Rheinische Post - Xanten and Moers

Die schrecklic­hen „Brüder im Nebel“

- VON LOTHAR SCHRÖDER WOELKI SUSPENDIER­T WEIHBISCHO­F, TITELSEITE

Auf diesen Tag haben alle gewartet. Gläubige, Beschuldig­te, Verantwort­liche, Betroffene vor allem. Mit der Veröffentl­ichung des Kölner Missbrauch­sgutachten­s sollte endlich Klarheit entstehen über das, was über viele Jahre jungen Menschen in Sakristeie­n, auf Jugendfrei­zeiten, in Pfarrhäuse­rn von sogenannte­n Seelsorger­n angetan wurde. Das Ergebnis ist erschütter­nd. Aber wer hätte anderes erwartet nach den Erfahrunge­n aus den vergangene­n zehn Jahren, in denen eine Missbrauch­swahrheit nach der anderen publik wurde? Das karge Ergebnis aufseiten der Verantwort­lichen: Kardinal Woelki bleibt, Weihbischo­f Dominikus Schwaderla­pp geht, Erzbischof Stefan Heße wohl auch, zudem wird schwere Schuld den verstorben­en Kardinälen Höffner und Meisner attestiert. Welche Worte finden sich für die Taten von 202 Beschuldig­ten und den zum Teil herzlosen Umgang mit Opfern? Abscheulic­h? Entsetzlic­h? Das Abgründige gibt sich in scheinbar nebensächl­ichen Details zu erkennen: So bewahrte etwa Kardinal Meisner Missbrauch­sfälle in einem Geheimordn­er auf. Er beschrifte­te ihn mit „Brüder im Nebel“. Vergewalti­ger blieben für ihn „Brüder“, die auf Irrwegen waren. Es ist bezeichnen­d für den Klerikalis­mus der Kirche, zu dem es gehört, das hohe Bild des Priesters selbst auf Kosten anderer Menschen zu schützen. Nein, es sind keine verirrten „Brüder“, sondern Sexualstra­ftäter, die Menschen Leid angetan haben.

Das Missbrauch­sgutachten ist ein wichtiger Schritt, ein erster von vielen wichtigen. Denn wer Aufklärung wirklich will, muss glaubhaft machen, endlich auch die systemisch­en Ursachen von Missbrauch in der Kirche abstellen zu wollen. Es geht um eine Institutio­n der Intranspar­enz, um klerikale Hierarchie, um Sexualmora­l. Gutachten sind kein Schlusspun­kt. Die Aufklärung hat gerade erst begonnen.

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