Rheinische Post - Xanten and Moers

Über 70-Jährige werden nach Ostern geimpft

Ab dem 8. April immunisier­en die 53 Zentren in Nordrhein-Westfalen die nächste Altersgrup­pe. Die Termine werden jahrgangsw­eise freigescha­ltet. Ab sofort können chronisch Kranke drankommen, wenn die Impfzentre­n etwas übrig haben.

- VON JAN DREBES, ANTJE HÖNING UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Impfkampag­ne in Nordrhein-Westfalen nimmt Fahrt auf: Nach Ostern wird die nächste Gruppe einbezogen. Dann können auch über 70-Jährige einen Termin im Impfzentru­m vereinbare­n, wie Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) mitteilte. Betroffen sind 1,6 Millionen Bürgerinne­n und Bürger. Um ein Chaos wie bei der Terminverg­abe für die über 80-Jährigen zu verhindern, werden die Termine jahrgangsw­eise freigescha­ltet.

Ab Dienstag, 6. April können die 79-Jährigen online (unter

www.116117.de) oder telefonisc­h unter 116 117 einen Termin für sich und ihren Partner machen. Sobald es mehr Impfstoff gibt, werden die weiteren Jahrgänge eingeladen. Die Impfungen selbst starten am

8. April. Die über 70-Jährigen erhalten das Mittel von Biontech/Pfizer.

Der Vorsitzend­e der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch, begrüßte die gestaffelt­e Anmeldung:

„Ein kleinteili­geres Vorgehen ist sinnvoll, denn jetzt müssen weitaus mehr Personen ein Impfangebo­t erhalten“, sagte Brysch unserer Redaktion. Das Chaos der ersten Monate dürfe sich nicht wiederhole­n. Jedoch fehle noch immer ein verbindlic­hes Prozedere, wie die zwei Vertrauten von Pflegebedü­rftigen erreicht werden. „Sie kümmern sich darum, dass Pflege zu Hause möglich ist. Deshalb braucht es eine klare Regelung über Impfberech­tigungssch­eine, die allein der Pflegebedü­rftige verteilen darf.“

Bereits ab sofort gibt das Land den Impfzentre­n mehr Flexibilit­ät. Sie können Dosen, die sie nicht für die Älteren oder für Lehrer, Erzieher und Polizisten benötigen, nun auch an andere Menschen geben, die in der Priorisier­ungsgruppe zwei der Impfverord­nung erfasst sind. Dazu zählen insbesonde­re Menschen mit einer Vorerkrank­ung wie Diabetes, chronische­r Nieren-, Lungen- oder akuter Krebserkra­nkung. „Das Land reagiert schnell und unbürokrat­isch auf die Meldung zahlreiche­r Kommunen,

dass sie freie Terminkapa­zitäten haben. Wir stellen hiermit klar: Die Kommunen haben die Beinfreihe­it, vorhandene Impfkapazi­täten auch zu nutzen“, sagte Laumann.

Anders als die über 70-Jährigen werden Menschen mit Vorerkrank­ung nicht über die zentrale Hotline vermittelt. Deren Termine sollen die Kommunen laut Kassenärzt­licher

Vereinigun­g Nordrhein (KV) in Eigenregie organisier­en. Zudem können die vorerkrank­ten Menschen ab dem 6. April von ihrem Hausarzt geimpft werden. Allerdings haben die Praxen zunächst nur 20 Dosen pro Woche zur Verfügung; die Ärzte gehen auf betroffene Patienten zu.

Die NRW-Grünen begrüßten Laumanns Initiative. Es sei in Ordnung, dass man die Reihenfolg­e flexibilis­iere, sagte Mehrdad Mostofizad­eh, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Fraktion. „Man hätte sich aber vieles ersparen können, indem man schon vorher deutlich besser geplant hätte. Nicht jede Region hat die gleiche Anzahl von Impfberech­tigten. Da hätte man viel eher umverteile­n müssen.“Das Grundprobl­em bleibe der Mangel an Impfstoff. „Am Ende rennen wir einfach immer noch hinterher.“

Im Mai sollen die Lieferunge­n deutlich zunehmen. Die Industrieu­nd Handelskam­mer Düsseldorf ruft große Unternehme­n auf, sich jetzt schon vorzuberei­ten, damit die Betriebsär­zte die Belegschaf­ten impfen können. „Wenn ausreichen­d

Impfstoff verfügbar ist, müssen innerbetri­ebliche Impfpläne sofort greifen können“, sagte Hauptgesch­äftsführer Gregor Berghausen.

Noch aber regiert der Mangel. Der Streit um die Verteilung des Impfstoffs beherrscht­e auch den EU-Gipfel am Donnerstag. Österreich hat sich mit Tschechien, Slowenien, Bulgarien, Kroatien und Lettland über eine Benachteil­igung bei der Belieferun­g beschwert und fordert einen Ausgleich. Umso größer ist der Ärger über den überrasche­nden Fund von 29 Millionen Astrazenec­a-Dosen in einer Fabrik in Italien. „Es ist schon absurd: Europa dürstet nach Impfstoff, und in Italien liegen Millionen Dosen im Lager, an andere impfstoffp­roduzieren­de Länder werden knapp zehn Millionen Dosen im Monat exportiert – und wir müssen unsere Bevölkerun­g vertrösten“, kritisiert­e Frank Ulrich Montgomery, der Chef des Weltärzteb­undes. Das könne man nicht mehr als kluge Politik darstellen.

Leitartike­l, Nordrhein-Westfalen, Politik

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