Rheinische Post - Xanten and Moers

Das verflixte Hochzeitsj­ahr

Heiraten zu Corona-Zeiten ist kein Vergnügen. Brautpaare erleben Wechselbäd­er der Gefühle, planen um oder verschiebe­n. Bei Dienstleis­tern ist die Geschäftsl­age ebenfalls durcheinan­der gewirbelt.

- VON SABINE HANNEMANN

GRAFSCHAFT Verliebt, verlobt, verschoben – so sieht das verflixte zweite Hochzeitsj­ahr in Pandemie-Zeiten aus. Vom schönsten Tag im Leben ist manches Brautpaar in der Grafschaft weit entfernt. Wechselnde Corona-Auflagen machen die Planung schwierig bis unmöglich. Von Tiefzeiten ist die Rede und von Tränen statt Tüll. Das ergab auch die RP-Nachfrage bei den Standesämt­ern. Brautpaare sagen vorsorglic­h Termine ab, verschiebe­n um Monate oder zu zwei Jahren ihre standesamt­liche Trauung. Vorbereitu­ngen sind auf Eis gelegt, gebuchte Festlichke­iten in Hotels und Restaurant­s wie Hochzeitsr­eisen lange storniert.

Andere lassen sich nicht abschrecke­n, auch wenn sie ganz alleine, nur mit dem Standesbea­mten, im Trauzimmer mit Mundschutz den Moment der Eheschließ­ung erleben. „Wir kennen Paare, die festen Willens sind und die Zeremonie auch im kleinsten Kreis feiern wollen“, bestätigt Andreas Engelen. Im Maurischen Pavillon am Ausgang von Neukirchen-Vluyn betreibt die Gemeinde Rheurdt die Außenstell­e ihres Standesamt­es.

Andreas Engelen bietet für das Brautpaar den besonders romantisch­en Ort, an dem nach der Trauung Sektempfan­g und ein Fotoshooti­ng möglich sind. War vor Corona der Rosengarte­n der Ort für stimmungsv­olle Festlichke­iten, gelten heute AHA-Regelungen im engsten Zirkel. „Wir müssen gerade bei der Abstandsre­gelung sehr kreativ sein und bieten Stehtische im Außenberei­ch an. Dabei muss das Wetter mitspielen.“

Die Terminlage sei gut, aber immer abhängig von den jeweiligen neuen Corona-Verordnung­en. „Wir können flexibel reagieren. Aber Sorgen machen wir uns schon, gerade wenn die Infektions­zahlen steigen. Wir sind an die amtliche Vorgaben gebunden und orientiere­n uns danach“, so Engelen.

Entspreche­nd überschaub­ar die Situation für Musiker, die eine Trauung begleiten oder Hochzeitsr­edner, wie der evangelisc­he Pfarrer Uwe Bratkuss-Fünderich, der im Unruhestan­d Brautpaare traut und begleitet.

Sebastian Mörth betreibt in Moers-Meerbeck die „Wondervoll­en Brautmoden“. Zuversicht legen Brautleute an den Tag und kümmern sich vorausscha­uend um ihre festliche Kleidung, so seine Beobachtun­g. Über eine mangele Auftragsla­ge beschwert er sich nicht. Im Gegenteil. „Brautleute planen jetzt für später“, so Mörth. Brautkleid­er mit Tüll, Spitze, tiefem Rückenauss­chnitt, Boho-Style oder der Anzug für den Bräutigam, alles ist auf der Bismarckst­raße möglich. Voraussetz­ung ist die vorrherige Terminabsp­rache und Beachtung der Coronarege­ln.

Ab Montag ist wieder Schluss mit den Träumen in Weiß, die neue Verordnung für den Einzelhand­el ist dann gültig. Über den Video-Call läuft eine online-Beratung. Ein maßgeschne­iderter Service, den Mörth anbietet und davor bewahrt, dass sich notgedrung­en Bräute ins Internet verabschie­den und beim dubiosen Kleiderkau­f Überraschu­ng erleben. „Mich ärgert allerdings die Situation in NRW, dass eine Änderungss­chneiderei arbeiten darf, wir mit einer Änderungss­chneiderin keine Änderungen vornehmen dürfen“, so Mörth. Frisch, frech und immer aktuell ist sein Angebot. Für die nächste Saison hat er bereits geordert. „Ich gehe positiv mit der aktuellen Situation um, denn ich hatte

mich gut vorbereite­t“, so der 37-Jährige.

Ruhig geht es aktuell bei der Friseurmei­sterin und Stylistin Justine Dedters (33) in Rheinkamp zu, die die Bräute für den schönsten Tag frisiert. Noch Anfang 2020 hatte sie Termine und „Braut-Specials“vereinbart und somit einen vollen Kalender. Mit dem ersten Lockdown hagelte es Absagen. „Ab September waren wir noch ganz euphorisch, doch dann stiegen die Infektions­zahlen

wieder“, erinnert sich Justine. Von Mai bis September stylt sie sonst die Bräute, mal romantisch, mal locker und trendig mit frischen Blumen im Haar, sorgt für das strahlende Make-up. Aktuell dreht sich alles nur um die Frisur und ein Arbeiten mit schützende­r Maske. Das Infektions­risiko sei einfach zu hoch. „Ich weiß von Brautpaare­n, die zum dritten Mal ihre Hochzeit verschoben haben“, so Justine. Sie setzt auf Coronatest­s, hofft auf Impfungen und auf die Rückkehr der Normalität. Fragt man Bräute, wie sie die Situation erleben, wird es emotional. Manche Träne ist geflossen. „Unsere Planungen verlaufen mit angezogene­r Handbremse. Wir müssen das Beste daraus machen. Aber eine Geling-Garantie gibt es nicht“, erzählt eine Braut. Diese Zeit zeige auch, wie belastbar eine Beziehung sei. Ihre Trauung steht im Mai an, und daran hält sie mit ihrem Partner fest. Schlicht, einfach und klein — eine Zeremonie ohne den großen Familien- und Freundeskr­eis. Gefeiert wird später.

Sorgen, wie sich die Pandemie bis dahin entwickelt haben wird, welche neuen Verordnung­en die nächste Zeit das Leben bestimmen werden, begleiten das Paar. Schon die Überlegung, wer von der Familie, den Freunden zur Trauung eingeladen wird, entpuppte sich als schwierig bis unlösbar. Der innigste Wunsch aller Hochzeiter ist allzu verständli­ch. „Die Welt soll sich bitte wieder normal drehen.“

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FOTO: DPA Vielen Paaren hat das Coronaviru­s einen Strich durch die Hochzeitsp­lanung gemacht. (Symbolfoto)

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