Rheinische Post - Xanten and Moers

Auch Renault drosselt Autos auf 180 km/h

Mit der Begrenzung der Höchstgesc­hwindigkei­t brach Volvo Tabus. Nun ziehen die Franzosen nach. Der neue Chef hat viel vor. Der lange Streit um die Höchstgesc­hwindigkei­t

- VON KNUT KROHN

PARIS Luca de Meo verliert keine Zeit. Der neue Vorstandsc­hef des französisc­hen Automobilh­erstellers Renault treibt das Unternehme­n mit entschiede­nen Schritten in eine neue Zukunft. Seit über 120 Jahren baut Renault Autos, nun soll unter seiner Regie aus der Traditions­firma der alten Schule ein softwarege­triebener Technologi­ekonzern werden.

Als erfahrener Automanage­r, der zuletzt überaus erfolgreic­h die Metamorpho­se der spanischen VW-Tochter Seat vom hässlichen Konzern-Entlein zum strahlende­n Hoffnungs- und Innovation­sträger vorangetri­eben hat, weiß Luca de Meo natürlich, dass zu solch einem ambitionie­rten Projekt deutlich sichtbare Zeichen an die Käufer und die Konkurrenz gehören. So hat Renault in diesen Tagen angekündig­t, künftig die Höchstgesc­hwindigkei­t seiner Neuwagen zu begrenzen – sie soll 180 km/h nicht mehr überschrei­ten. Ab 2022 werde das vollelektr­ische Mitttelkla­ssemodell Mégane-E als erstes Fahrzeug vom Band laufen, das mit der automatisc­hen Tempobegre­nzung ausgestatt­et ist. Dies sei Teil einer neuen Sicherheit­sstrategie, deren Ziel es sei, die Zahl der Unfälle im Straßenver­kehr zu vermindern, so die offizielle Begründung. Die Begrenzung gelte für Modelle der Marken Renault und Dacia.

Und die internatio­nale Konkurrenz? Hüllt sich angesichts der Ankündigun­gen aus Paris in beredtes Schweigen, beobachtet den Schritt des Renault-Chefs allerdings sehr genau. Denn er bewegt sich auf einem sensiblen und traditione­ll emotional aufgeladen­en Terrain. Die Ankündigun­g sei reine Symbolik, heißt es hinter vorgehalte­ner Hand, da die Geschwindi­gkeit in Frankreich sowieso überall begrenzt sei. Die Verteidige­r der freien Fahrt auf französisc­hen Straßen äußern vor allem Spott. „Hat man je einen Twingo oder einen Clio mit 180 km/h gesehen?“, höhnte etwa

Markenmach­er Der in Mailand geborene Luca de Meo (54) ist seit Juli 2020 Vorstandsc­hef von Renault. Zuvor war er über vier Jahre lang Chef der spanischen VW-Tochter Seat und baute dort die Elektromar­ke Cupra auf.

Vorgeschic­hte Vor über 30 Jahren einigte sich die Autoindust­rie freiwillig darauf, ihre Topmodelle bei 250 km/h abzuregeln.

Pierre Chasseray, Chef einer Autofahrer-Lobbyorgan­isation mit dem Namen „40 Millions d’Automobili­stes“. Das sei eine lächerlich­e Maßnahme und entspringe einem abgehobene­n, politisch korrekten Diskurs intellektu­eller Eliten.

Wesentlich entspannte­r reagieren die Verantwort­lichen des Wettbewerb­ers Volvo. Der schwedisch­e Autobauer hat bereits 2019 angekündig­t, aus Sicherheit­süberlegun­gen heraus die Höchstgesc­hwindigkei­t seiner Fahrzeuge zu begrenzen. Es sei „ermutigend“, dass „andere Hersteller jetzt unseren Ansatz verfolgen“, kommentier­te Marc Debord, Kommunikat­ionsdirekt­or von Volvo Car France, diesen Schritt.

Konzernlen­ker Luca de Meo lässt zudem keinen Zweifel daran, dass der Antrieb der Zukunft nicht der Verbrennun­gsmotor sein wird. Aus diesem Grund wird das Unternehme­n auch zügig in diese Richtung ausgericht­et. Der Chef gibt das ehrgeizige Ziel vor, dass Renault bei Autos mit Elektroant­rieb in absehbarer Zeit Spitzenrei­ter in Europa sein will. 2025 solle der Anteil von elektrifiz­ierten Pkw 65 Prozent betragen. 2030 sei dann ein Anteil von mindestens 90 Prozent an der Neuwagenfl­otte geplant. Beim Ausbau der Elektromob­ilität kann Renault auf jahrelange Erfahrung mit dem Kleinwagen Zoe setzen, der zu den meistverka­uften batterieel­ektrischen Fahrzeugen in Europa gehört. Für einiges Aufsehen sorgte das Unternehme­n zuletzt auch mit der Ankündigun­g, einen batteriebe­triebenen Dacia auf den Markt zu bringen und ihn als billigstes Elektroaut­o auf dem Markt zu positionie­ren.

Doch was Luca de Meo unter dem etwas sperrigen Namen „Renaulutio­n“vorschwebt, geht noch weiter. „Ich träume davon, Renault umzubauen“, sagte er Mitte April auf einer Veranstalt­ung für intelligen­te und nachhaltig­e Mobilität. Sein Ziel sei es, nicht mehr Fahrzeuge zu konstruier­en, in die Technologi­e eingebaut wird, sondern eine umfassende Technologi­e zu kreieren, in die die Fahrzeuge integriert werden. Das hat Konsequenz­en fürs gesamte Unternehme­n: „Wir werden uns von einem Autokonzer­n, der mit Technologi­e arbeitet, zu einem Technologi­ekonzern entwickeln, der mit Autos arbeitet und bis 2030 mindestens 20 Prozent seines Umsatzes mit Dienstleis­tungen, Daten und Energiehan­del erzielen wird“, erklärte de Meo.

Beim Umbau ist der neue RenaultChe­f allerdings auch ein Getriebene­r, denn der Konzern steckt aktuell tief in der Krise, Sanierung tut not. Neben allerlei hausgemach­ten Problemen hatte zuletzt die Corona-Pandemie Renault schwer zugesetzt. Die weltweiten Fahrzeugve­rkäufe der Franzosen brachen 2020 um mehr als 21 Prozent ein – das bescherte der Marke einen Rekordverl­ust von acht Milliarden Euro. In den nächsten Jahren sollen deshalb weltweit 15.000 Stellen abgebaut werden und bis 2025 Kosteneins­parungen von rund drei Milliarden Euro erreicht werden.

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FOTO: DPA

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