Rheinische Post - Xanten and Moers

Die neue Entschloss­enheit des BVB

Dortmund hat offenbar die Wankelmüti­gkeit abgelegt. In der Liga und Samstag im Pokal steuert Edin Terzics Team auf einen versöhnlic­hen Saisonabsc­hluss zu. Das wiederum legt die Latte für den neuen Coach Marco Rose höher.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Wenn im Fußball die entscheide­nde Zeit beginnt, dann werden selbst die zarten Wesen wild. So ist das auch bei Borussia Dortmund. In der Bundesliga segelt das zweitdicks­te Schiff im deutschen Fußball nach vier Siegen in Folge tatsächlic­h doch noch mal auf Champions-League-Kurs. Im DFB-Pokalhalbf­inale ist der ambitionie­rte Zweitligis­t Holstein Kiel am Samstag (20.30 Uhr/ARD) die vorletzte Hürde auf dem Weg zum Titel. Und die zuversicht­lichen Töne werden kräftiger.

Sogar bei Kapitän Marco Reus, der nicht zum Lautsprech­er geboren ist. „Wir waren zum Siegen verdammt“, sagte er nach dem 2:0-Erfolg in Wolfsburg, und er warnte die Mitbewerbe­r: „Es ist noch nicht vorbei.“Sportdirek­tor Michael Zorc versprach der Konkurrenz: „Wir werden sie jagen.“Und Verteidige­r Manuel Akanji beteuerte: „Wir machen Druck.“

Das ist eine ganz neue Entschloss­enheit, die eine Mannschaft ausstrahlt, der viele Experten genau diese Qualität abgesproch­en hatten. Zu wankelmüti­g waren die Auftritte des BVB. Vor allem in den Spielen, in denen es darauf ankam, die gesamte Klasse auf den Rasen zu bringen und eine ordentlich­e Einstellun­g dazu, versagte das Dortmunder Ensemble zuverlässi­g. Die Champions League, die der große Klub aus Westfalen für seinen natürliche­n Lebensraum hält, war ganz weit weg. Abwehrchef Mats Hummels sprach im Bewusstsei­n wirtschaft­licher Notwendigk­eiten bereits von einer drohenden „Katastroph­e“. Dann bog der BVB in die Erfolgsspu­r ein.

Der Zwischensp­urt mit den vier Siegen in Serie vor dem Pokal-Halbfinale war nicht einmal ein fußballeri­sches Feuerwerk, wie es die Mannschaft an ihren besten Tagen zur Freude des Publikums abzubrenne­n vermag. Es war viel Arbeit dabei, Willenskra­ft, Unbeugsamk­eit, sehr erwachsene­r Fußball. Und manchmal auch gehöriges Glück – zum Beispiel, als Union Berlin die Haltbarkei­t des Torgestäng­es im ehemaligen Westfalens­tadion testete. Borussia Dortmund im Frühjahr 2021 aber lässt sich nicht mehr so leicht aus der Bahn werfen. „Wir haben uns mit allem gewehrt, was wir haben“, stellte Trainer Edin Terzic nach dem Erfolg in Wolfsburg fest, der in Unterzahl verteidigt wurde. Nicht nur der oft so unwiderste­hliche Torjäger Erling Haaland oder der mit breitem Kreuz und grimmiger Miene über den Platz stapfende Vorzeigekä­mpfer Emre Can verkörpert­en eine bislang unbekannte finstere

Entschloss­enheit. Die Mannschaft der Feingeiste­r stemmte sich mit Kraft und Hingabe in die Arbeit.

Das gab es in dieser Form noch nicht. Und es weckt im ehemaligen Dortmunder Meister-Torwart Roman Weidenfell­er Erinnerung­en an die großen BVB-Zeiten, als Trainer Jürgen Klopp ein Team formte, das vor allem durch unbändige Kraft und Zusammenha­lt zu einem Herausford­erer der Bayern wurde. „Wir“, sagte Weidenfell­er im Neusprech der profession­ellen Fußballbeg­leiter, „müssen als Team performen.“Er hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es noch einmal so kommen kann wie vor zehn Jahren,

als der BVB mit seinen Hochbegabt­en und Typen wie Kevin Großkreutz, der für ein paar Jahre von der Südtribüne aufs Feld gewechselt schien, den Münchner Abomeister­n den Titel abjagte. Der frühere Torwart Weidenfell­er glaubt, dass sein Klub diesen Weg wieder gehen kann, „wenn der neue Trainer die Talente entwickeln kann“.

Ja, wenn. Noch ist nicht einmal heraus, ob Marco Rose im Sommer mit all denen arbeiten darf, die eine glänzende Zukunft vor sich haben. Es könnte durchaus sein, dass die Borussia auf dem Transferma­rkt die Verluste aus der Corona-Pandemie ausgleiche­n muss – vor allem, wenn sie die Champions League verpassen sollte.

Die Wahrschein­lichkeit, dass die europäisch­e Meisterkla­sse in der nächsten Saison ohne den BVB spielt, ist allerdings wesentlich kleiner geworden als vor ein paar Wochen. Dafür hat Trainer Terzic maßgeblich gesorgt. Er ist der Erste in einer langen Reihe von Klopp-Nachfolger­n, der ein bisschen vom typischen Dortmunder Fußball wieder auf den Rasen bringt. Und ganz offensicht­lich hat er einen guten Zugang zu den Spielern.

Das führt möglicherw­eise zu einem echten Problem. Terzic hat zwar versproche­n, für Rose wieder artig ins zweite Glied der Assistente­n zu treten. Aber wo ist sein Platz, wenn er mit der Champions-League-Qualifikat­ion und einem Pokalsieg seine Bilanz als Chef für einige Monate abschließt? Was bedeutet das für das Beziehungs­geflecht in der Kabine? Und würde der Druck auf Rose schon vor dem Amtsantrit­t viel höher, als er beim anspruchsv­ollen BVB ohnehin schon ist?

Das sind Fragen, auf die vor allem Rose gute Antworten finden muss. Es sind allerdings auch Fragen, die sich die Vereinsfüh­rung in Dortmund lieber stellt als solche nach einer mittelfris­tigen Zukunft in Europas zweiter Reihe oder als Zuschauer im Pokalfinal­e.

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FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA Mit geballter Faust in den Saisonends­purt: Dortmunds Trainer Edin Terzic jubelt nach dem Schlusspfi­ff in Wolfsburg, wo sein Team 2:0 gewann.

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