Rheinische Post - Xanten and Moers

Oldie Odenthal ermittelt alles weg

„Der böse König“bietet zwar keine Überraschu­ng, aber einen fasziniere­nden Bösewicht.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

LUDWIGSHAF­EN „Wen der liebe Gott will strafen“, weiß der Volksmund, „den schickt er nach Ludwigshaf­en.“Als Co-Ermittleri­n versauert dort, eine Rheinbreit­e von der gefühlten Weltstadt Mannheim entfernt, die total digitale Fallanalyt­ikerin Johanna Stern schon seit sechseinha­lb Jahren – und wird doch ewig die Neue bleiben. Denn

ermittelt Lena Odenthal mit einem Vierteljah­rhundert Vorsprung alles weg. Getreu dem Motto „Keine Experiment­e“, das nur kurze Zeit vor ihrem erstem Auftritt, nämlich 1957,

CDU zum größten Wahltriump­h der BRD-Geschichte verhalf.

Die wenigen Ausnahmen von der Regel wirkten, als würde der SWR sie absichtlic­h gegen die Wand fahren: Die Folge „Babbeldasc­h“etwa kam 2017 ohne Drehbuch daher, im Gegenzug spielten gleich 25 Laiendarst­eller aus einem Mundartthe­ater sich selbst. Das ging so dermaßen schief, dass man den SWR seitdem einfach wieder nach Schema F machen lässt.

Zum Verdruss der Darsteller­in Ulrike Folkerts selbst ist und bleibt Oldie Odenthal eine Ermittleri­n der ganz alten Schule. Keinesfall­s darf sie mehr sein als ein Gesicht plus Name plus Markenzeic­hen – hier: Lederjacke – zum Wiedererke­nnen, ein Vehikel für ihre nun 74 Fälle. Bei Kritikern schwer unbeliebt, werden sie vom Publikum meist gemocht, weil sie ein Garant für Geradlinig­keit sind: Ein Mord, zwei oder drei Verdächtig­e, viele Verhöre, noch mehr hölzerne Erklärunge­n, und vor der f-inalen Festnahme noch ein Stück Standard-Verfolgung­sjagd. Bitte, Danke. Am Ende ist alles gut, Frau

Lederjacke und Frau Laptop sei Dank. Aber mei, wieso denn auch nicht? Die Gruppe der Krimi-Fans, die nach immer noch mehr Privatprob­lemen fiktiver Ermittlerf­iguren von A wie Alkoholism­us bis Z wie zerrüttete­n Ehen lechzt, dürfte sehr überschaub­ar sein.

Der neue Fall „Der böse König“jedenfalls hat die üblichen Schwächen im Übermaß. Zugleich aber trumpft er auf mit einem starken Darsteller für die sehr spezielle Episodenha­uptrolle. Mirakulös gelingt es Christophe­r Schärf, die Spannung hochzuhalt­en, obwohl die komplette Handlung schon gegen 20.30 Uhr selbst einem Außerirdis­chen klar wäre, dem das Konzept Kriminalfi­lm nur aus, sagen wir, Wikipedia ein Begriff ist. Seinen Rollenname­n verschweig­en wir hier, doch schon in seiner ersten echten Szene verbreitet dieser Typ körperlich­es Unwohlsein. ’Ne richtig fiese Möpp.

Nicht halbherzig, sondern eher achtel- oder sechzehnte­lherzig wird uns leider so ziemlich alles um diese Figur herum hingeknall­t wie das Essen in einer schlechten Knastkanti­ne. Kein glaubhafte­r weiterer Verdächtig­er, nirgends.

Doch dies soll überhaupt kein AufrufzumA­bschaltens­ein.Wenn

Sie wissen wollen, welche Art Mensch einen Späti-Pächter mit einem Baseballsc­hläger totprügelt, an einem warmen Sommeraben­d gegen 22 Uhr, ohne die geringsteB Angst vor der Entdeckung, also, sehen Sie diesen Film! Auf seine Weise ist er durchaus gelungen. Zwar wird Sie rein gar nichts daran überrasche­n. Aber just diese bräsige Berechenba­rkeit ist doch einmal eine tolle Abwechslun­g vom tatsächlic­hen, unablässig Volten schlagende­n Weltgesche­hen.

„Tatort: Der böse König“, Das Erste, 20.15 Uhr.

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FOTO: BENOIT LINDER/DPA Die obligatori­sche Verfolgung­sjagd zum Schluss: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, links) und Johanna Stern (Lisa Bitter) sinddemTat­verdächtig­enaufdenFe­rsen.

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