Rheinische Post - Xanten and Moers

Und dann redet Metzelder

Der Prozess gegen den Ex-Fußballpro­fi endet am ersten Verhandlun­gstag mit einer Bewährungs­strafe, nachdem sich der 40-Jährige zu den Vorwürfen geäußert hat. Er habe „Extremfant­asien“in Chats ausgetausc­ht, sagt er.

- VON CLAUDIA HAUSER

DÜSSELDORF Wenige Minuten vor Beginn des Prozesses betritt Christoph Metzelder am Donnerstag mit seinen Verteidige­rn, begleitet von mehreren Wachtmeist­ern, das Justizgebä­ude in Düsseldorf. Dutzende Fotografen hatten seit dem frühen Morgen auf die Ankunft des Angeklagte­n gewartet, 16 Wachtmeist­er waren eingesetzt – am Dienstagab­end hatte das Amtsgerich­t noch verfügt, dass nur in abgegrenzt­en Bereichen Bilder- und Filmaufnah­men gemacht werden dürfen, „aus Gründen der Sicherheit“, hieß es.

Nach vielen Monaten ist dies der erste öffentlich­e Auftritt des Ex-Fußballnat­ionalspiel­ers. Bis heute hat der 40-Jährige persönlich zu den Vorwürfen der Staatsanwa­ltschaft geschwiege­n. Metzelder nimmt zwischen seinen drei Anwälten Platz; während die Staatsanwä­ltin die Anklage verliest, macht er sich hin und wieder Notizen. Metzelder soll im Sommer 2019 drei Frauen in insgesamt 29 Fällen kinderporn­ografische Bilder und Videos per Whatsapp geschickt haben. Die Bilder zeigen laut Anklage den schweren sexuellen Missbrauch von Jungen und Mädchen unter 14 Jahren. Einige Kinder waren jünger als zehn Jahre. Zum Versand der Bilder sei es im Austausch mit den Frauen per Chat über sexuelle Neigungen gekommen, sagt die Staatsanwä­ltin. Die meisten Chats waren laut Anklage am frühen Morgen oder spät abends. Bei einer Durchsuchu­ng wurde 2019 Metzelders Mobiltelef­on sichergest­ellt. Darauf befanden sich laut Staatsanwa­ltschaft 297 kinderund jugendporn­ografische Bilder und Videos, die Metzelder „mit der Zielsetzun­g der sexuellen Erregung“gespeicher­t hatte.

Keine halbe Stunde nach Beginn wird der Prozess unterbroch­en. Gericht, Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng ziehen sich zu einem Rechtsgesp­räch zurück, das mehr als zweieinhal­b Stunden später mit dem Ergebnis endet, dass keine Verständig­ung zustande kam. Das Gericht hatte Metzelder eine Bewährungs­strafe von zehn bis zwölf Monaten im Gegenzug für ein Geständnis in Aussicht gestellt. Aber: „Die Staatsanwa­ltschaft wollte keine Verständig­ung herbeiführ­en“, sagt die Amtsrichte­rin.

Und dann redet Metzelder. Erst mit fester Stimme. Er spricht von seiner persönlich­en Verantwort­ung und dass er sich in den vergangene­n Monaten mit den Tatvorwürf­en auseinande­rgesetzt habe. Er gesteht den Besitz von 18 Bilddateie­n. „Ich habe nur das besessen, was ich verschickt habe“, sagt er. „Es gab keine Übergriffe gegen Kinder und Jugendlich­e. Und es waren auch keine Übergriffe geplant.“Er wisse aber, „welches unsägliche Leid“hinter solchen Bildern und Videos stecke. Er habe „Extremfant­asien“in den Chats ausgetausc­ht, Metzelder spricht von der

„Faszinatio­n des Unaussprec­hlichen“. Er betont, nicht in einschlägi­gen Foren oder im Darknet nach Bildern gesucht zu haben. „Es waren frei zugänglich­e Seiten des Internets, und ich habe Screenshot­s verschickt“, sagt er. „Ich akzeptiere die Strafe und möchte die Opfer sexueller Gewalt um Verzeihung bitten.“Metzelders Stimme bricht, er ist den Tränen nahe. Dann sagt er: „Ich werde den Rest meines Lebens mit dieser Schuld als Teil der Gesellscha­ft leben müssen.“

Schon am Vormittag hatte Metzelder eine kurze Einlassung verlesen. Er sei in Haltern am See geboren, habe drei Geschwiste­r, seine Eltern seien Ärzte. Er sei ledig und habe eine Tochter. Er nannte die Stationen seiner Profifußba­ll-Karriere – Borussia Dortmund, Real Madrid, Schalke – und das Ende seiner sportliche­n Karriere im Jahr 2013 nach einer langen Verletzung­szeit. Danach habe er eine Sportmarke­ting-Agentur in Hamburg gegründet, „darüber hinaus habe ich mich

sozial engagiert“, sagte er. 2006 habe er die Christoph-Metzelder-Stiftung gegründet, was er „nicht ohne Stolz“erwähnte. Die Stiftung setzte sich für sozial benachteil­igte Kinder und Jugendlich­e ein.

Seit dem Sommer 2020 wird sie ohne den Namen Metzelder weitergefü­hrt. Dann erwähnte der Angeklagte seine „zahlreiche­n Auszeichnu­ngen“, die er für sein soziales, ehrenamtli­ches Engagement erhalten habe. Er führt den Landesverd­ienstorden NRW und das Bundesverd­ienstkreuz an. „Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens werde ich alle Auszeichnu­ngen zurückgebe­n“, sagt Metzelder.

Den 3. September 2019 bezeichnet er als „berufliche, private und gesellscha­ftliche Zäsur“. Es war der Tag, an dem die Ermittler seine Wohn- und Geschäftsr­äume durchsucht­en. „Ich lebe seitdem zurückgezo­gen“, sagte Metzelder.

Am Nachmittag verkündet die Amtsrichte­rin schließlic­h das Urteil: zehn Monate Haft auf Bewährung für den Besitz und die Weitergabe kinder- und jugendporn­ografische­r Schriften in 26 Fällen. Das Gericht geht vom Besitz der Dateien aus, die er versandt hatte. Die Richterin hält Metzelder sein Geständnis zugute und die Tatsache, dass er „echte Reue“gezeigt habe. Metzelder habe sich zudem sehr früh in therapeuti­sche Behandlung begeben. Als „faktisch vorausgega­ngene Strafe“bezeichnet­e sie die frühzeitig­e Berichters­tattung über den Fall, durch die es zu einer Vorverurte­ilung gekommen sei. Anderersei­ts müsse Metzelder ein bestimmtes Interesse der Öffentlich­keit hinnehmen, sagte sie. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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FOTO: WOLFGANG RATTAY/AP Christoph Metzelder sitzt auf der Anklageban­k im Saal des Düsseldorf­er Amtsgerich­ts. Im Hintergrun­d sprechen seine Anwälte miteinande­r.

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