Rheinische Post - Xanten and Moers
Flexibel, aber teurer
Der Flextarif der Bahn sollte die Auslastung besser steuern, etwa vor Feiertagen. Verbraucherschützer sehen eine stille Preiserhöhung.
DÜSSELDORF Am Mittwoch vor Ostern kostet die Zugfahrt mit dem ICE der Deutschen Bahn (DB) in der zweiten Klasse und ohne Bahncard-Ermäßigung von Köln nach Berlin 103,10 Euro. Einen Tag später, am Gründonnerstag, zahlt man für die gleiche Strecke zur gleichen Zeit 127 Euro – das sind rund 23 Prozent mehr. Zumindest wenn man den Flexpreis wählt, der als Standardpreis ohne feste Zugbuchung vor gut drei Jahren eingeführt wurde. Er steht seitdem anstelle des Normalpreises. Der Reisende muss sich in diesem Tarifmodell für einen Abreisetag entscheiden, die Uhrzeit jedoch kann er frei wählen. Zuvor war er bei der Wahl des Tages freier.
Grundsätzlich gibt der Flexpreis immer noch eine Art Normalpreis auf einer bestimmten Strecke an, kann aber zu bestimmten Anlässen angehoben oder reduziert werden. Laut DB sollte das helfen, die Auslastung der Züge zu steuern. Weil die Erfahrung zeigt, dass am Gründonnerstag – wenn gerade keine Pandemie ist – viele Menschen reisen, kostet das Ticket dann mehr, um überfüllte Bahnen zu vermeiden. Umgekehrt liegt das Preisniveau an anderen Tagen gezielt niedriger, um Reisende in die ansonsten leeren Züge zu locken.
Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert diese Auslastungssteuerung. Eine Analyse des Vereins mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen hat ergeben, dass der Flexpreis regelmäßig freitags und sonntags erhöht ist gegenüber einem über die Zeit gewichteten üblichen Preis. Etwas günstiger ist das Ticket in der Regel nur samstags. Und zwar nicht nur an Feiertagswochenenden. „Für uns ist der Flexpreis eine stille Preiserhöhung, eine Ausschöpfungsstrategie der Bahn“, sagt Lukas Iffländer, Vizevorsitzender von Pro Bahn. Besonders betroffen seien Wochenendpendler. Hinzu kommt: Weil sehr viele Menschen gerade an den teuren Ecktagen der Woche pendeln müssen, bringt die Preiserhöhung der Bahn mehr, als sie durch eine Senkung der Tarife an anderen Tagen verliert.
Den Vorwurf, damit die Preise indirekt anzuheben, weist die DB zurück. „Die Höhe der Preise orientiert sich an der Nachfrage. Diese ist tendenziell freitags und sonntags höher als an anderen Wochentagen“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. Bei der Bahn seien „die Preise nicht gestiegen, sondern gesunken“. Allerdings nicht bezogen auf den Flexpreis, sondern auf alle Modelle, womit speziell die Möglichkeit gemeint ist, durch die Entscheidung für eine fixe Uhrzeit besonders viel zu sparen (Sparpreis und Super-Sparpreis, der aber kein Storno erlaubt).
Bei der Einführung des Flexpreises
sollten Erhöhungen gegenüber dem Normalpreis eigentlich nur begrenzt stattfinden. Über die Zeit hat die Bahn aber auf vielen Strecken und zu vielen Zeiten den Preis angepasst. Tatsächlich variieren die Tarife nicht nur in der Osterwoche, sondern auch danach. Köln–Berlin kostet am Freitag, 9. April, und eine Woche später 124,30 Euro, am Sonntag, 11. April, sogar 130 Euro, während der Normalpreis in dieser Woche von Montag bis Donnerstag bei 114 Euro liegt. Am Samstag, 17. April, kann man für 108,30 Euro in die Hauptstadt fahren.
Laut Pro Bahn sind diese Schwankungen nicht durch hohe Auslastung erklärbar – die Züge seien derzeit ohnehin leer. Das liegt aber auch daran, dass der Flexpreis nicht spontan angepasst wird. Er wird zu Beginn des Jahres für das Jahr festgelegt. Dass wegen Corona jetzt deutlich weniger Menschen Bahn fahren, konnte das Unternehmen damals noch nicht sicher wissen.
Pro Bahn kritisiert aber auch, dass die Entlastungen an den Samstagen fast immer geringer sind als die Erhöhungen an den anderen Tagen.
Die DB nutze es aus, dass Pendler zu schlecht informiert würden. „Die Kunden können überhaupt nicht sehen, dass ein Preis höher ist als an anderen Tagen“, so Iffländer, „wieso sollten sie sich dann für einen anderen Zug entscheiden?“Auf der Website werde nicht ausgezeichnet, wie stark der ausgewählte Preis vom Normalpreis abweiche. Es werde nur der Preis für eine bestimmte Strecke an einem bestimmten Tag angezeigt. So könne sich die Steuerungswirkung des Flexpreises nicht entfalten, sagt Iffländer. Er würde sich wünschen, dass die Bahn ihre Preisinformationen transparenter gestalten würde – etwa so wie beim Sparpreisfinder üblich. Dort kann man sich für ausgewählte Zeiträume die günstigsten Tickets anzeigen lassen.
Die Bahn verspricht Besserung: „Wir arbeiten auch in diesem Punkt an einer noch übersichtlicheren Darstellung.“Zudem gelte: Private Urlaubsreisende würden sich besonders oft auf feste Uhrzeiten festlegen und so besonders viel sparen. Und Wochenendpendler hätten sowieso meistens eine Bahncard.