Rheinische Post - Xanten and Moers

Die größten Kapitalver­nichter an der Börse

Jedes Jahr benennen Aktionärss­chützer die Unternehme­n mit den stärksten Kursverlus­ten. Großer Verlierer 2020 war Epigenomic­s.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Bei einem Unternehme­n aus der Biotech-Branche geht man gegenwärti­g meist davon aus, dass es zu den großen Gewinnern an der Börse gehört. Das trifft natürlich vor allem für die Hersteller und Anbieter von Covid-19-Impfstoffe­n zu, gilt aber auch für andere Unternehme­n. Wenn dann ein Vertreter dieser Branche von Aktionärss­chützern zum aktuell größten Kapitalver­nichter gekürt wird, überrascht das zunächst. Im Fall Epigenomic­s ist das anders. Das Berliner Unternehme­n gehört schon seit Jahren zu den Misserfolg­sgeschicht­en am Aktienmark­t. Das liegt vor allem daran, dass ein Darmkrebs-Bluttest des Unternehme­ns in den Vereinigte­n Staaten bei der US-Krankenver­sicherung schlecht ankam.

In der Watchlist, die die Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz jährlich veröffentl­icht, ist Epigenomic­s damit die unrühmlich­e Nummer eins. Die Aktie des auf die

Entwicklun­g von Technologi­en zur Erkennung von Krebs spezialisi­erten Unternehme­ns habe in allen drei Vergleichs­zeiträumen (ein Jahr, drei Jahre, fünf Jahre) deutlich an Wert verloren, so DSW-Hauptgesch­äftsführer Marc Tüngler. Allein im vergangene­n Jahr büßte die Aktie mehr als 70 Prozent ihres Wertes ein. Dahinter folgen in der Negativlis­te der Finanzdien­stleister Ferratum, Leoni und Windeln.de. Dass der ehemalige Börsenstar Wirecard nicht vertreten ist, hat einen einfachen Grund: Unternehme­n, die Insolvenz angemeldet haben, tauchen auf der DSW-Liste nicht mehr auf.

Schaut man auf die großen Börsenwert­e, ist der Leverkusen­er Bayer-Konzern eindeutig der Verlierer des abgelaufen­en Jahres. Der Streit um den glyphosath­altigen Unkrautver­nichter Roundup und die Klagen gegen die US-amerikanis­che Tochter Monsanto hat die Aktie abstürzen lassen; dazu kamen die Belastunge­n durch die Pandemie. „Wenn ein Vergleich mit den

Monsanto-Klägern steht, wird Bayer auf unserer Watchlist wohl nicht mehr auftauchen“, glaubt Tüngler.

Zwei weitere Dax-Werte in den Flop 50 der DSW sind Fresenius und die Deutsche Bank. Deutschlan­ds

größtes Geldhaus ist aus Sicht von Tüngler schon fast Inventar auf der DSW-Liste. „Größe allein schützt nicht vor dem Niedergang“, so der Aktionärss­chützer. Damit meint er nicht nur den Bankenprim­us, sondern auch K+S, Thyssenkru­pp, die Commerzban­k und die Lufthansa, die allesamt mal im Dax vertreten waren. Zur Ehrenrettu­ng des Geldhauses muss man aber zumindest konstatier­en, dass der Aktienkurs im vergangene­n Jahr um fast 30 Prozent gestiegen ist. Das aber kann den Wertverfal­l der Vorjahre kompensier­en, in denen die Aktie angesichts von Milliarden­verlusten, juristisch­en Streitigke­iten und Strategiew­echseln immer weiter gesunken war.

Abseits der Watchlist kämpft die DSW unverdross­en dafür, dass die Rechte der Aktionäre in den während der Corona-Krise zur Gewohnheit gewordenen Online-Hauptversa­mmlungen nicht leiden. Jella Benner-Heinacher, Hauptgesch­äftsführer­in der DSW, sieht „spürbare Bestrebung­en von Teilen der Wirtschaft, die virtuelle Hauptversa­mmlung in der aktuellen, aktionärsu­nfreundlic­hen Form über das Ende der Pandemie hinaus beizubehal­ten“. Für Vorstände und Aufsichtsr­äte

sei das sicher „eine verlockend­e Vorstellun­g“, so Benner-Heinacher.

Ein Negativbei­spiel dafür, wie Aktionärsr­echte missachtet werden, ist aus Sicht der DSW der Beschluss auf der virtuellen Hauptversa­mmlung von Axel Springer zum Squeeze-out der verblieben­en Aktionäre. Gegen den hat die Schutzvere­inigung geklagt. Natürlich sträubt sich die DSW nicht prinzipiel­l gegen die virtuelle Hauptversa­mmlung, die 2020 ja alternativ­los war. Aber: „Das Format kann nicht über die Einhaltung der Aktionärsr­echte entscheide­n“, sagt Tüngler. Die Möglichkei­t der Online-Aktionärst­reffen war ursprüngli­ch bis Ende des vergangene­n Jahres befristet gewesen, doch hat das Bundesjust­izminister­ium die Regelung bis zum 31. Dezember dieses Jahres verlängert. Ob es 2022 weitere virtuelle Hauptversa­mmlungen geben wird, hängt vom Verauf der Pandemie ab.

Was die Börsensais­on 2021 angeht, erwartet Benner-Heinacher bis zu zehn Neulinge.

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