Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Unkrautfinder räumen den Garten auf
Janine Siry aus Lüttingen nimmt die Dienste der Sonsbecker Pfadfinder gern in Anspruch und unterstützt sie damit finanziell.
SONSBECK/XANTEN Während der Pandemie gewinnt für viele Menschen der heimische Garten enorm an Wert. In Zeiten von Kontaktbeschränkungen und verwaisten Innenstädten dient er seinen Besitzern gleichermaßen als Rückzugsort und Wohlfühloase. Doch spätestens dann, wenn der genussvolle Rundblick des Hobbygärtners an einem Löwenzahn hängenbleibt, der zwischen Tulpen und Osterglocken sein Dasein behauptet, ist Schluss mit lustig. Da lässt so mancher Gartenbesitzer den Kaffee kalt werden und greift zu Schuffel und Eimer.
Janine Siry bleibt da relativ entspannt, aber irgendwann sieht auch sie Handlungsbedarf. Das Problem: Die Lüttingerin ist Intensivkrankenschwester, ein Beruf, der ihr besonders in Corona-Zeiten einiges abverlangt: „Wir machen schon lange Sonderschichten, das ist meinem Rücken nicht gut bekommen. Ich kann mich schlecht bücken, um das Unkraut zu zupfen.“
In der Rheinischen Post hat sie von dem Angebot der Sonsbecker Pfadfinder gelesen, die gegen ein Taschengeld diverse Arbeiten erledigen, zum Beispiel Unkrautjäten. „Ich finde das Prinzip toll. Die Jugendlichen brauchen Geld und ich Hilfe, das passt. Außerdem war ich früher selber bei den Pfadfindern“, sagt sie.
Ein kurzes Telefonat genügte und am Samstagmorgen standen Lars Ingenlath und William Pinders vor ihrer Tür, in Arbeitskleidung und mit entschlossenem Blick. Der galt zunächst dem Vorgarten mit seiner Blütenpracht, zwischen der sich ungebetene Bewohner eingenistet haben.
Aber was sind Zierpflanzen und was kann weg? Pfadfinder sind keine Gärtner, aber Erfahrung bringen die 13-jährigen schon mit, versichert Lars Ingenlath: „Ich helfe zu Hause hin und wieder bei der Gartenarbeit mit, ein bisschen kenne ich mich inzwischen aus.“Während eine Aussage wie diese bei ambitionierten Hobbygärtnern eine leichte Nervosität hervorrufen würde, bleibt Janine Siry nicht nur entspannt, sie legt die Messlatte auch bewusst niedrig. „Alles, was bunt ist, soll drin bleiben“, lautet die einfache Vorgabe.
Die Jugendlichen aus Sonsbeck sind froh über den Auftrag, ist es doch mit den Corona-Auflagen nicht leicht, Geld für das Weltpfadfindertreffen 2023 in Südkorea
sammeln. Zwischen 2500 und 5000 Euro muss jeder Teilnehmer des World Scout Jamboree (WSJ) in den nächsten beiden Jahren beiseitelegen und leistet damit zugleich einen Akt der Solidarität. „Pfadfinder aus den reichen Ländern zahlen mehr, damit auch Kinder aus Nationen teilnehmen können, die es sich eigentlich nicht leisten könnten“erklärt Mutter Molid Pinders, die an diesem Tag den Fahrdienst übernommen hat.
Lars und William kriechen inzwischen im Garten hinter Sträucher und Büsche und zupfen dabei Giersch und Löwenzahn aus dem Boden. „Hier wächst ganz schön viel Unkraut, unser Besuch hat sich gelohnt“, lautet das erste Fazit von Lars. Zweifel an seiner Entscheidung, Pfadfinder zu werden, kommen ihm in keiner Sekunde: „Dieses Miteinander, der Zusammenhalt und die vielen Erlebnisse in der Gemeinschaft sind einfach toll.“Umso mehr leiden die Scouts, nicht nur die Sonsbecker, derzeit unter den Auflagen, weiß Molid Pinders, die als Jugendliche in ihrem Heimatland Indonesien bei den Pfadfindern war: „Ihre Treffen finden nur digital statt, sie vermissen das Miteinander sehr.“
Am Nachmittag ist der Garten unkrautfrei und die Pfadfinder bieten den Besitzern an, wiederzukommen. Die Lüttingerin Janine Siry nimmt das Angebot sehr gerne an, denn sie weiß: „Wenn der Gärtner schläft, sät der Teufel Unkraut.“