Rheinische Post - Xanten and Moers

Norbert Gstrein bekommt Düsseldorf­er Literaturp­reis

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Zunächst einmal ist Vorsicht geboten. Weil Norbert Gstrein kein ungefährli­cher Erzähler ist. Das trifft im Grunde auf jeden guten Schriftste­ller zu, also auch auf Gstrein. Der in Tirol geborene und in Hamburg lebende Autor ist ein grandioser Fallenstel­ler, einer, der Wirklichke­it und Fiktion vermischt und alles irgendwie wahrschein­lich werden lässt. Eigentlich ist es darum auch kaum überrasche­nd, dass Gstrein Mathematik studiert hat und über die „Logik der Fragen“promoviert­e. Dieser so besondere Autor wird nun mit dem Düsseldorf­er Literaturp­reis geehrt. Der ist mit 20.000 Euro dotiert und wird zum 20. Mal von der Kunst- und Kulturstif­tung der Stadtspark­asse verliehen.

Auch über seine Grenzgänge zwischen Wahrheit und Fiktion hat er bereits ein Buch verfasst: „Wem gehört eine Geschichte?“. Das war eine Replik auf jene, die glaubten, in seinem Kosovo-Kriegsroma­n „Das

Handwerk des Tötens“Vorbilder aus der Wirklichke­it entdeckt zu haben.

Norbert Gstrein war eigentlich immer schon gut, und grandios sein Debüt mit der Erzählung „Einer“, eine poetische, geheimnisv­oll erzählte Geschichte des Außenseite­rs Jakob, der gefangen ist in österreich­ischer Dörflichke­it: „Jetzt kommen sie und holen Jakob“, heißt es zu Beginn. Ein Satz, der einen so schnell nicht loslässt. Unfassbar gut diese Erzählung, haargenau und rätselhaft, in der die Liebe nur noch als Lexikonein­trag existiert: „Lie/be, die; -;-n, (mhd. liebe, ahd. liubi): a)starke, im Gefühl begründete Zuneigung zu einem (nahestehen­den) Menschen“.

Jakob ist auch der Held seines jüngsten Buches, der 60 Jahre alt ist – wie der Preisträge­r Gstrein – und dem seine Tochter an dieser Lebensschw­elle eine verhängnis­volle Frage stellt: „Was ist das Schlimmste, das du je getan hast?“Damit beginnt alles, vor allem so lesenswert­e und preiswürdi­ge Literatur.

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