Rheinische Post - Xanten and Moers
Am Anfang stand der Traum
REPRO: ANDREAS KREBS ihren Anspruch geltend machen, dem Neuanfang eine Stimme zu geben. Ihre Zeitung für Politik und christliche Kultur, die Rheinische Post, erschien vor 75 Jahren zum ersten Mal. Sie ist, wie es die Gründer wollten, ein bleibendes Bekenntnis zur freiheitlichen Demokratie, zum Rechtsstaat, zu einem Leben mit Haltung.
Der gesellschaftliche Diskurs über den besten Weg, in den Jahrzehnten seit 1946 mit den unterschiedlichsten Fragestellungen immer neu geführt und von der Rheinischen Post begleitet, lebt vom Prozess der an Werten orientierten Meinungsbildung. In Zeiten steten Wandels, braucht es Tatkraft und Zielbewusstsein.
1946 hieß das, anzupacken, aufzuräumen. Das bezog sich nicht nur auf den Schutt in den Straßen, sondern auch auf die Zerstörungen an Herz und Seele, auf die Wunden einer zerrissenen Gesellschaft. Wer war Opfer? Wer war Täter? Die erste Ausgabe der Rheinischen Post beschäftigte sich mit diesen damals wesentlichen Fragen. Sie war, gerade mal vier Seiten stark, ein Abbild der Zeit, „der Kargheit und des bescheidenen Beginns“, wie es im Leitartikel hieß.
Die Zeitung war dennoch umfassend. Sie berichtete über die Not „Äußerste Anstrengungen zur Versorgung Deutschlands“. Sie benannte die Schuldigen, indem sie auf der ersten Seite den Blick auf die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse richtete. Sie bot Orientierung. Sie machte Mut. Verleger Anton Betz schrieb: „Die Zeitung kann weder Brot noch Wohnungen schaffen, aber sie kann helfen, die Bereitschaft herbeizuführen, die für jede aufbauende Arbeit unerlässlich ist.“
Die Gründer trieb die Hoffnung an, dass ihr Traum einer freien Gesellschaft in Erfüllung gehen könne. Ihr Antrieb war die eigene Überzeugung, gewonnen nicht zuletzt durch die leidvollen Erfahrungen der Hitler-Zeit, getragen vom Glauben an eine bessere, gerechtere Zukunft. Erich Wenderoth, Jurist mit scharfem Verstand, beschrieb seinen inneren Antrieb so: „Ordnung in Volk und Staat kann nur bestehen, wo aus dem Gefühl der Pflicht und der persönlichen Verantwortung Wille und Mut zum Handeln erwächst.“Sozialpolitiker Karl Arnold war davon überzeugt, dass die Zeitung „eine wachsame Hüterin der Menschenwürde, ein Forum der Brüderlichkeit“sein müsse. Ihnen gemeinsam war der Wille, mit der Rheinischen Post einer verstummten Gesellschaft
endlich zur Aussprache zu verhelfen.
Ihre Haltung war nicht Selbstzweck, sondern ausgerichtet am Gemeinwohl. Ihre Haltung war nicht Machtanspruch, sondern stellte die Gründer selbst in den Dienst der Zeitung. Allen voran machte Gründungsverleger Anton Betz die Rheinische Post zu einer wichtigen Stimme – für das neue Land Nordrhein-Westfalen, gegründet wie die Zeitung 1946, und die junge Bundesrepublik Deutschland, deren Entstehen und Wachsen die Zeitung begleitete. Betz, der vier Jahrzehnte Verantwortung trug, tat dies mit starker Kraft, mit publizistischem Anspruch und der besonderen Gabe, bestimmt, aber väterlich wohlwollend zu führen.
So brachte „Papa Betz“, wie er von manchen im Verlagshaus genannt wurde, zur Weihnachtszeit den Kollegen die Festtagsgratifikation persönlich an Schreibtisch oder Druckmaschine. Die Sorge um die Mitarbeiter ging bei ihm einher mit einem wachen Interesse an den Geschehnissen im weiten Land. Seine lebendige und ehrliche Aufmerksamkeit bezog sich auf die großen wie die kleinen Dinge des Lebens.
Als langjähriger Präsident des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger prägte er die Zeitungslandschaft der Bundesrepublik und stand im engen Austausch mit den Größen aus Wirtschaft und Politik.
Mit Erich Wenderoth und Karl Arnold hatte Anton Betz 1946 zwei wichtige Mitstreiter für das Projekt „Rheinische Post“gewinnen können.