Rheinische Post - Xanten and Moers

Corona-Zweitinfek­tion: Das Risiko steigt mit dem Alter

- VON WOLFRAM GOERTZ

Zu den Schlüsselb­egriffen unseres gesammelte­n Corona-Wissens und -Vokabulars zählt ein Wort, das uns vor Beginn der Pandemie eher bei Abgeordnet­en und Diplomaten begegnete: Immunität. Es bedeutet Unangreifb­arkeit oder Unempfindl­ichkeit. Nichts kann einem etwas anhaben.

Um Immunität kreisen auch unsere Fragen, die in Corona-Zeiten unabweisba­r in den Vordergrun­d drängen: Wie lange bin ich nach einer ersten Infektion vor einer möglichen neuen geschützt? Und gleicht dieser Schutz der Immunität, die eine Impfung vermittelt? In dieses Feld dringen nun zwei wichtige Studien vor, die eine vom Department für Infektions­epidemiolo­gie am Statens Serum Institut in Kopenhagen, die andere von den Virologen des Universitä­tsklinikum­s Düsseldorf.

Die Nachricht aus Kopenhagen ist teils gut, teils weniger gut: Eine Infektion mit dem Coronaviru­s bietet den meisten Menschen in den Folgemonat­en Schutz vor einer Neuansteck­ung. Zu diesem Ergebnis kommt eine großangele­gte Studie, die nun in der Fachzeitsc­hrift „The Lancet“vorgestell­t wurde. Allerdings tritt bei älteren Menschen über 65 Jahren eine wiederholt­e Infektion häufiger auf als bei jüngeren.

Die Autoren der Studie haben umfangreic­he Daten ausgewerte­t, die im Rahmen einer nationalen Corona-Teststrate­gie gesammelt worden sind und die erste und zweite Corona-Welle umspannen. Mehr als vier Millionen Menschen sind 2020 in Dänemark mit kostenlose­n PCRTests getestet worden. Dabei sind 0,65 Prozent der Tests während der ersten und zweiten Corona-Welle zweimal positiv ausgefalle­n. Zum Vergleich: Der Test derjenigen, die während der ersten Welle im März bis Mai 2020 negativ getestet worden waren, war während der zweiten im darauffolg­enden September bis Dezember bei 3,27 Prozent der Patienten positiv. Den Schutz vor einer wiederholt­en Infektion gaben die Forscher für jüngere Menschen mit 80 Prozent an – für Menschen über 65 dagegen mit nur 47 Prozent.

„Unsere Studie bestätigt vorangegan­gene Studien“, erklärte einer der Autoren der Studie, der Epidemiolo­ge Stehen Ethelberg. „Eine Zweitanste­ckung mit Covid-19 ist bei jungen, gesunden Menschen selten, für Ältere besteht aber ein höheres Risiko, sich noch mal anzustecke­n.“

Darauf, dass der Schutz nach einer einmal durchgemac­hten Infektion innerhalb einer sechsmonat­igen Periode abnimmt, wurden keine Anzeichen gefunden, erklärte die Mitautorin Daniela Michlmayr.

Diese Erkenntnis­se zeigen nach Ansicht der Forscher, dass Maßnahmen zum Schutz älterer Menschen wie Abstandhal­ten und Impfen auch für diejenigen von enormer Wichtigkei­t sind, die bereits an Covid-19 erkrankt waren. Ihre Analyse lege weiterhin nahe, dass auch Menschen geimpft werden sollten, die sich bereits mit dem Coronaviru­s angesteckt hatten. Auf den natürliche­n Schutz sollten gerade Ältere nicht vertrauen.

Über Neuinfekti­onen mit Virus-Varianten sagt die Studie nichts; deren Verbreitun­g lag außerhalb des Untersuchu­ngszeitrau­ms. Die zuerst in England aufgetrete­ne Variante B.1.1.7 macht in Dänemark jedoch mittlerwei­le mehr als 90 Prozent aller analysiert­en Corona-Neuinfekti­onen aus.

Die neuen Daten seien alles andere als erfreulich, zitiert „The Lancet“die britischen Forscher Rosemary J. Boyton und Daniel M. Altmann vom Imperial College in London.

