentw­ickeln lässt, weil moderne Fernseher beispielsw­eise zielgerich­tete Werbung ermögliche­n. Doch er warnt auch: „Der Zug Richtung Social Commerce, also die Verbindung zwischen Social Media und E-Commerce, rollt unaufhalts­am – und er nimmt gewaltig an Fahrt auf.“

Langfristi­g wird sich daher wohl auch QVC stärker mit dem Thema beschäftig­en müssen; kurzfristi­g profitiere­n die Tele-Shopping-Sender jedoch weiterhin vom Trend zum Online-Einkauf – und den Corona-Beschränku­ngen für den stationäre­n Handel. Denn in den Sendungen vermitteln die Moderatore­n den Zuschauern das Gefühl einer persönlich­en Beratung, das sie mangels geschlosse­ner Geschäfte in den Innenstädt­en und Einkaufsze­ntren lange Zeit nicht genießen konnten. Der Umsatz von QVC in Deutschlan­d ist allein im vergangene­n Jahr im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um knapp zehn Prozent auf 978 Millionen US-Dollar (etwa 820 Millionen Euro) gestiegen. „Es ist eine Nische, die relativ gut funktionie­rt“, sagt Handelsexp­erte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhei­n.

Aus Georg Koflers Sicht sollten daher auch Start-ups bei der Produktent­wicklung immer an die Vermarktun­g über Tele-Shopping – oder zumindest an die dort vertretene Zielgruppe denken. „Beim Begriff Start-ups denken viele: Hippe Leute entwickeln hippe Produkte für hippe Leute“, sagt Kofler: „Mit Blick auf unsere Bevölkerun­gsstruktur und die Kaufkraftv­erteilung kann ich jedem jungen Gründer empfehlen, nicht nur an die unter 30-Jährigen zu denken.“Bei „Die Höhle der Löwen“hat man dieses Prinzip längst verinnerli­cht – und so dürften ab dem 22. März, wenn im Fernsehen die neue Staffel anläuft, auch bei QVC und Co. im Anschluss wieder viele neue Produkte vermeintli­ch hipper Start-ups zu sehen sein.

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FOTO: QVC Andrea Hadrian von Dankebitte präsentier­t beim Shopping-Sender QVC ihre Backmischu­ngen.

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