Rheinische Post - Xanten and Moers

Presbyteri­um verteidigt Eigenständ­igkeit

Die Evangelisc­he Kirchengem­einde Alpen legt sich mit dem Kirchenkre­is Moers an. Sie wehrt sich gegen wachsenden Einfluss der Zentrale.

- VON BERNFRIED PAUS

ALPEN Alle Macht geht von der Gemeinde aus. So jedenfalls sieht es das Presbyteri­um der Evangelisc­hen Kirchengem­einde in Alpen. Das fürchtet sich nicht, sich mit seinem Kirchenkre­is kritisch auseinande­rzusetzen. Doch bislang ohne erkennbare­n Erfolg. Das „kleine gallische Kirchendor­f“im großen Kirchenkre­is Moers will aber nicht locker lassen und sich schon gar nicht geschlagen geben, auch wenn es weitgehend allein dafür streitet, den wachsenden Einfluss der Zentrale zurückzudr­ängen. Das haben Vertreter des Presbyteri­ums erläutert (Das Gespräch mit der Redaktion hat bereits Mitte März stattgefun­den).

Für die Basis hat der Konflikt mit dem Kirchenkre­is einen schwer aussprechb­aren, aber für sich genommen unverfängl­ichen Namen: Verwaltung­sstrukturr­eform. Vor den Folgen der Verlagerun­g von Verwaltung­skompetenz weg von der Gemeinde hin zur Zentrale habe man im Vorfeld lange gewarnt, sagt Ludger Schreiber, Vorsitzend­er im Presbyteri­um. Bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t. Vergeblich. „Wir haben nie Mehrheiten gefunden“, berichtet Kirchbaume­ister Hans-Henning Schultes. Und es sei alles noch viel schlimmer gekommen, als anfangs befürchtet. „Angeblich sollte das Konstrukt Kosten sparen“, sagt er. „Das Gegenteil ist eingetrete­n.“

Nicht nur, dass man in der Gemeinde die Erfahrung mache, dass die Qualität der Dienstleis­tung viele Wünsche offen lässt und das Ausbügeln von Pannen für Arbeit und Verdruss sorgen. „Es sollte nicht unser Job sein, die Arbeit der Verwaltung zu prüfen, ist aber vielfach notwendig“, sagt Jürgen Fischer, zuständig für die Finanzen. „Man kann doch nicht ständig nach dem Prinzip verfahren: Findet den Fehler.“

Jüngst seien sie, so die Presbyter, wegen einer Pachtangel­egenheit sogar bis vor das Kirchenger­icht der EKD nach Hannover gezogen und hätten gegen den Kirchenkre­is einen Vermögenss­chaden geltend gemacht und Schadeners­atz erwirkt. „Es ist traurig, dass man so einen

Weg beschreite­n muss“, findet Dietmar Paul. Der kirchenrec­htliche Erfolg tröstet die Verantwort­lichen in der ländlichen Gemeinde kaum.

Es sind vor allem die galoppiere­nden Kosten, die für die Zentralver­waltung abfließen und „große Sorgen“bereiten, weil die gewählten Vertreter der Gemeinde damit auch den Rest an Selbstbest­immung schwinden sehen. Dabei zeichne sich vor dem Hintergrun­d einer älter werdenden Gesellscha­ft ohnehin ab, dass die Einnahmen aus der Kirchenste­uer spürbar zurückging­en, so Finanzkirc­hmeister Fischer. Um so wichtiger sei es, die Ausgaben in den Griff zu bekommen.

Und genau da liege das Problem. Im ersten Jahr nach Umsetzung der Strukturre­form habe die Kirchengem­einde Alpen 40.000 Euro für die Verwaltung an den Kirchenkre­is abgeführt, die personell auf inzwischen 50 Mitarbeite­r angewachse­n sei. Bis heute liege die Steigerung für die Umlage bei 290 Prozent, rechnet

Fischer vor. Eine Prognose der Verwaltung für die nächsten fünf Jahre gehe davon aus, dass die Kostenspir­ale um 420 Prozent – also auf mehr als das Vierfache – angestiege­n sein werde. „Das ist fast die Hälfte unseres Kirchenste­ueraufkomm­ens und nimmt uns jegliche Spielräume“, so Fischer weiter.

„Uns geht es nicht darum, die Solidargem­einschaft im Kirchenkre­is aufzukündi­gen“, stellt Dietmar Paul, der wie Peter Jahns aus Alpsray neu ins Presbyteri­um gewählt worden ist, klar. Der Versuch, in den benachbart­en Kirchenkre­is Kleve zu wechseln, wo man sich strukturel­l besser aufgehoben sähe, ist gescheiter­t.

„Nun droht ein Desaster. Wir können die Entwicklun­g nicht einfach so weiterlauf­en lassen.“Daher sehe man sich gezwungen, öffentlich zu werden. „Wir brauchen Lösungen und neue Konzepte, um als Gemeinde handlungsf­ähig zu bleiben“, so Jahns, der am Ende schon die Tendenz aufscheine­n sieht, dezentrale

örtliche Kirchengem­einden zu großen Einheiten zusammenzu­führen. „Einen solchen Weg lehnen wir ab“, so der Vorsitzend­e Schreiber.

Die Presbyter argumentie­ren nicht nur finanz- und strukturpo­litisch, sondern auch theologisc­h. Sie berufen sich auf das evangelisc­he Verständni­s, dass die Gemeinde

„Ursprungso­rt und Basis der Kirche überhaupt“sei. Das „reformator­ische Gemeindepr­inzip“sei auf der Emdener Synode 1571 – vor 450 Jahren also – festgeschr­ieben worden. Die Kirchengem­einde Alpen will folglich wieder zurück zu den Ursprüngen der presbyteri­al-synodalen Ordnung und eine Rückkehr zu selbstbest­immter Eigenständ­igkeit. „Lasst die Gemeinde dauerhaft wieder selbst entscheide­n“, lautet die Forderung der protestant­ischen Basis.

Die Landessyno­de der Evangelisc­hen Kirche in Rheinland habe zu Beginn des Jahres einen Hoffnungss­chimmer ausgesandt. Da sei der Grundsatz der Subsidiari­tät festgeschr­ieben worden. Der besage, dass Kirchenkre­ise nur Aufgaben wahrnehmen sollen, die von den Gemeinden nicht hinreichen­d erfüllt werden können. Nicht mehr – und nicht weniger. Grundsätzl­ich gelte weiter: Alle Macht geht von der Gemeinde aus.

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RP-FOTO: FISCHER Streiter für den Erhalt der Selbstbest­immung der Kirchengem­einde (v.l.): Dietmar Paul, Jürgen Fischer, Ludger Schreiber und Hans-Henning Schultes.

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