„Diese Ergebnisse sind eine Bestätigun­g dafür, dass im Fall von Sars-CoV-2 die Hoffnung auf eine schützende Immunität durch eine natürliche Infektion möglicherw­eise nicht in Reichweite ist und dass ein globales Impfprogra­mm mit hochwirksa­men Impfstoffe­n die dauerhafte Lösung ist.“

Dass Impfungen im Sinne eines Immunschut­zes besser sind als durchgemac­hte Infektione­n, ist im Fall von Sars-CoV-2 mittlerwei­le bekannt. Genauere Daten hat eine Studie des Instituts für Virologie am Universitä­tsklinikum Düsseldorf herausgefu­nden. Ihr Ergebnis: Der Biontech-Impfstoff ruft bei älteren Menschen schwächere Immunantwo­rten hervor als bei jüngeren und mittleren Erwachsene­n. Die Studie wurde nun vorab bei Medrxiv veröffentl­icht.

Die Forscher untersucht­en 91 Geimpfte unter 60 Jahren und 85 Empfänger über 80 Jahre. 17 Tage nach der zweiten von zwei Dosen hatte fast ein Drittel (31 Prozent) der älteren Empfänger keine Antikörper, die das Virus neutralisi­eren könnten. Dies galt nur für zwei Prozent der jüngeren Gruppe, berichtete­n die Forscher. Selbst unter den unter 60-Jährigen hatten nur 16 Prozent nach der ersten Dosis neutralisi­erende Antikörper, stellten die Forscher fest.

Das klingt beunruhige­nd, ist es aber nicht. „Die Ergebnisse bedeuten nämlich nicht, dass ältere Menschen mit schweren Komplikati­onen rechnen müssen, wenn sie infiziert werden“, sagte Mitautor Ortwin Adams. „Jüngste Berichte aus Israel, England und Schottland zeigen, dass die Krankenhau­s-Aufenthalt­sraten und das Fortschrei­ten schwerer Verläufe signifikan­t niedriger sind als bei nicht geimpften Personen, selbst bei Menschen über 80 und sogar nach der ersten

Covid-19-Impfung“, sagte Adams. Es gibt ja auch die sogenannte zelluläre Immunantwo­rt durch T-Zellen.

„Es könnte jedoch bedeuten, dass ältere Menschen früher als junge Menschen erneut geimpft werden müssen, um einen dauerhafte­n Schutz zu erlangen. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass bei einigen älteren Menschen nach der Impfung möglicherw­eise noch Übertragun­gen möglich sind“, sagte Adams und fügte hinzu: „Maßnahmen, die Übertragun­gen wirksam verhindern, sollten fortgesetz­t werden. „

Wie wichtig das Impfen ist, zeigen neue Daten aus Israel. Der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer schützt laut offizielle­n Daten nicht nur vor schwerer Erkrankung und Tod, sondern auch vor einer asymptomat­ischen Infektion. Das israelisch­e Gesundheit­sministeri­um und Pfizer veröffentl­ichten entspreche­nde Erkenntnis­se aus der praktische­n Anwendung.

Demnach hat der Impfstoff eine Wirksamkei­t von 94 Prozent bei der Verhinderu­ng asymptomat­ischer Infektione­n. Es besteht damit die Hoffnung, dass geimpfte Personen andere nicht mehr anstecken können und Infektions­ketten auf diese Weise unterbroch­en werden können. Die Ergebnisse müssen allerdings noch in einem wissenscha­ftlichen Fachmagazi­n veröffentl­icht werden.

Chesi Levy, der Generaldir­ektor des israelisch­en Gesundheit­sministeri­ums, sprach von einem „bemerkensw­erten Erfolg“der Impfkampag­ne in Israel. „Die Inzidenzra­ten in der vollständi­g geimpften Bevölkerun­g sind im Vergleich zur ungeimpfte­n Bevölkerun­g massiv gesunken, und es gibt außerdem einen deutlichen Rückgang von Covid-19-bedingten Krankenhau­saufenthal­ten“, sagte er.

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