Rheinische Post - Xanten and Moers
Notbremse mit Stottereffekten
Die neuen Corona-Regeln stiften Verwirrung. Mitarbeiter des Ordnungsamtes sind zu beratenden Kontrollen im Handel unterwegs, haben Bürgeranfragen zu Ostertreffen und Schnelltests zu beantworten. Der Kreis indes verweist aufs Land.
WESEL Wenn ein Karren vor die Wand zu fahren droht, ist beherztes und unbelegtes Bremsen angesagt. Früher waren Autofahrer genötigt, per Stotterbremsung selbst das Tempo sicher aus dem Wagen herauszunehmen. Heute machen das in aller Regel mit einem Tritt aufs Pedal das Antiblockiersystem (ABS) und andere technische Fahrassistenten. Solche Hilfen sind denen zu wünschen, die mit der Corona-Notbremse Schlimmeres verhindern und gleichzeitig Lockerungen möglich lassen wollen. Vor allen Dingen einfach soll das sein.
Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die am Freitagabend frisch verbreitete Coronaschutzverordnung stiftet Verwirrung. Denn der Kreis Wesel gehört zu jenen 31 kreisfreien Städten und Kreisen, für die das Land NRW die besagte Notbremse gezogen hat (wir berichteten). Der Kreis hat sich für die Option einer Allgemeinverfügung entschieden, die auf Testungen beruht. Diese Verfügung ist seit Montag in Kraft, wird von Stottereffekten begleitet und sorgt für verstärkten Informationsbedarf. In vordersters Front stehen die Ordnungsämter der Kommunen.
In Wesel machten sich am Montagmorgen die Stadtwacht und weitere Mitarbeiter des Ordnungsamtes aus der Gewerbestelle auf den Weg zu „beratenden Kontrollen“. Wie Gerd Füting vom Ordnungsamt auf Anfrage unserer Redaktion erläutert, sind dies Besuche in jenen Geschäften, die nicht privilegiert sind, also andere Waren als Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs anbieten. Weil der Sieben-Tage-Inzidenzwert im Kreis Wesel über 100 liegt, müssten sie schließen. Die besagte Option eröffnet jedoch Spielraum durchs Testen. Das heißt: Wer einen tagesaktuellen, von einer amtlich zugelassenen Stelle erstellten negativen Schnelltest vorweisen kann, darf beispielsweise bei Sinn (ehemals Mensing) eine Unterhose kaufen. Natürlich nur mit einem vorab vereinbarten Termin und dokumentierter Rückverfolgbarkeit.
Wie das Vorgehen im Detail auszusehen hat, wollen derzeit nicht nur Geschäftsleute erfahren, die sich im Weseler Ordnungsamt melden. Auch viele Bürger rufen dort an, um zu hören, was wann wie wo gilt. Sie stellen überdies Fragen nach den Möglichkeiten für österliche Familientreffen. Grundsätzlich gilt weiter, dass Kontakte nur zwischen einem Hausstand und maximal einer weiteren Person erlaubt sind. Für die Feiertage gibt es eine Ausnahme: In der Zeit vom 1. bis 5. April dürfen sich auch zwei Hausstände mit maximal fünf Personen im öffentlichen Raum treffen. Kinder unter 14 sind in beiden Varianten nicht mitgerechnet.
Wie aber sieht es mit Besuchen über Länder- und kommunale Grenzen hinweg aus? Schließlich ist nicht nur die Republik regelungstechnisch ein Flickenteppich, der Variantenreichtum lässt sich auch je Bundesland ablesen. Gerd Füting
rät dazu, sich über die jeweils geltenden Verordnungen und Verfügungen zu informieren. Das gelte für den aus Hamburg anreisenden Ostergast ebenso wie für den Weseler, der Verwandschaft in Heilbronn besuchen möchte. In letzterem Fall sei eben nicht nur entscheidend, was in Baden-Württemberg gilt, sondern auch das, was am Zielort selbst zu beachten ist.
Wer über die Feiertage in der Region bleibt, hat unter anderem Fragen zu Freizeitmöglichkeiten. Kann die Fähre „Keer tröch“in Bislich nach dem Saisonstart am vergangenen Sonntag überhaupt noch weiter genutzt werden? Und sollte dies von tagesaktuellen Testergebnissen abhängen, woher bekäme man diese an Sonn- und Feiertagen? Während die Fragen zum Betrieb der Rheinfähre laut Füting noch nicht abschließend geklärt sind, steht für den in Eigenregie zu bedienenden „Quertreiber“schon fest, dass er zunächst nicht für Radler und Fußgänger zur Verfügung steht. Die am Wochenende aus dem Winterquartier geholte Lippefähre sollte ab Karsamstag, 3. April, genutzt werden können, bleibt aber an der
RWE-Straße zunächst an der Kette.
Teil der neuen Coronaschutzverordnung ist übrigens auch die Verpflichtung, dass bei einer Autofahrt der Fahrer und sein Beifahrer jeweils eine FFP-2-Maske tragen müssen, wenn sie in unterschiedlichen Haushalten leben. Das bedeutet, dass erwachsene Duos ohne Masken nun damit rechnen müssen, von der Polizei angehalten zu werden.
„Die Kollegen werden, wenn ihnen etwas auffällt, stichpunktartig kontrollieren“, erklärt ein Polizeisprecher auf Anfrage. Stimmen die Adressen auf den Ausweisen nicht überein, werden die Beamten einen Bericht verfassen und diese Ordnungswiedrigkeitsanzeige an die jeweilige Kommune senden. Die wird dann das Verwarngeld festlegen. In Wesel beispielsweise werden Fahrer und Beifahrer, die gegen die Coronaschutzverordnung verstoßen, jeweils 50 Euro zahlen müssen, erklärt Gerd Füting.