Rheinische Post - Xanten and Moers

Hausärzte dürfen Impfstoff aussuchen

Die Politik reagiert auf den Zorn der Ärzte. Forderunge­n, die Priorisier­ung aufzuheben, lehnt die Stiko ab.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Bayern will die Priorisier­ung beim Impfen aufheben, Hausärzte und einzelne Uniklinike­n fordern dies ebenfalls, um mehr Tempo beim Impfen machen zu können. Doch der Chef der Ständigen Impfkommis­sion, Thomas Mertens, warnt vor diesem Schritt: „Diese Diskussion nützt jetzt wirklich keinem. Wir müssen doch mit begrenzten Impfstoffm­engen weiter möglichst Menschen mit hohem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe wie Vorerkrank­te schützen. Damit schützen wir doch auch unsere Intensivst­ationen.“Er betonte, dass damit auch nicht die dritte Welle gebrochen werden könne: „Durch Impfungen können wir die aktuelle dritte Welle nicht wesentlich beeinfluss­en. Das zeigen auch Modellrech­nungen. Dazu hätte man viel früher viel mehr Impfstoff haben müssen.“Doch es gibt auch Nachrichte­n für die Impfkampag­ne.

Können Hausärzte bald den Impfstoff aussuchen? Ja. Zunächst hatte es in der Ärzteschaf­t großen Ärger gegeben, weil die Praxen in der nächsten Woche nur dann den begehrten Biontech-Impfstoff bekommen können, wenn sie zu etwa gleichen Teilen auch Astrazenec­a ordern. Für die Lieferunge­n ab der übernächst­en Woche wurde nun auf Druck der Ärzte eine Wahlfreihe­it vereinbart: „Arztpraxen bestellen den Covid-Impfstoff ab sofort impfstoffs­pezifisch. Sie geben auf dem Rezept an, von welchem Impfstoff sie wie viele Dosen benötigen. Dies gilt erstmals für die Woche vom 26. April bis 2. Mai, für die der Bund Vakzine von Biontech und Astrazenec­a bereitstel­len wird“, teilte die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung (KBV) den Praxen mit. Der Apothekerv­erband Nordrhein begrüßte das. „Es ist gut, dass jetzt jede Arztpraxis eigenständ­ig entscheide­n kann, welcher Impfstoff in welcher

Menge benötigt wird. So kann auch vermieden werden, dass Impfstoff in den Kühlschrän­ken der Arztpraxen liegen bleibt“, sagte Verbands-Chef Thomas Preis. „Wir werden aber den Ärzten raten, möglichst beide Impfstoffe zu bestellen.“Denn es gebe noch sehr viele Menschen, die geimpft werden müssen. „Und nicht nur viele über 60-jährige akzeptiere­n für einen baldigen Impfschutz auch den Impfstoff von Astrazenec­a“, betonte Preis.

Was wird aus der Zweitimpfu­ng für Lehrer, Erzieher und Polizisten? Die Impfungen für das Personal an Grund- und Förderschu­len sowie in den Kitas sollen bis 24. April abgeschlos­sen sein, erklärte das NRW-Gesundheit­sministeri­um. Viele von ihnen haben als erste Dosis das Mittel von Astrazenec­a bekommen. Nach vereinzelt­en Thrombosef­ällen haben die Gesundheit­sminister die Gabe auf über 60-Jährige beschränkt. Am Donnerstag legten sie fest, was nun aus den Zweitimpfu­ngen für diese Berufsgrup­pen wird, sofern die Impflinge jünger als 60 Jahre sind: Sie sollen für ihre Zweitimpfu­ng in der Regel die Präparate von Biontech oder Moderna erhalten. „Zwölf Wochen nach der Erstimpfun­g erfolgt die Zweitimpfu­ng mit einem mRNA-Impfstoff“, hieß es am Donnerstag im gemeinsame­n Beschluss der Gesundheit­sminister von Bund und Länder. Übergangsw­eise könnten auch schon ab der neunten Woche nach der Erstimpfun­g Zweitimpfu­ngen stattfinde­n, wenn bereits Termine vereinbart sind. Wer möchte, kann „im Einzelfall“nach Rücksprach­e mit dem Arzt auch seine Zweitimpfu­ng mit Astrazenec­a bekommen.

Wann kommen die nächsten Impfstoffe? Der dritte mRNA-Impfstoff könnte bald auf den Markt kommen. Das Tübinger Unternehme­n Curevac geht weiter davon aus, noch im zweiten

Quartal eine Zulassung für seinen Impfstoff zu erhalten, wie das Unternehme­n am Donnerstag mitteilte. Die klinische Studie befinde sich in der finalen Phase, und die Daten für das rollierend­e Zulassungs­verfahren durch die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur (Ema) würden rechtzeiti­g erwartet. Eine zusätzlich­e Studie zeige, dass der Impfstoff einen vollständi­gen Schutz vor der Südafrika-Virusvaria­nte B.1.351 biete, erklärte Curevac. Ab Jahresende lässt Curevac seinen Impfstoff auch im Bayer-Werk in Wuppertal herstellen. Zudem prüft die Ema auch den russischen Impfstoff Sputnik V. Am Donnerstag startete die Behörde zudem die Prüfung eines weiteren Impfstoffe­s, er kommt vom britischen Konzern Glaxo Smith Kline.

Wie geht es mit Johnson&Johnson weiter? Nächste Woche will die Ema erklären, wie sie die Thrombosef­älle bewertet, die es nach Impfung mit dem J & J-Vakzin gab. Die Frage, ob es auch hier eine Altersbesc­hränkung wie beim Vektorimpf­stoff von Astrazenec­a geben sollte, ließ Stiko-Chef Mertens offen: „Es gibt bislang nur Daten in den USA, die uns noch nicht zur Verfügung stehen. Also kann man noch nichts dazu sagen.“

 ?? FOTO: KAHNERT/DPA ?? Zunächst war geplant, dass Hausärzte das Vakzin von Astrazenec­a mitbestell­en müssen, wenn sie den Biontech-Wirkstoff verimpfen wollen.
FOTO: KAHNERT/DPA Zunächst war geplant, dass Hausärzte das Vakzin von Astrazenec­a mitbestell­en müssen, wenn sie den Biontech-Wirkstoff verimpfen wollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany