Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Reichelsiedlung braucht ein Sozialkonzept
Die Reichelsiedlung ist Rheinbergs ungeliebtes Kind. Lange als sozialer Brennpunkt verschrien, viele Menschen auf engem Raum, viele Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund und aus unterschiedlichsten Kulturen – das alles ist schwer bis gar nicht unter einen Hut zu bekommen. Integration bleibt da mitunter ein frommer Wunsch. Diese sozialen Herausforderungen in den Griff zu bekommen, ist eine Mammutaufgabe. Ein gut funktionierendes Quartiersmanagement und eine seit 27 Jahren bewährte städtische Begegnungsstätte können da nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.
Die Reichelsiedlung ist wichtig für Rheinberg. Weil es nirgendwo in der Stadt so viel günstigen Wohnraum gibt wie zwischen Bahnlinie, Annastraße und Binnefeldstraße. Wohnraum, der günstig geblieben ist, muss man sagen. Wohnraum, der dringend benötigt wird. Für Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen. Auch die gehören zu Rheinberg und dürfen nicht vergessen werden.
Nach einer jahrelangen Sanierungsphase hat die Reichelsiedlung deutlich an Attraktivität gewonnen. Sechs Investoren haben 2010 insgesamt 660 überwiegend renovierungsbedürftige, teilweise heruntergekommene Wohnungen, die sie dem Land abgekauft haben, auf Vordermann gebracht, haben neue Bäder und Heizungen eingebaut, haben die Gebäude wärmegedämmt und Photovoltaikanlagen installiert. Mit dem schlechten Zustand, in dem sich die Hochhäuser vor zehn, 15 oder 20 Jahren befanden, ist das heute keinesfalls mehr zu vergleichen.
Dass es gelungen ist, alle diese Wohnungen zu renovieren und dass die Mieten trotzdem nur moderat angehoben worden sind, ist beruhigend. Es zeigt, dass die Investoren Wort gehalten haben. Man darf nicht vergessen: Sie sind Unternehmer, die Geld verdienen wollen. Aber sie werden ihrer sozialen Verantwortung gerecht.
Nun muss man schauen, was die Zukunft bringt. An der Akazienstraße sind bald zwei neue Hochhäuser mit 30 Wohnungen und einer dringend benötigten Kindertagesstätte fertig. Und an der Annastraße nahe der Bahnlinie will die Manstein-Gruppe 150 neue Wohneinheiten bauen. Dann sprechen wir über 840 Wohnungen. Ein vernünftiges Zusammenleben kann künftig nur gelingen, wenn es flankierende Maßnahmen gibt: Spielplätze, Beratungsstellen, Treffpunkte, Hilfe bei der Integration, sozialpädagogische Begleitung. Wenn die Stadt die Baugenehmigungen für eine nicht unerhebliche Erweiterung der Siedlung erteilt, darf sie an anderer Stelle nicht knapsen. Ein umfassendes Sozialkonzept für das Quartier muss aufgelegt und umgesetzt werden. Daran sollten auch die Kirchen, die katholische und die evangelische ebenso wie die Türkisch-Islamische Gemeinde, mitarbeiten. Nur mit vereinten Kräften kann die Reichelsiedlung zu einem lebenswerten
Platz werden.
Uwe Plien
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