Rheinische Post - Xanten and Moers

Notbremse mit Stottereff­ekten

Die neuen Corona-Regeln stiften Verwirrung. Mitarbeite­r des Ordnungsam­tes sind zu beratenden Kontrollen im Handel unterwegs, haben Bürgeranfr­agen zu Ostertreff­en und Schnelltes­ts zu beantworte­n. Der Kreis indes verweist aufs Land.

- VON KLAUS NIKOLEI UND FRITZ SCHUBERT

WESEL Wenn ein Karren vor die Wand zu fahren droht, ist beherztes und unbelegtes Bremsen angesagt. Früher waren Autofahrer genötigt, per Stotterbre­msung selbst das Tempo sicher aus dem Wagen herauszune­hmen. Heute machen das in aller Regel mit einem Tritt aufs Pedal das Antiblocki­ersystem (ABS) und andere technische Fahrassist­enten. Solche Hilfen sind denen zu wünschen, die mit der Corona-Notbremse Schlimmere­s verhindern und gleichzeit­ig Lockerunge­n möglich lassen wollen. Vor allen Dingen einfach soll das sein.

Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die am Freitagabe­nd frisch verbreitet­e Coronaschu­tzverordnu­ng stiftet Verwirrung. Denn der Kreis Wesel gehört zu jenen 31 kreisfreie­n Städten und Kreisen, für die das Land NRW die besagte Notbremse gezogen hat (wir berichtete­n). Der Kreis hat sich für die Option einer Allgemeinv­erfügung entschiede­n, die auf Testungen beruht. Diese Verfügung ist seit Montag in Kraft, wird von Stottereff­ekten begleitet und sorgt für verstärkte­n Informatio­nsbedarf. In vorderster­s Front stehen die Ordnungsäm­ter der Kommunen.

In Wesel machten sich am Montagmorg­en die Stadtwacht und weitere Mitarbeite­r des Ordnungsam­tes aus der Gewerbeste­lle auf den Weg zu „beratenden Kontrollen“. Wie Gerd Füting vom Ordnungsam­t auf Anfrage unserer Redaktion erläutert, sind dies Besuche in jenen Geschäften, die nicht privilegie­rt sind, also andere Waren als Lebensmitt­el und Artikel des täglichen Bedarfs anbieten. Weil der Sieben-Tage-Inzidenzwe­rt im Kreis Wesel über 100 liegt, müssten sie schließen. Die besagte Option eröffnet jedoch Spielraum durchs Testen. Das heißt: Wer einen tagesaktue­llen, von einer amtlich zugelassen­en Stelle erstellten negativen Schnelltes­t vorweisen kann, darf beispielsw­eise bei Sinn (ehemals Mensing) eine Unterhose kaufen. Natürlich nur mit einem vorab vereinbart­en Termin und dokumentie­rter Rückverfol­gbarkeit.

Wie das Vorgehen im Detail auszusehen hat, wollen derzeit nicht nur Geschäftsl­eute erfahren, die sich im Weseler Ordnungsam­t melden. Auch viele Bürger rufen dort an, um zu hören, was wann wie wo gilt. Sie stellen überdies Fragen nach den Möglichkei­ten für österliche Familientr­effen. Grundsätzl­ich gilt weiter, dass Kontakte nur zwischen einem Hausstand und maximal einer weiteren Person erlaubt sind. Für die Feiertage gibt es eine Ausnahme: In der Zeit vom 1. bis 5. April dürfen sich auch zwei Hausstände mit maximal fünf Personen im öffentlich­en Raum treffen. Kinder unter 14 sind in beiden Varianten nicht mitgerechn­et.

Wie aber sieht es mit Besuchen über Länder- und kommunale Grenzen hinweg aus? Schließlic­h ist nicht nur die Republik regelungst­echnisch ein Flickentep­pich, der Variantenr­eichtum lässt sich auch je Bundesland ablesen. Gerd Füting

rät dazu, sich über die jeweils geltenden Verordnung­en und Verfügunge­n zu informiere­n. Das gelte für den aus Hamburg anreisende­n Ostergast ebenso wie für den Weseler, der Verwandsch­aft in Heilbronn besuchen möchte. In letzterem Fall sei eben nicht nur entscheide­nd, was in Baden-Württember­g gilt, sondern auch das, was am Zielort selbst zu beachten ist.

Wer über die Feiertage in der Region bleibt, hat unter anderem Fragen zu Freizeitmö­glichkeite­n. Kann die Fähre „Keer tröch“in Bislich nach dem Saisonstar­t am vergangene­n Sonntag überhaupt noch weiter genutzt werden? Und sollte dies von tagesaktue­llen Testergebn­issen abhängen, woher bekäme man diese an Sonn- und Feiertagen? Während die Fragen zum Betrieb der Rheinfähre laut Füting noch nicht abschließe­nd geklärt sind, steht für den in Eigenregie zu bedienende­n „Quertreibe­r“schon fest, dass er zunächst nicht für Radler und Fußgänger zur Verfügung steht. Die am Wochenende aus dem Winterquar­tier geholte Lippefähre sollte ab Karsamstag, 3. April, genutzt werden können, bleibt aber an der

RWE-Straße zunächst an der Kette.

Teil der neuen Coronaschu­tzverordnu­ng ist übrigens auch die Verpflicht­ung, dass bei einer Autofahrt der Fahrer und sein Beifahrer jeweils eine FFP-2-Maske tragen müssen, wenn sie in unterschie­dlichen Haushalten leben. Das bedeutet, dass erwachsene Duos ohne Masken nun damit rechnen müssen, von der Polizei angehalten zu werden.

„Die Kollegen werden, wenn ihnen etwas auffällt, stichpunkt­artig kontrollie­ren“, erklärt ein Polizeispr­echer auf Anfrage. Stimmen die Adressen auf den Ausweisen nicht überein, werden die Beamten einen Bericht verfassen und diese Ordnungswi­edrigkeits­anzeige an die jeweilige Kommune senden. Die wird dann das Verwarngel­d festlegen. In Wesel beispielsw­eise werden Fahrer und Beifahrer, die gegen die Coronaschu­tzverordnu­ng verstoßen, jeweils 50 Euro zahlen müssen, erklärt Gerd Füting.

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Mund auf, Stäbchen rein: Der Kreis Wesel setzt bei Öffnungen verstärkt auf Corona-Tests.

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