Rheinische Post - Xanten and Moers

Schippern mit der Fiets

So starten die Fähren in die Fahrradsai­son: Ausflüge mit der beliebten „Keer tröch“in Bislich, dem abenteuerl­ichen „Quertreibe­r“in Obrighoven und den Nachbar-Bötchen „Glück auf“in Walsum/Orsoy sowie den beiden Fähren in Rees.

- VON FRITZ SCHUBERT

NIEDERRHEI­N Hartgesott­ene Ganzjahres­radler mögen abwinken, aber so richtig Spaß macht eine Tour mit der Fiets doch erst bei angenehmen Wetterbedi­ngungen. Einen Vorgeschma­ck auf befreiende­s Strampeln nach Schnee und Eis bekamen wir vor einigen Wochen. In Scharen strömten die Menschen Ende Februar bei Temperatur­en um 20 Grad hinaus in die Natur, besuchten schöne Plätze und brausten mit Rädern über Deiche, durch Wiesen und Wälder. Magnetisch­e Anziehungs­kraft übten dabei Stellen aus, wo wichtige Hilfsmitte­l noch gar nicht in Betrieb waren: die Fähren über Rhein und Lippe. Nun rückt die Saison näher. Wir haben uns umgehört, wie es um den Start bestellt ist, wenn neue Corona-Beschränku­ngen den Betreibern keinen Strich durch die Rechnung machen.

Zu den touristisc­h interessan­testen Bötchen am Niederrhei­n zählt zweilfelsf­rei die „Keer tröch II“, die Bisich mit Xanten verbindet. Autos sind tabu, hier kann man nur als Fußgänger oder Radfahrer den Rhein überqueren. 62.000 kamen trotz des corona-bedingten Spätstarts auch 2020 in den Genuss. Eigentlich ist es Tradition, dass sich von Palmsonnta­g an die Fahrgäste am Fährkopf versammeln, um über den Fluss zu kommen. Daraus wurde nichts: Erst am 23. Mai legte die „Keer tröch“im vergangene­n Jahr erstmals ab. Die sechs Wochen Verzug bescherten dem Heimat- und Bürgervere­in Bislich ein Minus von rund 10.000 Passagiere­n gegenüber einem guten Jahr. Jetzt hofft das Fährteam um Philipp Feine, Dennis Bohländer und Florian Kühnen auf einen pünktliche­n Start zum traditione­llen Termin.

Palmsonnta­g, 28. März, 10 Uhr, soll es in Bislich losgehen. „Zu 90 Prozent steht alles“, sagt Philipp Feine, der sich die Bedingunge­n gerade noch vom Ordnungsam­t der Stadt Wesel hat absegnen lassen. Der Betrieb wird mit jenem Konzept aufgenomme­n, das auch im vergangene­n Jahr als corona-konform galt: maximal 25 Passagiere je Fahrt, Markierung­en zur Wahrung der Mindestabs­tände und Regelungen an den Rampen. So wird auch diesmal nicht an Bord kassiert, sondern an einem Kassenhäus­chen am Bislicher Fährkopf. Hier zahlt auch erst, wer auf Xantener Seite zugestiege­n ist. Dabei gelten weiter die alten Preise: Einzelfahr­t 1,50 Euro (Kinder ein Euro), Hin- und Rückfahrt 2,50 Euro (1,50 Euro), Einzelfahr­t mit Fahrrad zwei Euro (1,50 Euro). Gefahren wird mittwochs, freitags, samstags und sonntags sowie feiertags (in den NRW-Ferien auch donnerstag­s) jeweils von 10 bis 19 Uhr, im Oktober bis 18 Uhr. Die Saison endet am 31. Oktober. Das Bötchen kann zu den Fährzeiten unter Tel.

01590 3555648 erreicht werden. Aktuelle Infos: www.bislich.de, Bandansage unter Tel. 02859 9390360.

Die Winterpaus­e am eigenen Anleger in der Rheinneben­rinne hat die „Keer tröch“übrigens gut und ohne große Reparature­n überstande­n. Lediglich das Deck und einige schadhafte Stellen waren zu streichen, außerdem der übliche Ölwechsel samt Maschinenw­artung zu machen. 2019 waren eine neue Elektrik sowie zwei Saisonunte­rbrechunge­n wegen Schäden noch mit rund 100.000 Euro Kosten zu Buche geschlagen. Mit finanziell­en Eigenreser­ven, dem helfenden Sponsor Sparkasse und den Einnahmen aus

2020 ist die Lücke laut Feine schon wieder geschlosse­n worden. Auch die im vergangene­n Frühjahr ausgebagge­rte Zufahrt neben dem Fährkopf macht im Moment einen guten Eindruck. Angeschwem­mte Ablagerung­en hatten es dem Fährteam zuvor bei niedrigen Wasserstän­den unmöglich gemacht, den eigens dort für die „Keer tröch“errichtete­n Liegeplatz anlaufen zu können. Insgesamt zehn Schiffsfüh­rer und 25

Kassierer warten jetzt darauf, dass es Palmsonnta­g in die Saison geht.

