Rheinische Post - Xanten and Moers
Was würden wohl die Alpakas sagen?
Der Moerser Streichelzoo war lange Zeit ein Auslaufmodell: Teuer und veraltet, wie er war, wurde mit Recht überlegt, ob die Stadt sich ihn leisten konnte und durfte. Dann kam der Kommunalwahlkampf 2020. Im Dunstkreis der von den Grünen unterstützten Bürgermeisterkandidatin Diana Finkele bildete sich ein „Förderverein Streichelzoo“, ein Wahlkampfthema war geboren. Plötzlich waren alle ganz, ganz große Freunde des Streichelzoos. Natürlich wolle man ihn erhalten, natürlich würden die im Zuge der Laga an den Kamp-Lintforter Privatzoo Kalisto ausgeliehenen Tiere „zurückgeführt“. Natürlich.
Die Wahlen sind gelaufen, Diana Finkele ist zurück zur Leiterin des Grafschafter Museums mutiert. Und das Thema Streichelzoo fällt der Politik auf die Füße. Will man ihn vernünftig betreiben, wird das die Moerser nämlich richtig teuer zu stehen kommen. Eine Studie dazu liegt vor. Weil sich die Fraktionen im Ausschuss für Stadtentwicklung zu keiner Entscheidung durchringen konnten, wird jetzt erstmal ein Arbeitskreis eingerichtet.
Was die „Rückführung“der Tiere angeht: Zehn Schafe sind – hurra! – wieder im Freizeitpark-Gehege. Die zwei „Moerser“Alpakas, beide im hohen Alpaka-Alter, bleiben erstmal in Kamp-Lintfort, weil eines wegen einer Verletzung am Auge nicht transportfähig ist und man das Paar nicht trennen will. Im Ausschuss für Stadtentwicklung hat jetzt eine Vertreterin des Fördervereins Streichelzoo gefordert, die
Tiere trotzdem nach Moers zu holen. Auch hier gebe es schließlich einen Tierarzt. Allen Ernstes.
Das Tierwohl spielt beim Thema Streichelzoo eben nicht die ganz große Rolle. Sonst müsste man sich vielleicht doch mal fragen, ob so etwas noch zeitgemäß ist. Wir essen keine über den halben Globus geflogenen Erdbeeren im Winter, wir kaufen „unverpackt“, wir gendern unsere Sprache kaputt, weil wir so unglaublich politisch korrekt sind. Aber gleichzeitig sperren wir Tiere ein, um sie zu begaffen?
Entschuldigung, beim Streichelzoo geht es natürlich um Pädagogik. Aber wer Kindern zeigen will, wie die Bienchen Honig machen, der führe sie zu einem der vielen Imker der Region. Wer Kindern zeigen will, wo die Wolle herkommt: Schafzüchter gibt es am Niederrhein genug. Und wer Kindern die lieben Vöglein zeigen will, der gehe mit ihnen mit offenen Augen durch den Schlosspark. Dafür braucht es keinen Käfig mit Wellensittichen im Streichelzoo.
Ich bin kein Zoologe, aber ich vermute, dass sich Alpakas in einem niederrheinischen Pferch nicht so wohl fühlen wie im Hochland Südamerikas, wo sie ursprünglich herstammen. Ich kann mir auch vorstellen, dass es den „Moerser“Alpaka-Greisen in der Herde der Kalisto-Alpakas immerhin besser geht als zu zweit im Freizeitpark. Könnte ich wie Doktor Doolittle mit Tieren sprechen, ich würde das alte, kranke Tier mit seinem dicken Auge in Kamp-Lintfort besuchen und fragen, was es von der Diskussion in Moers hält. Ich fürchte, seine Antwort wäre in unserer Zeitung nicht zitierfähig.
Josef Pogorzalek
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