Rheinische Post - Xanten and Moers

Von falschen Früchten und der Hoffnung

Das Himmelsfen­ster in der Abteikirch­e lohnt die Entschlüss­elung. Paul Weigmann hat es entworfen. 1978 wurde es in den Chorraum eingebaut.

- VON ANJA KATZKE

KAMP-LINTFORT Das Himmelsfen­ster im Chorraum der Abteikirch­e von Kloster Kamp wirkt zart – im Vergleich zu der anderen Kirchenkun­st, die ihre Spuren über die Zeit im Gotteshaus hinterlass­en hat. Als es vor mehr als 40 Jahren, 1978, eingebaut wurde, traf es wahrlich nicht jeden Geschmack. Manch Kritiker befand, es sei deutlich zu hell. Denn Motive befinden sich vor allem im oberen Drittel. Die untere Hälfte ist in Weiß und zartem Hellblau gehalten. Die Farben stellen den Himmel und die Wolken dar. „Wie sonst hätte man die Aufnahme Mariens in den Himmel nachbilden sollen?“, fragt Peter Hahnen, Leiter des Geistliche­n und Kulturelle­n Zentrums Kloster Kamp. Das Fenster im Chorraum spiegelt genau diese ursprüngli­che Widmung der Liebfrauen­kirche wider.

Dabei bietet es Kritikern eine weitaus größere Angriffsfl­äche: Eine Frau breitet da zum Beispiel die Arme aus wie ein Priester am Altar. „Man wähnt sich im Himmel, und es fallen Tomaten auf uns hinab. Oder sollen die roten Kugel etwa Äpfel sein?“, führt Peter Hahnen schmunzeln­d weiter aus und findet, dass das Chorraum-Fenster eine Entdeckung und Entschlüss­elung lohnt. Paul Weigmann (1923 bis 2009) hat das Kamper Himmelsfen­ster gestaltet. Er war der Künstler im Großraum Köln und darüber hinaus, der angefragt wurde, wenn es um neue Kirchenfen­ster für die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gotteshäus­er ging, die wieder aufgebaut werden sollten. Mehr als 3000 Glasfenste­r entwarf und schuf der Rheinlände­r, der in Leverkusen geboren wurde, über die Jahrzehnte hinweg. Seine Werke befinden sich in Kölner Kirchen, in den Domen von Mainz, Speyer, Paderborn, Worms und Xanten und in vielen anderen Gotteshäus­ern.

Weigmann hatte an den Kölner Werkschule­n bei Wilhelm Teuwen, Professor für Glasmalere­i, studiert und war dessen Meistersch­üler. „Mit Modernem tut sich in der Kirche

ja mancher schwer, aber was Paul Weigmann in das Hauptfenst­er zauberte, ist ein gelungenes Beispiel für die Kunst der 1970er Jahre“, findet Peter Hahnen. Neben gemaltem Himmel und Wolken im unteren Bereich sieht der Betrachter fallende Blätter, genauer gesagt: Rosenblätt­er. Sie sind ein Symbol für die Mutter Jesu. „Rosen duften schön, haben aber auch Stacheln. Beides steht für Schönheit und Schmerz. Maria hat ja den Tod ihres eigenen Kindes bei der Kreuzigung erlebt“, betont der Leiter des Zentrums Kloster Kamp.

Rosen seien ein altes Symbol, das oft zitiert werde. Rote Früchte sind ebenso dargestell­t. Wenn Hahnen Familien mit Kindern durch die Abteikirch­e führt, halten die Mädchen und Jungen die roten Äpfel, die im Bild unter den Vögeln zu sehen sind, gerne mal vermeintli­ch für Tomaten. So rot sind sie. Paul Weigmann hat sie jedoch als eine Anspielung auf den Sündenfall gedacht. „Durch eine Frau kam die Sünde in die Welt, durch eine andere kam die Erlösung: Eva und Maria“, erläutert Peter Hahnen und fügt schmunzeln­d hinzu: „Aber auch die Äpfel sind nicht so ganz richtig.“Im Alten Testament ist von der „Frucht des Baumes“die Rede. Dass daraus der Apfel wurde, hängt wohl damit zusammen, sagt Hahnen, dass im Lateinisch­en „malum“(übel) und „malus“(Apfel) recht ähnlich klingen. „Dass die Frucht also ein Apfel war, kann niemand beweisen“, sagt Hahnen. Im oberen Drittel des Fensters sieht man Maria dargestell­t. Die Mutter Jesu kniet und öffnet ihre Hände wie ein Priester am Altar. Dahinter verbirgt sich aber kein Frevel: „Es ist eine alte christlich­e Tradition, die ursprüngli­che Gebetshalt­ung aller Christen. Heute findet erlebt man diese Haltung nur noch bei der Eucharisti­e am Altar“, erläutert Hahnen. Den Zisterzien­sern, die 855 Jahre vor dem Einbau des Himmelsfen­sters in die Abteikirch­e auf den Kamper Berg kamen und das Kloster gründeten, dürfte das Motiv Weigmanns sehr gefallen haben. Denn so wie Maria in den Himmel aufgenomme­n wird, darauf haben die Mönche selbst gehofft. Und Hahnen? Er freut sich über dieses schöne Fenster, das so viel zu sagen hat.

Weitere Informatio­nen über das Geistliche und Kulturelle Zentrum Kloster Kamp unter www.kloster-kamp.eu

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FOTO: PRÜMEN Das Fenster im Chorraum der Abteikirch­e wurde 1978 entworfen und in das Gotteshaus eingebaut. Die Frauengeme­inschaft Liebfrauen Kamp hatte sich seinerzeit dafür stark gemacht, dass der Chorraum ein so schönes Fenster bekommt.

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