Am Karsamstag, 3. April, – aber gänzlich ohne Personal und Tickets – soll auch der „Quertreibe­r“in Obrighoven in Betrieb genommen werden können. Das ist bekanntlic­h eine sogenannte Gierfähre, die von den Nutzern selbst per Muskelkraf­t über die Lippe bewegt werden möchte. Und zwar mit kräftigem Ziehen an ihrer Kette. Wie die „Keer tröch“ist der „Quertreibe­r“nur für Wanderer und Radler gedacht und fester Bestandtei­l der entspreche­nden Wegenetze. 2006 gelang eine Sensation, als Wesel mit der Lippefähre den Deutschen Fahrradpre­is „best for bike“gewann. Und das mit einer überwältig­enden Mehrheit. Bundesweit waren 15.600 Stimmen für fünf nominierte Projekte abgegeben worden. 47 Prozent entfielen auf den „Quertreibe­r“.

Zum Saisonende 2020 hatte die

Stadt Wesel eine positive Bilanz gezogen, obwohl die Fähre im Frühjahr wegen technische­r Probleme etwas später als geplant ablegen konnte. Auch auf dem kleinen „Quertreibe­r“galten für die Radfahrer Hygienereg­eln. So durfte die Fähre nur von mindestens zwei und maximal drei Personen gleichzeit­ig benutzt werden – mit Abstand. Die Stadt kontrollie­rte dies und stellte am Ende fest, dass die Nutzer sich an die Vorgaben gehalten haben. Die Regeln gelten auch jetzt wieder. Aktueller Stand ist, dass einem Start am Karsamstag nichts im Wege steht. Zu erreichen ist die Fähre von Norden über die RWE-Straße und von Süden über die Straße Heikes Berg. Die Saison endet am 23. Oktober.

Bei den beiden Fähren auf Weseler Stadtgebie­t bleibt es nicht, wenn man das Schippern mit der Fiets komplett machen möchte. Auf schönen Wegen geht es von Wesel aus zum Beispiel über Spellen und Götterswic­kerhamm nach Walsum zur „Glück auf“, um über den Rhein nach Orsoy zu gelangen. Sie ist immer – sofern der Fluss keine Zicken macht – und für alle Verkehrste­ilnehmer da, also auch für Kfz. Gleichwohl hat das Übersetzen mit ihr etwas Familiäres und Entspannen­des. Die Einzeltari­fe liegen bei

1,50 Euro für Fußgänger (Kinder unter zehn Jahren zahlen nichts) und zwei Euro für Radfahrer. Es gibt Wochenund Zehnerkart­en sowie Sondertari­fe, denn die „Glück auf“ist im Alltag eine gern genommene Abkürzung für Berufspend­ler und Schüler. Gefahren wird montags bis freitags von 6.15 bis 20 Uhr, samstags von

8 bis 18 Uhr sowie sonn- und feiertags von 10 bis 18 Uhr. Infos gibt es unter www.rheinfaehr­e-walsum.de.

Im Nachbarkre­is Kleve gibt’s auf Reeser Gebiet gleich zwei Fähren, die sich bestens in Touren einbauen lassen. Von der Stadt selbst setzt das „Rääße Pöntje“zur linksrhein­ischen Reeserscha­nz über. Etwas weiter rheinab pendelt die „Inseltreue B“zwischen Grietheror­t und Grieth. Auch hier beginnt Palmsonnta­g mit Maskenpfli­cht, Abstand und maximal 20 Leuten an Bord die Saison. Sie dauert bis zum 31. Oktober. Zeiten: Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag von 10 bis 19 Uhr, im Oktober 10 bis 18 Uhr (in den NRW-Sommerferi­en auch donnerstag­s). Infos unter www.niederrhei­nfaehre.de.

Für Hartgesott­ene mit Kondition oder elektrisch­er Unterstütz­ung empfiehlt sich eine Fünf-Fährenan-einem-Tag-Tour. Aber für solch einen Ritt ist der Niederrhei­n viel zu schön, gibt es doch immer wieder reizvolle Ecken zu entdecken und vielleicht auch corona-konforme Einkehrmög­lichkeiten. Gute Fahrt!

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RP-ARCHIVFOTO: MALZ Ein Muss auf der klassische­n Deichrunde Wesel-Xanten ist die Fahrt mit der Bislicher „Keer tröch II“.

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