Rheinische Post - Xanten and Moers

Flexibel, aber teurer

Der Flextarif der Bahn sollte die Auslastung besser steuern, etwa vor Feiertagen. Verbrauche­rschützer sehen eine stille Preiserhöh­ung.

- VON MARIO BÜSCHER

DÜSSELDORF Am Mittwoch vor Ostern kostet die Zugfahrt mit dem ICE der Deutschen Bahn (DB) in der zweiten Klasse und ohne Bahncard-Ermäßigung von Köln nach Berlin 103,10 Euro. Einen Tag später, am Gründonner­stag, zahlt man für die gleiche Strecke zur gleichen Zeit 127 Euro – das sind rund 23 Prozent mehr. Zumindest wenn man den Flexpreis wählt, der als Standardpr­eis ohne feste Zugbuchung vor gut drei Jahren eingeführt wurde. Er steht seitdem anstelle des Normalprei­ses. Der Reisende muss sich in diesem Tarifmodel­l für einen Abreisetag entscheide­n, die Uhrzeit jedoch kann er frei wählen. Zuvor war er bei der Wahl des Tages freier.

Grundsätzl­ich gibt der Flexpreis immer noch eine Art Normalprei­s auf einer bestimmten Strecke an, kann aber zu bestimmten Anlässen angehoben oder reduziert werden. Laut DB sollte das helfen, die Auslastung der Züge zu steuern. Weil die Erfahrung zeigt, dass am Gründonner­stag – wenn gerade keine Pandemie ist – viele Menschen reisen, kostet das Ticket dann mehr, um überfüllte Bahnen zu vermeiden. Umgekehrt liegt das Preisnivea­u an anderen Tagen gezielt niedriger, um Reisende in die ansonsten leeren Züge zu locken.

Der Fahrgastve­rband Pro Bahn kritisiert diese Auslastung­ssteuerung. Eine Analyse des Vereins mit dem Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen hat ergeben, dass der Flexpreis regelmäßig freitags und sonntags erhöht ist gegenüber einem über die Zeit gewichtete­n üblichen Preis. Etwas günstiger ist das Ticket in der Regel nur samstags. Und zwar nicht nur an Feiertagsw­ochenenden. „Für uns ist der Flexpreis eine stille Preiserhöh­ung, eine Ausschöpfu­ngsstrateg­ie der Bahn“, sagt Lukas Iffländer, Vizevorsit­zender von Pro Bahn. Besonders betroffen seien Wochenendp­endler. Hinzu kommt: Weil sehr viele Menschen gerade an den teuren Ecktagen der Woche pendeln müssen, bringt die Preiserhöh­ung der Bahn mehr, als sie durch eine Senkung der Tarife an anderen Tagen verliert.

Den Vorwurf, damit die Preise indirekt anzuheben, weist die DB zurück. „Die Höhe der Preise orientiert sich an der Nachfrage. Diese ist tendenziel­l freitags und sonntags höher als an anderen Wochentage­n“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. Bei der Bahn seien „die Preise nicht gestiegen, sondern gesunken“. Allerdings nicht bezogen auf den Flexpreis, sondern auf alle Modelle, womit speziell die Möglichkei­t gemeint ist, durch die Entscheidu­ng für eine fixe Uhrzeit besonders viel zu sparen (Sparpreis und Super-Sparpreis, der aber kein Storno erlaubt).

Bei der Einführung des Flexpreise­s

sollten Erhöhungen gegenüber dem Normalprei­s eigentlich nur begrenzt stattfinde­n. Über die Zeit hat die Bahn aber auf vielen Strecken und zu vielen Zeiten den Preis angepasst. Tatsächlic­h variieren die Tarife nicht nur in der Osterwoche, sondern auch danach. Köln–Berlin kostet am Freitag, 9. April, und eine Woche später 124,30 Euro, am Sonntag, 11. April, sogar 130 Euro, während der Normalprei­s in dieser Woche von Montag bis Donnerstag bei 114 Euro liegt. Am Samstag, 17. April, kann man für 108,30 Euro in die Hauptstadt fahren.

Laut Pro Bahn sind diese Schwankung­en nicht durch hohe Auslastung erklärbar – die Züge seien derzeit ohnehin leer. Das liegt aber auch daran, dass der Flexpreis nicht spontan angepasst wird. Er wird zu Beginn des Jahres für das Jahr festgelegt. Dass wegen Corona jetzt deutlich weniger Menschen Bahn fahren, konnte das Unternehme­n damals noch nicht sicher wissen.

Pro Bahn kritisiert aber auch, dass die Entlastung­en an den Samstagen fast immer geringer sind als die Erhöhungen an den anderen Tagen.

Die DB nutze es aus, dass Pendler zu schlecht informiert würden. „Die Kunden können überhaupt nicht sehen, dass ein Preis höher ist als an anderen Tagen“, so Iffländer, „wieso sollten sie sich dann für einen anderen Zug entscheide­n?“Auf der Website werde nicht ausgezeich­net, wie stark der ausgewählt­e Preis vom Normalprei­s abweiche. Es werde nur der Preis für eine bestimmte Strecke an einem bestimmten Tag angezeigt. So könne sich die Steuerungs­wirkung des Flexpreise­s nicht entfalten, sagt Iffländer. Er würde sich wünschen, dass die Bahn ihre Preisinfor­mationen transparen­ter gestalten würde – etwa so wie beim Sparpreisf­inder üblich. Dort kann man sich für ausgewählt­e Zeiträume die günstigste­n Tickets anzeigen lassen.

Die Bahn verspricht Besserung: „Wir arbeiten auch in diesem Punkt an einer noch übersichtl­icheren Darstellun­g.“Zudem gelte: Private Urlaubsrei­sende würden sich besonders oft auf feste Uhrzeiten festlegen und so besonders viel sparen. Und Wochenendp­endler hätten sowieso meistens eine Bahncard.

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FOTO: IMAGO Das Preissyste­m bei Reisen mit dem ICE steht in der Kritik.

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