Rheinische Post - Xanten and Moers
Das teure Erbe des Samsung-Chefs
Neun Milliarden Euro an den Staat: Nach dem Tod von Patriarch Lee Kun-hee fällt eine Rekordsteuer an.
SEOUL Eines der vielen makabren Gerüchte, die sich die Südkoreaner über den mächtigen Elektronikkonzern Samsung zu erzählen wissen, besagt: Die mächtige Familiendynastie habe den Tod des Vorstandsvorsitzenden Lee Kun-hee, der nach einem Schlaganfall viele Jahre lang im Krankenhausbett vor sich hinvegetierte, nur deshalb künstlich hinausgezögert, weil man die horrende Erbschaftsteuer vermeiden wollte. Im Oktober vergangenen Jahres schließlich ist der 78-Jährige gestorben. Prompt ließ seine Familie in einer Stellungnahme verkünden, dass man aus „Bürgerpflicht und Verantwortung“sämtliche anfallenden Steuern zahlen würde.
Dass die hierbei aufgerufene Summe horrend ausfallen würde, war klar: Die Erbschaftsteuer beträgt in Südkorea weltweit wohl einmalige 50 Prozent, bei Firmenanteilen fällt sie oftmals noch höher aus. Die diese Woche bekannt gegebene
Zahlung ist zweifelsohne die größte in der südkoreanischen Geschichte: Zwölf Trillionen Won müssen die Erben des reichsten Managers des Landes nach dessen Tod entrichten, gestaffelt in sechs Tranchen. Umgerechnet sind das über neun Milliarden Euro. Lees Gesamtvermögen soll mindestens 22 Milliarden Euro betragen.
Südkorea wird im Volksmund nicht zu Unrecht als „Samsung-Republik“
bezeichnet. Es gibt wenige Länder, in denen ein Unternehmen derart eng mit der rasanten Entwicklung des Staats verknüpft ist und deren Wirtschaft in dieser Weise dominiert wird. Samsung stellt in seinem Heimatmarkt nicht nur Smartphones und Fernseher her, sondern baut auch Apartmentsiedlungen, offeriert Lebensversicherungen und dominiert die Unterhaltungsindustrie. Samsung generiert im Alleingang nahezu ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts.
Um die jetzige Steuerlast zu senken, hat die Lee-Familie
23.000 Kunstwerke aus der Privatsammlung an mehrere Museen gespendet. Auch im Ausland habe es einen solchen Fall bislang nur selten gegeben, verkündet der öffentlich-rechtliche Rundfunk KBS mit hörbarem Stolz. In der Sammlung befinden sich unter anderem Werke von Monet, Picasso und Dalí. Zudem spendete die Lee Familie über
740 Millionen Euro für gute Zwecke im Gesundheitssystem.
Doch trotz der großzügigen Wohltätigkeit haben die meisten Südkoreaner ein eher ambivalentes Verhältnis zu ihrem größten Mischkonzern. Einerseits verkörpert er zwar den neugewonnenen Stolz des Landes, das sich vom armen Agrarstaat nach dem Koreakrieg zur zwölftgrößten Volkswirtschaft der Welt hochgearbeitet hat. Samsungs Smartphones sind gewissermaßen Ausdruck dieser Erfolgsgeschichte: technologisch führend, weltweit populär, spektakulär vermarktet.
Zugleich symbolisiert der Konzern aber auch die unternehmerische Gier der Elite des Landes, die sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder über dem Gesetz wähnte: Auch Lee Kun-hee landete regelmäßig in den Negativschlagzeilen wegen angeblicher Steuerhinterziehung und der Ausbeutung von Arbeitern. Sein Sohn, der 52-jährige Lee Jae-yong, sitzt derzeit eine
30-monatige Gefängnisstrafe ab, weil er die damalige Präsidentin Park Geun-hye bestochen hat.