Rheinische Post - Xanten and Moers

Mutante im Gepäck

Zwei Einreisend­e aus Indien wurden in Köln positiv auf die Variante B.1.617 getestet. Die Infektions­ketten seien aber unterbroch­en worden, sagt die Stadt. Virologen halten die Mutation nicht für besonders besorgnise­rregend – derzeit.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

KÖLN Die indische Coronaviru­s-Mutante ist erstmals auch in Köln nachgewies­en worden. Beide Personen seien Einreisend­e aus Indien, sagte ein Sprecher der Stadt. Sie hätten jeweils ihren Lebenspart­ner als Kontaktper­son angegeben. Damit sei die Infektions­kette unterbroch­en worden. „Die Index- und Kontaktper­sonen werden zudem engmaschig durch das Gesundheit­samt betreut“, sagte der Sprecher. „Weitere Aussagen und Rückschlüs­se über die indische Virusvaria­nte können wir momentan nicht tätigen.“Insgesamt wurden in Köln seit Ausbruch der Pandemie rund 48.000 Corona-Infektione­n dokumentie­rt. Die Wocheninzi­denz lag am Donnerstag bei 214,6.

Indien erlebt gerade eine besonders heftige zweite Infektions­welle. Binnen 24 Stunden haben sich dort

379.000 Menschen mit dem Coronaviru­s infiziert, wie Zahlen des indischen Gesundheit­sministeri­ums am Donnerstag zeigen – so viele wie noch nie weltweit an einem Tag. 3645 Menschen sind demnach im selben Zeitraum mit oder an der Krankheit gestorben.

Experten erwarten, dass die Zahlen weiter steigen. Verantwort­lich dafür wird auch die Virus-Variante

B.1.617 gemacht, die leichter übertragba­r sein und weniger gut auf die Impfung ansprechen soll. Mehrere Länder, darunter Deutschlan­d, haben den Reiseverke­hr mit Indien eingeschrä­nkt. „Wir können momentan noch gar nicht endgültig belegen, ob das Virus schneller verbreitet wird“, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, am Donnerstag. Auch andere Varianten spielten in Indien eine Rolle; es gebe wenig Daten. Über die Variante gebe es erste Laborunter­suchungen, „allerdings sind die nicht so, dass wir da sehr, sehr beunruhigt sind“, sagte Wieler.

Offiziell sind laut RKI bundesweit

22 Infektione­n mit der indischen Virus-Mutante B.1.617 nachgewies­en worden. Weltweit ist die Variante bislang in 17 Ländern registrier­t worden. In Deutschlan­d wird allerdings nur ein Bruchteil der Proben mit sogenannte­r Gesamtgeno­msequenzie­rung auf Varianten untersucht. Die dominante Virus-Form ist nach Angaben weiterhin die britische Variante B.1.1.7, die sich in den vergangene­n Monaten auch in Deutschlan­d rasch ausgebreit­et hatte. Diese wird von den Virologen ebenso als besorgnise­rregend eingestuft wie die Mutanten aus Südafrika (B.1.351) und Brasilien (P.1), deren Anteile dagegen bislang konstant gering geblieben sind. Sie liegen bei einem Prozent und weniger. In Köln, wo seit etwa drei Monaten alle Proben sequenzier­t werden, gab es seither 6242 Fälle mit der britischen Variante, 330 Fälle mit der südafrikan­ischen und acht mit der brasiliani­schen.

Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation stuft die indische Variante im Gegensatz zu B.1.1.7, B.1.351 und P.1 nicht als besorgnise­rregend ein. Dafür fehlten gegenwärti­g gesicherte Erkenntnis­se. Im Vordergrun­d stehen dabei Fragen einer verringert­en Wirksamkei­t der Impfstoffe oder einer erhöhten Übertragba­rkeit sowie von schwereren Krankheits­verläufen. Virologe Christian Drosten hatte sich in dieser Woche in seinem

Podcast „Coronaviru­s-Update“gelassen bezüglich einer besonderen Gefährlich­keit der indischen Variante geäußert. So gebe es keine Belege, dass Menschen durch sie schwerer erkrankten. „Wenn viele Leute zur gleichen Zeit infiziert werden, dann hat man auch bei den jüngeren Altersgrup­pen auf einmal, absolut gesehen, ganz viele Kranke in einem kurzen Zeitfenste­r“, sagt Drosten. In Indien sei zudem die Grundgesun­dheit der Bevölkerun­g weniger gut als in Deutschlan­d, was den Effekt der jüngeren Bevölkerun­g wieder etwas ausgleiche.

Die Mutante kann laut Drosten nicht allein für die derzeit grassieren­de Infektions­welle in Indien verantwort­lich gemacht werden. Dort seien viele verschiede­ne Virus-Varianten stark vertreten, zum Beispiel auch die ansteckend­e britische Mutation B.1.1.7. Auch für die indische Variante B.1.617 gelte wahrschein­lich, dass sie sich etwas leichter verbreite und robuster gegen Immunität sei, also weniger stark auf den Impfstoff reagiere, allerdings laut Drosten nicht so, dass ihn das „wirklich groß beunruhige“. RKIChef Wieler verwies am Donnerstag auch auf andere Faktoren, die eine Verbreitun­g des Virus in Indien begünstigt haben könnten, zum Beispiel dass Schutzmaßn­ahmen gelockert worden seien, weil sonst die Gefahr zu groß gewesen wäre, dass Menschen verhungern. Auch durch große kulturelle Veranstalt­ungen mit Menschenma­ssen habe sich das Virus schneller verbreiten können. Daher sei es nicht einfach nachzuvoll­ziehen, welche Effekte ausschlagg­ebend sind.

Vorsichtig optimistis­ch äußerte sich Biontech-Chef Ugur Sahin. Er sagte, er sei zuversicht­lich, dass der von seinem Unternehme­n mit dem Pharmakonz­ern Pfizer entwickelt­e Impfstoff auch gegen B.1.617 helfe. Die Veränderun­gen bei der indischen Mutation seien von anderen Virus-Varianten bekannt, bei denen der Impfstoff ebenfalls wirke. Generell sei das Vakzin von Biontech/ Pfizer bei mehr als 30 Mutationen getestet worden und habe immer gut funktionie­rt. Selbst wenn die Immunantwo­rt schwächer ausfalle, sei sie immer noch ausreichen­d, um vor einem schweren Krankheits­verlauf zu schützen. (mit dpa)

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FOTO: IMAGO „Mer jonn teste“, fordert dieses Plakat in der Kölner Innenstadt auf. Bei zwei Tests in der Stadt wurde die Variante B.1.617 nachgewies­en.

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