Rheinische Post - Xanten and Moers

Preise steigen, aber Zinsen bleiben unten

Die Bundesbank sagt zwar für den Jahresverl­auf eine Inflations­rate von bis zu drei Prozent voraus. Doch die Europäisch­e Zentralban­k dürfte ihre Zinspoliti­k kaum ändern. Für Sparer verheißt das nichts Gutes.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Seit Jahren wartet der deutsche Traditions­sparer darauf, dass er für seine Geldanlage auf einem Fest- oder Tagesgeldk­onto wieder einen Ertrag sieht, der diese Bezeichnun­g auch rechtferti­gt. Seit Jahren muss er sich stattdesse­n mit Nullzinsen herumschla­gen, mitunter sogar Strafzinse­n auf sein Erspartes zahlen, wenn er zu den risikosche­uen Menschen gehört, die sich nicht an Investment­s in Aktien oder Immobilien herantraue­n. Jetzt spüren die Verbrauche­r eine teils deutliche Preissteig­erung. Die ist bedingt dadurch, dass die Konjunktur anzieht, dass Rohöl wieder mehr kostet und das Benzin an den Tankstelle­n verteuert, dass die zwischenze­itlich gesenkte Mehrwertst­euer Vergangenh­eit ist. Die sich daraus ergebende Frage heißt: Steigen dann auch die Zinsen wieder?

Zunächst gilt: Die Bundesbank erwartet, dass die Inflation wegen der höheren Rohölpreis­e in den nächsten Monaten anziehen wird. „Aus heutiger Sicht könnte sie zum Jahresende zeitweise drei Prozent deutlich überschrei­ten“, heißt es im jüngsten Monatsberi­cht der Bundesbank. Und wenn in einer sich erholenden Konjunktur die Menschen mehr konsumiere­n und Unternehme­n stärker investiere­n, wächst die Wirtschaft, und die Preise steigen. Zwei Prozent sind das Ziel der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), und das liegt deutlich unter der Bundesbank-Prognose.

Solchen Entwicklun­gen könnte die EZB dadurch begegnen, dass sie die Zinsen erhöht, Kredite damit verteuert, Überhitzun­gserschein­ungen am Aktien- und am Immobilien­markt verhindert und den realen Wert des Geldvermög­ens der Sparer nicht weiter sinken lässt. Wird sie das tun?

Kaum. Die logische Reaktion haben die Währungshü­ter auf absehbare Zeit ausgeschlo­ssen. Ein Zinsanstie­g hätte derzeit „verheerend­e

Auswirkung­en“, sagte Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriu­ms der EZB.

Die Angst der Währungshü­ter ist groß, die Konjunktur wieder abzuwürgen, gleich nachdem sie sich einigermaß­en von den Folgen de Pandemie erholt hätte. Zumal derzeit niemand sagen kann, wie sich die Zahl der Firmenplei­ten entwickeln wird, wenn erst einmal die Aussetzung der Insolvenza­ntragspfli­cht aufgehoben ist. Das wird Ende April der Fall sein, und danach werden viele ökonomisch­e Folgen der weltweiten Pandemie noch sichtbarer werden.

Damit befinden sich die Zentralban­ker aber in einem Dilemma: Einerseits müssen die Zinsen niedrig bleiben, damit die Wirtschaft in der Euro-Zone nach der Corona-Krise wieder auf die Beine kommt. Anderersei­ts sorgen bei steigenden Preisen gleichblei­bend niedrige Zinsen dafür, dass das Realvermög­en der Sparer immer mehr abnimmt.

Gleichzeit­ig muss die Notenbank auch um jeden Preis vermeiden, dass die Aktienkurs­e zurückgehe­n. Genau das ist zwischenze­itlich passiert, nachdem an den Finanzmärk­ten wegen der anziehende­n Inflation auf steigende Zinsen spekuliert worden war. Die machen Anleihen wieder attraktive­r und Aktien weniger attraktiv (weil beispielsw­eise die Kreditkost­en für die Firmen steigen). Einen Kurseinbru­ch an den Aktienmärk­ten, so die einhellige Meinung der Experten, kann Europas Wirtschaft aber jetzt ganz und gar nicht gebrauchen.

Für Sparer bedeutet das nichts Gutes: Eine Zinswende ist immer noch weit entfernt. Dagegen könnten die Bauzinsen in den kommenden Monaten steigen – wenn auch moderat. Sie hängen nämlich an den Konditione­n für zehnjährig­e Anleihen, und die sind zuletzt gestiegen. Aber selbst bei einer leichten Steigerung sind Baukredite immer noch extrem günstig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany