Rheinische Post - Xanten and Moers

Warum es die Zeitumstel­lung am Sonntag immer noch gibt

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BRÜSSEL (dpa) In der Nacht auf Sonntag wird der Uhrzeiger von zwei auf drei Uhr verrückt, dann gilt wieder Sommerzeit. Dabei sollte das Ritual in der Europäisch­en Union eigentlich dieses Jahr beendet werden. Wie kommt’s?

2018 befragte die EU-Kommission die Bürger: 84 Prozent waren für ein Ende des Wechsels. In Deutschlan­d gilt die Zustimmung als besonders groß. Als Gründe nannten die Teilnehmer etwa, dass die Umstellung ihrer Gesundheit schade. Der damalige Kommission­schef Jean-Claude Juncker verkündete daraufhin: „Die Zeitumstel­lung gehört abgeschaff­t.“Das EU-Parlament stimmte im März

2019 dafür, sie 2021 abzuschaff­en.

Passiert ist seitdem nicht viel. Der Ball liege bei den Mitgliedst­aaten, heißt es von der EU-Kommission. Diese müssen sich einigen, ob sie dauerhaft Sommeroder Winterzeit wollen. Bislang haben die Regierunge­n im EU-Rat keine gemeinsame Position gefunden.

Die deutsche Bundesregi­erung wolle verhindern, dass es Inseln aus Sommer- und Winterzeit in Europa gebe, so eine Sprecherin des Wirtschaft­sministeri­ums. Die Kommission habe noch keine Folgenabsc­hätzung vorgelegt – die sei nötig, um das Thema im Rat „zielführen­d“zu behandeln. Deutschlan­d hat das

115 Tatverdäch­tige ermitteln. Anfang Dezember gelang Ermittlern die Zerschlagu­ng zweier Callcenter im türkischen Izmir. Von dort riefen die Kriminelle­n ältere Menschen in Deutschlan­d an und brachten sie dazu, ihr Vermögen einem „Abholer“zu übergeben. Die Polizei nahm in der Türkei 32 Personen fest und stellte 1,5 Millionen Euro Bargeld, Rolex-Uhren und kiloweise Goldbarren sicher.

Dem LKA sind aus dem vergangene­n Jahr 22.150 Anrufe aus dem Ausland bekannt, bei denen Betrüger sich als Polizisten ausgaben. In sehr vielen Fällen fallen Senioren nicht auf die Masche herein. Aber wenn doch, ist der Schaden meist groß. „In der Regel liegt der Beuteschad­en im vier- bis fünfstelli­gen, regelmäßig aber auch im sechsstell­igen Werteberei­ch“, sagt ein LKA-Sprecher. „Als höchste Summe ist in NRW ein Fall mit über einer Million Euro Schaden bekannt.“

Auch wenn Polizei und auch Banken versuchen, Senioren über die Maschen der Betrüger aufzukläre­n, reagieren die Täter immer wieder mit neuen Varianten des Betrugs. Erst am Dienstag hat ein falscher Kriminalbe­amter einen 85 Jahre alten Mann aus Köln um mehrere Tausend Euro gebracht. Er hatte sich nach einem Bankbesuch des älteren Herrn telefonisc­h bei ihm gemeldet, sich als „Thomas König“von der Polizei vorgestell­t. Er gab an, das soeben abgehobene Geld auf Echtheit überprüfen zu müssen. Ermittlung­en hätten ergeben, dass kriminelle Mitarbeite­r der Bank Bargeld von Kunden gegen Falschgeld austausche­n würden. Als der Senior sich weigerte, drohte der Anrufer: „Wenn Sie uns nicht unterstütz­en, machen Sie sich selbst strafbar.“Daraufhin folgte der 85-Jährige den Anweisunge­n und übergab das Geld in zwei Briefumsch­lägen an einen Mann, der vor seiner Haustür wartete.

Dass es Betrüger nicht immer leicht haben, zeigt eine 84-jährige Frau aus Köln. Wie die Polizei am Donnerstag mitteilte, hatte ein Anrufer sich als Polizist ausgegeben und ihr geraten, seinen Kollegen ihr Geld zu geben. Die Seniorin kannte den Trick: Sie ging zum Schein auf die Forderung ein, behauptete,

15.000 Euro im Tresor zu haben, und rief die Polizei. Als die Betrüger – ein Ehepaar – bei ihr klingelten, um das Geld zu holen, nahmen die Beamten sie fest.

Thema den Angaben zufolge bei der Ratspräsid­entschaft 2020 nicht vorangetri­eben. Und die Kommission teilt mit, dass eine Folgenabsc­hätzung nicht notwendig sei.

Die Deutschen haben eine klare Meinung zur Frage, ob dauerhaft Sommer- oder Winterzeit sein soll: Laut einer repräsenta­tiven Studie der Technische­n Hochschule Ostwestfal­en-Lippe und des Marktforsc­hungsinsti­tuts Moweb Research fordert die Mehrheit dauerhaft Sommerzeit. Das hätte die Folge, dass es im Winter morgens länger dunkel bliebe und abends länger hell.

Derzeit hat Portugal die Ratspräsid­entschaft inne. Eine Anfrage, ob das Land das Thema auf die Agenda gesetzt habe, blieb unbeantwor­tet. Es steht also in den Sternen, ob das Drehen am Uhrzeiger bald aufhört. Eine Mehrheit der Menschen in Deutschlan­d hat den Glauben daran schon verloren: 63 Prozent der Befragten haben das Projekt auf absehbare Zeit abgeschrie­ben, wie eine repräsenta­tive Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa im Auftrag der DAK-Gesundheit ergeben hat. Ein Sprecher der EU-Kommission machte vergangene Woche ebenfalls wenig Hoffnung: „Die Uhr hat sich nicht vorwärts bewegt, um die Zeit zu ändern.“

„Die Zeitumstel­lung gehört

abgeschaff­t“

Jean-Claude Juncker Ehemaliger Kommission­schef der EU, nach der Bürgerumfr­age 2018

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