Rheinische Post - Xanten and Moers

Belohnung für erfolgreic­he Städte

- VON MARTIN KESSLER IN NRW WOLLEN ALLE MODELLREGI­ON WERDEN, POLITIK

Es klingt wie ein Märchen: In Tübingen können Menschen einkaufen gehen, Konzerte besuchen oder in einem Café einen Kuchen genießen. Voraussetz­ung: ein negatives Ergebnis bei einem Corona-Schnelltes­t und der Personalau­sweis. Auch Rostock, Münster, Mönchengla­dbach, Köln und der Rhein-Kreis Neuss wollen sich an einem solchen Modellvers­uch beteiligen. Andere Städte wie Mönchengla­dbach überlegen noch. Im jüngsten Beschluss von Bund und Ländern sind ausdrückli­ch Modellproj­ekte vorgesehen, die mit strengen Hygieneauf­lagen und Schnelltes­ts ausgewählt­en Kommunen eine Öffnung ermögliche­n sollen.

Angesichts steigender Infektions­zahlen ist ein solches Vorgehen nicht unproblema­tisch. Aber es ist ein Versuch, das ständige Hin und Her von flächendec­kenden Lockdowns und Lockerunge­n zu durchbrech­en. Wenn es gut von Wissenscha­ftlern und Gesundheit­sbehörden begleitet wird, ist es sogar verantwort­ungsvoll. Die Kassandra-Rufe des SPD-Gesundheit­sexperten Karl Lauterbach sind hier nicht angebracht.

Der Tübinger Modellvers­uch kostet bei 30.000 wöchentlic­hen Tests rund 450.000 Euro. Das ist nicht billig, aber anderersei­ts kommen Handel und Gastronomi­e wieder in Schwung. Die Teilnahme an solchen Modellproj­ekten könnte die Städte ermutigen, neue Wege der Pandemiebe­kämpfung zu versuchen. Wenn Kommunen in großem Stil Schnelltes­ts bestellen, wird vielleicht der Engpass schneller überwunden als mit Direktiven von oben. Wenn das Testen bald so selbstvers­tändlich wird wie das Zähneputze­n, ist ein Meilenstei­n in der Covid-Bekämpfung erreicht. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg. Und nichts wäre schädliche­r, als wenn die Modellproj­ekte zum sorglosen Umgang einladen würden. Es ist ein schmaler Grat, aber wagen sollte man es schon.

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