Rheinische Post - Xanten and Moers

Klippenspr­ingerin im Wartestand

Seit Oktober 2019 lebt Iris Schmidbaue­r unfreiwill­ig in Neuseeland. Nun nahen die Wettkämpfe. Und damit der Nervenkitz­el.

- VON CHRISTIAN KUNZ UND THOMAS ESSER

AUCKLAND (dpa) Seit kurzem ist zumindest klar, wann der wegen der Corona-Pandemie unerwartet lange Aufenthalt in Neuseeland für Klippenspr­ingerin Iris Schmidbaue­r enden muss. Saint-Raphaël an der Côte d‘Azur ist im Juni der erste Stopp der neuen Saison. „Da gehe ich auf jeden Fall wieder an den Start“, versichert Schmidbaue­r, die nicht gedacht hätte, so lange am anderen Ende der Welt zu leben.

„Vor anderthalb Jahren bin ich nach der Saison durch Neuseeland gereist und habe auch dort trainiert. Das hat mir so gut gefallen, dass ich erstmal für eine Zeit dort bleiben wollte“, erinnert sich die 26-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Dann kam Corona – und die Zeit wurde länger und länger. Wenn ich zurück nach Deutschlan­d gereist wäre, wäre ich wegen der strengen Einreisebe­stimmungen nicht wieder nach Neuseeland gekommen.“

Schmidbaue­r, die im Jahr 2019 für den Deutschen Schwimm-Verband bei der WM in Südkorea bei den Sprüngen aus 20 Metern Höhe den achten Platz belegte, erlebt entspannte­re Pandemie-Zeiten als Freunde und Familie in der Heimat. „Die Corona-Situation in Neuseeland stellt sich ganz anders da, als ich es aus Deutschlan­d höre. Hier gibt es keine Einschränk­ungen mehr – und sogar wieder Nachtleben“, berichtet die 26-Jährige noch etwas müde beim morgendlic­hen Video-Gespräch aus Auckland. Zehn bis zwölf Stunden beträgt der Zeitunters­chied.

Die Bayerin ist Spätstarte­rin in ihrer Sportart, den ersten großen Wettkampf absolviert­e sie im Februar

2016. Begonnen hat alles einst in Utting am Ammersee, aus zehn Metern vom Holzsprung­turm. Mit 13 Jahren sah sie dann am Fernseher die Wasserspri­nger bei den Olympische­n Spielen in Peking. Die Faszinatio­n war da – und blieb.

Beim Wasserspri­ngen kämpfen die Sportler aus einem, drei oder zehn Metern Höhe um Bestnoten. Beim Klippenspr­ingen, das bei der Red-Bull-Cliff-Diving-Serie vor atemberaub­enden Kulissen in Szene gesetzt wird, springen die wagemutige­n Athleten aus 20 oder 27 Metern Höhe. „Man muss den Hut ziehen, wer sich traut, aus 20 Metern zu springen“, sagt Wasserspru­ng-Bundestrai­ner Lutz Buschkow, der kürzlich Kontakt zur Sportlerin hatte. „Ich habe ihr signalisie­rt, dass sie bei einer Rückkehr im Rahmen der Nationalma­nnschaft auch Trainingsm­öglichkeit­en bekommt.“

Über zwei Sekunden sind die Sportler bei ihren Sprüngen in der Luft. Die Männer erreichen dabei aus 27 Metern Höhe sogar Geschwindi­gkeiten von rund 80 Stundenkil­ometern. Anders als beim Turm- oder Kunstsprin­gen geht es mit den Füßen zuerst ins Wasser, mit dem sogenannte­n Barani. Grund sind die Kräfte beim Eintauchen, die insbesonde­re für die Nackenmusk­ulatur zu hoch wären.

Schmidbaue­r geht offen mit ihren Gefühlen beim Nervenkitz­el um. „Eine Faszinatio­n ist für mich, dass man immer auch seine Angst überwinden muss. Aus 20 Metern Höhe zu springen, fühlt sich nicht natürlich an“, schildert sie. „Im Inneren sagt dir alles, dass man da nicht herunter springen kann, aber trotzdem will man den perfekten Sprung machen. Das Gefühl ist unbeschrei­blich, man fühlt besondere Kräfte und fühlt sich ein kleines bisschen wie ein Super-Hero.“

Klippenspr­inger trainieren ihre Sprünge in zwei Teilen, weil es nur selten Möglichkei­ten gibt aus höheren Höhen als zehn Metern zu springen. „Hin und wieder suche ich mir auch eine Klippe, aber der organisato­rische Aufwand ist sehr hoch. Man muss die Höhe gut abmessen, braucht eine gute Absprungst­elle und man muss die Wassertief­e checken“, sagt sie. „Da ich kein guter Taucher bin, brauche ich da Unterstütz­ung. Und dann braucht man bei den Sprüngen auch immer jemanden im Wasser, der einen zur Not retten könnte.“

18 Monate Neuseeland sind eine lange Zeit. Zwischendu­rch verspürte Schmidbaue­r, die nach dem Ende des Arbeitsvis­ums von den Großeltern etwas unterstütz­t wird, Heimweh. „Ich vermisse dann zum Beispiel das gewohnte Essen, Bäckereien, die Berge und den Schnee“, zählt die 26-Jährige auf. Das meiste dürfte sie bald wieder haben.

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FOTO: ROMINA AMATO/RED BULL CLIFF DIVING/DPA Eine Sportlerin will hoch hinaus: Iris Schmidbaue­r springt vom 21 Meter hohen Cliff auf Vila Franca do Campo in Portugal.

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