Rheinische Post - Xanten and Moers
Mutante im Gepäck
Zwei Einreisende aus Indien wurden in Köln positiv auf die Variante B.1.617 getestet. Die Infektionsketten seien aber unterbrochen worden, sagt die Stadt. Virologen halten die Mutation nicht für besonders besorgniserregend – derzeit.
KÖLN Die indische Coronavirus-Mutante ist erstmals auch in Köln nachgewiesen worden. Beide Personen seien Einreisende aus Indien, sagte ein Sprecher der Stadt. Sie hätten jeweils ihren Lebenspartner als Kontaktperson angegeben. Damit sei die Infektionskette unterbrochen worden. „Die Index- und Kontaktpersonen werden zudem engmaschig durch das Gesundheitsamt betreut“, sagte der Sprecher. „Weitere Aussagen und Rückschlüsse über die indische Virusvariante können wir momentan nicht tätigen.“Insgesamt wurden in Köln seit Ausbruch der Pandemie rund 48.000 Corona-Infektionen dokumentiert. Die Wocheninzidenz lag am Donnerstag bei 214,6.
Indien erlebt gerade eine besonders heftige zweite Infektionswelle. Binnen 24 Stunden haben sich dort
379.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, wie Zahlen des indischen Gesundheitsministeriums am Donnerstag zeigen – so viele wie noch nie weltweit an einem Tag. 3645 Menschen sind demnach im selben Zeitraum mit oder an der Krankheit gestorben.
Experten erwarten, dass die Zahlen weiter steigen. Verantwortlich dafür wird auch die Virus-Variante
B.1.617 gemacht, die leichter übertragbar sein und weniger gut auf die Impfung ansprechen soll. Mehrere Länder, darunter Deutschland, haben den Reiseverkehr mit Indien eingeschränkt. „Wir können momentan noch gar nicht endgültig belegen, ob das Virus schneller verbreitet wird“, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, am Donnerstag. Auch andere Varianten spielten in Indien eine Rolle; es gebe wenig Daten. Über die Variante gebe es erste Laboruntersuchungen, „allerdings sind die nicht so, dass wir da sehr, sehr beunruhigt sind“, sagte Wieler.
Offiziell sind laut RKI bundesweit
22 Infektionen mit der indischen Virus-Mutante B.1.617 nachgewiesen worden. Weltweit ist die Variante bislang in 17 Ländern registriert worden. In Deutschland wird allerdings nur ein Bruchteil der Proben mit sogenannter Gesamtgenomsequenzierung auf Varianten untersucht. Die dominante Virus-Form ist nach Angaben weiterhin die britische Variante B.1.1.7, die sich in den vergangenen Monaten auch in Deutschland rasch ausgebreitet hatte. Diese wird von den Virologen ebenso als besorgniserregend eingestuft wie die Mutanten aus Südafrika (B.1.351) und Brasilien (P.1), deren Anteile dagegen bislang konstant gering geblieben sind. Sie liegen bei einem Prozent und weniger. In Köln, wo seit etwa drei Monaten alle Proben sequenziert werden, gab es seither 6242 Fälle mit der britischen Variante, 330 Fälle mit der südafrikanischen und acht mit der brasilianischen.
Auch die Weltgesundheitsorganisation stuft die indische Variante im Gegensatz zu B.1.1.7, B.1.351 und P.1 nicht als besorgniserregend ein. Dafür fehlten gegenwärtig gesicherte Erkenntnisse. Im Vordergrund stehen dabei Fragen einer verringerten Wirksamkeit der Impfstoffe oder einer erhöhten Übertragbarkeit sowie von schwereren Krankheitsverläufen. Virologe Christian Drosten hatte sich in dieser Woche in seinem
Podcast „Coronavirus-Update“gelassen bezüglich einer besonderen Gefährlichkeit der indischen Variante geäußert. So gebe es keine Belege, dass Menschen durch sie schwerer erkrankten. „Wenn viele Leute zur gleichen Zeit infiziert werden, dann hat man auch bei den jüngeren Altersgruppen auf einmal, absolut gesehen, ganz viele Kranke in einem kurzen Zeitfenster“, sagt Drosten. In Indien sei zudem die Grundgesundheit der Bevölkerung weniger gut als in Deutschland, was den Effekt der jüngeren Bevölkerung wieder etwas ausgleiche.
Die Mutante kann laut Drosten nicht allein für die derzeit grassierende Infektionswelle in Indien verantwortlich gemacht werden. Dort seien viele verschiedene Virus-Varianten stark vertreten, zum Beispiel auch die ansteckende britische Mutation B.1.1.7. Auch für die indische Variante B.1.617 gelte wahrscheinlich, dass sie sich etwas leichter verbreite und robuster gegen Immunität sei, also weniger stark auf den Impfstoff reagiere, allerdings laut Drosten nicht so, dass ihn das „wirklich groß beunruhige“. RKIChef Wieler verwies am Donnerstag auch auf andere Faktoren, die eine Verbreitung des Virus in Indien begünstigt haben könnten, zum Beispiel dass Schutzmaßnahmen gelockert worden seien, weil sonst die Gefahr zu groß gewesen wäre, dass Menschen verhungern. Auch durch große kulturelle Veranstaltungen mit Menschenmassen habe sich das Virus schneller verbreiten können. Daher sei es nicht einfach nachzuvollziehen, welche Effekte ausschlaggebend sind.
Vorsichtig optimistisch äußerte sich Biontech-Chef Ugur Sahin. Er sagte, er sei zuversichtlich, dass der von seinem Unternehmen mit dem Pharmakonzern Pfizer entwickelte Impfstoff auch gegen B.1.617 helfe. Die Veränderungen bei der indischen Mutation seien von anderen Virus-Varianten bekannt, bei denen der Impfstoff ebenfalls wirke. Generell sei das Vakzin von Biontech/ Pfizer bei mehr als 30 Mutationen getestet worden und habe immer gut funktioniert. Selbst wenn die Immunantwort schwächer ausfalle, sei sie immer noch ausreichend, um vor einem schweren Krankheitsverlauf zu schützen. (mit dpa)